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Chemiekonjunktur 2012 zwischen Wachstumshoffnung und Rezessionsangst

Schuldenkrise bremst Chemieindustrie, vorsichtige Prognosen deuten auf leichtes Wachstum

21.12.2011 -

Die Chemieindustrie wird 2012 durch die ungelöste Schuldenkrise in Europa und den hohen Schuldenstand in den USA deutlich gebremst werden. Nach zwei Rekordjahren in Folge stellt sich die Branche in Deutschland auf ein deutlich geringeres Wachstumstempo ein. "Es ist schwer, eine treffsichere Vorhersage für die kommenden zwölf Monate zu machen", sagte der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Klaus Engel, Anfang Dezember. Der Nebel sei in jüngster Zeit dichter, die Sichtweite geringer geworden. Von Krisenstimmung könne aber in der Branche keine Rede sein.

Auch im kommenden Jahr werde es für die chemische Industrie aufwärts gehen, wenn auch langsamer als 2011. Allerdings blieb bereits 2011 die Branche etwas hinter den bisherigen Prognosen zurück. Im laufenden Jahr dürfte der Umsatz um 9 % auf den Rekordwert von 186,5 Mrd. € klettern. "Insgesamt hat das Risiko für einen konjunkturellen Rückschlag in jüngster Zeit sicherlich zugenommen", sagte Engel. Vor allem die ungelöste Schuldenkrise im Euro-Raum und in den USA sei ein erheblicher Unsicherheitsfaktor. "Sollte sich die Finanzkrise in den Kernstaaten der Eurozone ausweiten und zu einer erneuten Bankenkrise führen, ist mit erheblichen Auswirkungen auf die Wirtschaft zu rechnen."

Stabilisierend wirke der kontinuierlich zunehmende Anteil der deutschen Chemieexporte in die Wachstumsregionen Asien, Lateinamerika und Osteuropa. Engel warnte aber vor politischen Konjunkturrisiken für den gesamten Euroraum. Je länger die Schuldenkrise ungelöst bleibt, desto gravierender die Folgen, mahnen Analysten. Auch Engel setzt kurzfristig auf die Politik: "Wir hoffen, dass es gelingt, das Vertrauen der Finanzmärkte in das Handeln der Politik zurückzuholen."

Deutschlands drittgrößter Industriezweig rechnet 2012 trotz erheblicher Unsicherheiten und höherer Belastungen durch die Energiewende mit einem Produktionsanstieg um 1 %. Im laufenden Jahr dürfte sich die Produktion einer ersten Schätzung zufolge um 4 % erhöhen. Beim Umsatz rechnet der Branchenverband 2012 mit einem Plus von 2 %. Dabei dürften die Erzeugerpreise um 1 % zulegen. Der hohe Ölpreis und eine robuste Nachfrage hatten 2011 noch zu einem Preisschub um 5 % geführt. Engel sprach von einer "eher vorsichtigen" Prognose für 2012.

Auch der europäische Verband der chemischen Industrie (Cefic) mahnt zur Vorsicht: "Die Unternehmen horten Barmittel", sagte Cefic-Präsident Giorgio Squinzi jüngst in Brüssel. Für 2012 rechnet der Verband mit einem Wachstum der Branche um 1,5 %. Im laufenden Jahr liege das Wachstum im historischen Trendbereich von 2 %. Nach einem starken ersten Quartal habe sich das Wachstum dabei bereits deutlich abgeschwächt. "Die anhaltende Schuldenkrise in der Eurozone und die hohe Staatsverschuldung in den USA haben seit Sommer die wirtschaftliche Stimmung untergraben", sagte Squinzi.

Die Chemieindustrie ist ein gutes Barometer für die generelle Konjunkturentwicklung, da die Branche fast alle Industriezweige mit Vorprodukten beliefert. Aussagen aus den Unternehmen klangen in jüngster Zeit eher verhalten: Bayer-Chef Marijn Dekkers erwartet sowohl im Pharma- als auch im Kunststoffgeschäft sinkende Gewinnspannen. "Jetzt wird zunehmend auch bei den Arzneimitteln gespart. Die Schuldenkrise drückt deshalb auf unsere Margen", sagte er. Darüber hinaus schwäche sich auch die Nachfrage nach Kunststoffen ab. Konkrete Prognosen für das kommende Jahr wagte er ebenso wenig wie die Konzernlenker von BASF und des Spezialchemiekonzerns Lanxess. Lanxess-Chef Axel Heitmann rechnet zwar mit einem guten Start 2012. Für einen Blick auf das ganze Jahr sei es aber noch "zu früh".

Auch von den US-Branchengrößen kommen negative Signale. "Vor allem die Entwicklung in Europa ist unsicher und macht uns Sorgen", sagte Dow-Chemical-Chef Andrew Liveris. Warnungen vor einer Schwäche im für den Sektor besonders wichtigen Wachstumsmarkt China hält er unterdessen für überzogen. "Die Chinesen spüren momentan eine gewisse Exportschwäche im Geschäft mit Europa, werden das aber durch interne Investitionen ausgleichen." Die Wachstumsraten würden vielleicht um einen Wert von etwa 9 % schwanken, aber gewiss nicht auf null zurückgehen.

Ehrgeizige Ziele präsentierte zuletzt der neue BASF-Chef Kurt Bock für die kommenden Jahre. Bis 2020 soll der Umsatz des weltweit größten Chemiekonzerns von zuletzt rund 64 Milliarden auf etwa 115 Mrd. € steigen. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) soll sich sogar mehr als verdoppeln. Ein halbes Jahr nach seiner Amtsübernahme schraubte Bock damit die Ziele seines Vorgängers Jürgen Hambrecht nach oben. Der hatte zuletzt für 2020 Erlöse von 90 Mrd. € in Aussicht gestellt. Zum Zuwachs beitragen sollen vor allem Schwellenländer wie China und Brasilien. Bis 2020 sollen die Wachstumsmärkte fast die Hälfte des BASF-Umsatzes ausmachen, 2010 war es rund ein Drittel. Aber auch vom Wachstum der Bevölkerung versprechen sich die Ludwigshafener gute Geschäfte.

Etwas vorsichtiger zeigen sich die Analysten der WestLB. Sie rechnen für das kommende Jahr aufgrund der Euro-Krise und eines wirtschaftlichen Abschwungs mit Volumenrückgängen in Nordamerika und Westeuropa. Zudem erwarten sie geringere Wachstumsraten in Asien und Südamerika. Davon betroffen sein sollten nicht nur Anbieter von Basischemie, sondern auch Spezialchemiekonzerne, die vor allem von der Automobilindustrie und Bauindustrie abhängig seien. Dennoch werden sich der Bank zufolge auch Bereiche in der Chemie, wie etwa Industriegase, Agrochemie, Pflegeprodukte und Reinigungsmittel besser entwickeln. Zu den Profiteuren dürfte der Gasekonzern und Anlagenbauer Linde gehören, hieß es.

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