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Schiefergas für Europa

Wassermanagement ist eine zentrale logistische Größe bei der Schiefergasförderung

26.03.2013 -

Die Förderung von Schiefergas wird derzeit leidenschaftlich, aber auch kontrovers diskutiert. Für welche Nationen macht der Einstieg in die Schiefergasförderung Sinn? Welche Faktoren entscheiden über die Wirtschaftlichkeit des Projekts? Dr. Andrea Gruß befragte hierzu Götz Erhardt, Executive Partner bei Accenture in Kronberg.

CHEManager: Welche Regionen außerhalb den USA verfügen über die Voraussetzungen für die Förderung von Schiefergas?
Götz Erhardt: In Europa ist von substanziellen Schiefergasvorkommen in Deutschland, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Rumänien, Bulgarien und Polen auszugehen. Ob und inwieweit eine Erschließung dieser Vorkommen möglich oder sinnvoll ist, hängt von unterschiedlichen Parametern ab. Das reicht von wirtschaftlichen Aspekten über geologische bis hin zu Fragen der Besiedlungsdichte und dem gesellschaftlichen Klima. Es läuft also auf Einzelfallentscheidungen hinaus.

Wann macht die Förderung Sinn?
Götz Erhardt: Aus globaler Perspektive haben sich zwei Konstellationen herauskristallisiert, die eine Erschließung von Schiefergasvorkommen wahrscheinlich machen: Für Länder, die bisher in einem hohen Maß auf Erdgasimporte angewiesen sind, ist die Erschließung eigener Vorkommen attraktiv, denn sie verspricht ein Stück Energieautarkie. Sofern also - gemessen am eigenen Bedarf - substanzielle Vorkommen vorhanden sind, sprechen in aller Regel gute energiestrategische und wirtschaftliche Gründe für eine Förderung. In diese Kategorie fällt etwa Polen, das zwischen 60 % und 70 % seines Gasbedarfs importiert. Prinzipiell fällt auch Deutschland in diese Gruppe, allerdings sind die hierzulande vermuteten Vorräte deutlich geringer.
Die zweite Konstellation hat für Europa weniger Relevanz und betrifft Länder mit sehr großen Schiefergasvorkommen und einer bereits substanziellen Infrastruktur für die Erdgasförderung. Neben den USA sind hier etwa Australien zu nennen oder auch Brasilien, Argentinien oder China.

Welche Chancen geben Sie der Förderung in Deutschland?
Götz Erhardt: Das Thema wird hierzulande leidenschaftlich diskutiert. Das ist nicht immer hilfreich, denn letztlich geht es hier um eine technologische und ökonomische Frage, und die lässt sich letztlich nur durch fundierte Analysen und einen nüchternen Blick auf Chancen und Risiken bewerten. Auf der anderen Seite sind die Sorgen der Bevölkerung nichts, worüber man sich hinwegsetzen könnte oder sollte.
Und auch jenseits derer ist die Sinnhaftigkeit einer deutschen Förderung mit einigen Fragezeichen versehen. Sicher ist bisher wenig. Weder die Größe der Vorkommen noch ihre tatsächliche Verfügbarkeit, noch die Wirtschaftlichkeit einer Erschließung.

Die aktuelle Studie von Accenture befasst sich mit dem Wassermanagement bei der Schiefergasförderung. Welche Herausforderung gilt es hier zu meistern?
Götz Erhardt: Das Wassermanagement ist die zentrale logistische und wirtschaftliche Größe beim Hydraulic Fracturing, denn zur Erschließung eines einzigen Bohrlochs werden durchschnittlich 20 Mio. l Wasser benötigt. Der logistische Aufwand ist also enorm, und es gibt hier nur individuelle Lösungen. Entscheidend ist, die lokalen Charakteristika der Wasserverfügbarkeit frühzeitig zu erfassen. Und dabei geht es zunächst einmal um Datenmanagement. Das zentrale Monitoring und Tracking von Wasservorräten erfordert von Betreibern und Behörden völlig neue Prozesse und ist essenziell für das Setzen der richtigen regulatorischen Rahmenbedingungen. Ebenso entscheidend ist die zentrale Koordinierung unterschiedlicher Behörden, z. B. im Bereich Umwelt, Wasserschutz und Geologie. In den USA führten das Fehlen einer solchen Steuerungsstelle sowie die konkurrierende Gesetzgebung von Bundes- und Staatsgesetzen zu erheblichen Verzögerungen und Kosten.

Ist die notwendige Technik hierfür bereits verfügbar und zuverlässig?
Götz Erhardt: Wasserverfügbarkeit und Wassermanagement sind wesentliche Kos¬tentreiber, womit sich, auch mit Blick auf Umweltaspekte, die größten Anreize für technische Neuerungen ergeben. Das größte Potential liegt dabei in der Wiederverwendung des als „Flowback" bezeichneten Abwassers, welches u. a. Ton, Chemikalien und Metalle enthält. Inzwischen ist klar, dass die Verwendung von geklärtem Wasser keine negativen Einflüsse auf den Fracking-Prozess hat, es werden daher verschiedene Methoden zur Klärung und Wiederverwendung des Wassers verfolgt, um so den Frischwasserverbrauch zu reduzieren. Dies geschieht etwa über geschlossene Klärkreisläufe direkt vor Ort.
Aber auch hier gilt: Nicht nur die Technik ist entscheidend. 60-80 % der Logistikkosten beim Fracking entfallen auf den Wassertransport. Accenture entwickelt daher auf Erfahrungen der Konsumgüter- und Automobilbranche beruhende Logistikmodelle, mit denen die Kosten um bis zu 20 % reduziert werden können.

 

 

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