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Raumluftstörungen: innovative Lösungen für Raumklima und Luftqualität

03.03.2011 -

Raumluftstörungen: innovative Lösungen für Raumklima und Luftqualität:

Die numerische Strömungssimulation (Computational Fluid Dynamics, CFD) hat heute einen Entwicklungsstand erreicht, mit dem zahlreiche praxisbezogene Problemstellungen gelöst werden können, z.B. zur Vorhersage von Raumluftströmungen. Das Ingenieurbüro Mayer im bayerischen Ottobeuren, ein mittelständischer Dienstleister für die gesamte gebäudetechnische Planung, führt solche Berechnungen bzw. Simulationen im Auftrag von Kunden durch. Durch Variation der relevanten Parameter und Variantenvergleich wird eine technische und wirtschaftliche Optimierung der geplanten Räume erreicht oder auch belegt, dass ein bestimmtes Raumkonzept vorgegebene Grenzwerte z.B. bei der Raumdurchspülung oder Partikelkonzentration einhalten kann. CHEManager befragte Dr.-Ing. Roland Rydzewski, verantwortlich für die Bereiche Entwicklung und Strömungssimulation, zu den Anwendungsgebieten, zur Durchführung und zum Nutzen von strömungstechnischen Simulationen in der Raumlufttechnik. Die Fragen stellte Dr. Dieter Wirth.

CHEManager: Als Ingenieurbüro für Technische Gebäudeplanung- und -ausrüstung bieten Sie Strömungssimulationen an. Wer nutzt dieses noch relativ junge Leistungsangebot?

Dr. R. Rydzewski: Strömungssimulation wird insbesondere von Unternehmen nachgefragt, die hohe Anforderungen an die klimatischen Verhältnisse oder die Luftqualität in bestimmten Räumen stellen, deren Nichteinhaltung einen erheblichen Schaden nach sich ziehen würde, z. B. in Form zusätzlicher Kosten für Umbaumaßnahmen, oder in Form eines verspäteten Produktionsbeginns, oder auch in Form von Produktausschuss. Aufgrund unserer Firmengeschichte zählen in erster Linie Pharmaunternehmen wie z. B. Roche oder Schering zu unseren Kunden, aber auch Maschinenbauunternehmen, Anlagenbauer und Hochbauämter.

Welchen konkreten Nutzen kann ein Kunde von einer Strömungssimulation erwarten?


Dr. R. Rydzewski: Erstens: Raumluftströmungen sind ohne Simulation nicht vorherzusehen. Durch die Simulation erhält der Kunde die Sicherheit, die gewünschten raumklimatischen Verhältnisse auch tatsächlich zu erreichen. Zweitens: Der Fachplaner tappt bezüglich der Raumluftströmung zwangsläufig im Dunkeln; um sein planerisches Risiko zu minimieren, neigt er entweder zu Standardlösungen, oder er wählt überzogene, teure Lösungen nach dem Motto „Gürtel und Hosenträger“. Durch Strömungssimulation kann man die Funktionsfähigkeit einer Konzeptidee vorab prüfen, kann individuelle, problemangepasste, „schlanke“ Lösungen austesten. Im Ergebnis erhält man mit weniger Kostenaufwand einen besser funktionierenden Raum. Eine solche Optimierung lohnt sich nicht nur für klimatechnisch schwierige Räume oder Räume mit besonderen Anforderungen, sondern z. B. auch für „einfachere“ Räume, die in größerer Anzahl erstellt werden sollen.

Warum sollte ein Unternehmen zusätzliches Geld für eine Strömungssimulation ausgeben, wenn es schon einen Fachplaner für Klimatechnik bezahlt, von dem es doch mit Recht eine stimmige Planung erwarten kann?


Dr. R. Rydzewski: Der Fachplaner für Klimatechnik beschäftigt sich in erster Linie mit seinen technischen Anlagen, d. h. der Klimazentrale, dem Kanalnetz, Nachheizregistern, Brandschutzklappen, Volumenstromreglern usw. Das Raumluftklima, das ja die eigentliche Zielgröße darstellt, reduziert sich in dieser Betrachtung auf je einen Wert für die Raumtemperatur, eventuell für die Luftfeuchte und die Schadstoffkonzentration. Das reicht in Standardfällen auch aus. Wenn aber Anforderungen z. B. an den Verlauf der Luftströmung im Raum, an die Zugfreiheit für Personen, an die Temperaturschichtung im Raum, an die Schadstoffverteilung in einzelnen Raumbereichen usw. gestellt werden, reicht das konventionelle Planungsinstrumentarium des Fachplaners nicht aus. Nur die Strömungssimulation kann diese Größen prognostizieren. Damit steht seit wenigen Jahren endlich ein praxistaugliches Planungsinstrument für das Raumluftklima zur Verfügung. Vorher war man da im Wesentlichen auf Spekulationen angewiesen. Strömungssimulation stellt also einen neuen Stand der Technik dar, sie gehört traditionell nicht zum Leistungsumfang der Lüftungsplanung, muss daher im Bedarfsfall also extra beauftragt und bezahlt werden.


Mit welchen typischen Fragestellungen kommen die Kunden auf Sie zu?


Dr. R. Rydzewski: Zum Beispiel: Ein Pharma-Unternehmen verlangt für einen geplanten Reinraum den Nachweis, dass eine gleichmäßige Raumdurchspülung gegeben ist, dass die Recovery-Dauer eine bestimmte Zeitdauer nicht überschreitet und dass die Grenzwerte für Partikelkonzentration in allen Raumbereichen sicher eingehalten werden. Ein anderes Beispiel: Im Zuge einer Umbaumaßnahme soll eine große Zahl von Labors geschaffen werden. Angesichts der geringen Geschosshöhe erhebt sich die Frage, wie eine zugfreie Lufteinbringung zu gestalten ist. In der Simulation stellen wir die verschiedenen angedachten Varianten dar. Durch schrittweise Variation des Modells kristallisiert sich am Ende ein funktionsfähiges Konzept heraus. Ein weiteres Beispiel: Für einen Neubau hat der Architekt ein Foyer, das auch für den Aufenthalt von Personen bestimmt ist, mit einer großzügigen Glasfassade versehen. Die bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich eines optimalen Heizsystems, das ein komfortables Raumklima gewährleistet, sollen über eine Strömungsund Temperatursimulation geklärt werden. Die Simulation zeigt auf, dass mit dem geplanten Konzept in der Tat die Anforderungen nicht einzuhalten sind, und gibt zugleich Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten. Eine erneute Simulation bestätigt das überarbeitete Konzept.

Wie gestaltet sich der Ablauf eines Simulationsprojekts?


Dr. R. Rydzewski: In der Grundlagenermittlung wird im Gespräch mit dem Kunden zunächst die Fragestellung präzisiert, die durch die Simulation geklärt werden soll. Darauf aufbauend wird der darzustellende Raum mitsamt Klimatechnik definiert, einschließlich aller in die Betrachtung einzubeziehenden Varianten. Danach erstellen wir am Computer ein dreidimensionales Geometriemodell des Raumes. In dieses Geometriemodell hinein konstruieren wir ein dreidimensionales Berechnungsnetz, auf dem später der Rechner die strömungsmechanischen und thermodynamischen Grundgleichungen löst. Zuvor werden noch die zu verwendenden physikalischen Modelle definiert und die Randbedingungen eingegeben, z. B. Zulufttemperatur, Wärmeund Partikelquellen im Raum usw. Die numerische Lösung nimmt trotz leistungsfähiger Hardware meist mehrere Tage in Anspruch. Das Ergebnis wird grafisch aufbereitet, auf die zugrunde liegende Fragestellung hin analysiert und dokumentiert. Im Gespräch mit dem Kunden werden die Konsequenzen diskutiert und evtl. Festlegungen für weitere Simulationsläufe getroffen. Am Ende steht ein klarer Befund bzw. eine Handlungsempfehlung für die Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse.

Anbieter für Strömungssimulationssoftware werben heute mit der leichten Bedienbarkeit ihrer Programme. Kann damit ein durchschnittlicher Klimaingenieur mit etwas Einarbeitungszeit zutreffende Ergebnisse produzieren?


Dr. R. Rydzewski: Nein – so einfach ist die Sache nicht. Trotz grafischer Benutzeroberfläche der Programme benötigt man ein fundiertes Verständnis der abzubildenden physikalischen Prozesse und eine möglichst mehrjährige Erfahrung mit dem jeweiligen Programmpaket. Das ist die Voraussetzung, um eine korrekte Simulation aufzusetzen, die Ergebnisse kritisch prüfen zu können und damit letztlich zutreffende, verlässliche Ergebnisse zu erzielen. Fatalerweise sieht man es den schönen bunten Simulationsbildern nicht an, ob sie das Ergebnis einer fachkompetent aufgesetzten Simulation sind oder ob sie aus einer leichtfertigen Anwendung eines ungenügend verstandenen Programms hervorgegangen sind. Strömungssimulation ist daher Vertrauenssache, und sie gehört in die Hand von erfahrenen Spezialisten! Deswegen haben wir vor gut vier Jahren ein Kompetenzzentrum Strömungssimulation gegründet, in dem zwei Ingenieure ausschließlich an diesem Thema arbeiten. Mit dem Softwarepaket Fluent verwenden wir eines der gut validierten und anerkannten Programme.

Können Sie Angaben über den Zeit- und Kostenaufwand für die Durchführung einer Strömungssimulation machen?


Dr. R. Rydzewski: Der Bearbeitungsaufwand beträgt für einfache Fälle einige Mann- Tage, in komplizierten Fällen auch mehrere Mann-Wochen. Oft führt die Simulation zu kostengünstigeren Lösungen, so dass die eingesparten Baukosten höher sind als unser Honorar. Für viele Unternehmen steht diese Art der Kostenbetrachtung jedoch nicht so sehr Mittelpunkt. Vielmehr geht es darum, ob die beabsichtigte Nutzung eines Raumes oder Gebäudes – so wie geplant ist – tatsächlich erreicht werden kann.


Typische Anwendungsfelder für die Simulation von Luftströmungen in und an Gebäuden:
Reinräume: Risikoanalyse, Einhaltung der Partikelgrenzwerte, Vermeidung von Totzonen, korrekt funktionierende „Laminar-Flow“-Bereiche, optimal platzierte Luftdurchlässe, Berechnung des Recovery-Prozesses _ Industrielle Absaugungen: Ermittlung des notwendigen Erfassungsvolumenstroms, Optimierung der Schadstofferfassung, Einhaltung von MAK-Werten _ Hochregallager für temperaturempfindliche Produkte: Einhaltung der Temperaturanforderungen, Auswahl des optimalen Klimatisierungssystems (zentrale Klimaanlage, Umluftgeräte, Deckenstrahlplatten, Luftschleieranlagen) _ Produktionshallen für Präzisionsfertigung: Einhaltung der Temperaturanforderungen, Optimierung des Lüftungssystems _ Konzert- und Veranstaltungssäle: Einhaltung der Kriterien für die thermische Behaglichkeit von Personen _ Brandsimulation: Begründung von Brandschutzkonzepten für Sonderbauten, Nachweis der Entrauchung und der thermischen Beanspruchung der Baukonstruktion _ Räume und Gebäude mit hohem Glasanteil der Fassade: Vermeidung der sommerlichen Überhitzung und des winterlichen Kaltluftabfalls an der Fassade, Sicherung der thermischen Behaglichkeit von Personen, Vermeidung von Tauwasser _ Gebäudeumströmung: Ausbreitung freigesetzter Schadstoffe in der Atmosphäre, Immission in Nachbarbereichen.

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