Anlagenbau & Prozesstechnik

3D-Druck in der Prozessindustrie

Additive Fertigung mit PEEK eröffnet neue Möglichkeiten für Anlagenplanung, -betrieb und -optimierung

25.10.2016 -

In der Industrie herrscht eine gewisse Zwiespältigkeit, wenn es um den Einsatz von 3D-gedruckten Teilen in der Endanwendung geht. Einer der Hauptgründe, dass 3D-Druck als Fertigungswerkzeug zögerlich eingesetzt wird, ist die allgemeine Annahme, dass die Technologie noch nicht reif sei.

Selbst bei High-end-Metallverarbeitungssystemen ist die Industrie noch vorsichtig – eine Zurückhaltung, die aus unterschiedlichen Faktoren herrührt wie bspw. mangelnde Information zu Medien, Materialien, Messtechnik, Qualitätssicherstellung, Technologiezugang sowie der generelle Mangel an Daten zum Materialverhalten nach der 3D-Druckverarbeitung. In Anbetracht dieser Tatsachen spielen die verwendeten Materialien sowie die Qualität der Teile nach dem Druck eine zentrale Rolle, um die Industrie von den Fähigkeiten der 3D-Drucktechnologie zu überzeugen.

Praxisorientierte Beispiele

Die Befähigung, Hochleistungsmaterialien wie Polyetheretherketon (PEEK) 3D-drucken zu können, ist eine einzigartige Fertigungschance. Funktionale und strukturelle Produktentwürfe, welche komplexe Geometrien erfordern und mit herkömmlichen Fertigungsverfahren wie bspw. Spritzguss und CNC-Fräsen nur schwer umsetzbar sind, können dank des 3D-Drucks mit geringstem Aufwand gefertigt werden.

Das Hochleistungspolymer PEEK weist einzigartige Eigenschaften wie hohe mechanische Belastbarkeit, Korrosionsbeständigkeit, Verschleißfestigkeit, chemische Reaktionsträgheit sowie UV-Beständigkeit auf. PEEK erfüllt somit extreme technische Anforderungen, hat viele Vorteile gegenüber anderen Polymeren und eignet sich als Ersatz für Industriematerialien wie Aluminium und Stahl. Es erlaubt Nutzern eine Reduzierung des Gesamtgewichts, des Produktzyklus und eine verlängerte Lebensdauer. Im Vergleich zu Metallen bietet PEEK eine größere Designfreiheit.

Verschiedenste Beispielteile aus PEEK mit teilweise komplexen Geometrien wurden bereits mit einem Indmatec HPP 155 3D-Drucker hergestellt. Jener 3D-Drucker wurde speziell konstruiert, um hochtemperaturfeste Polymere zu verarbeiten. Seine mechanische Leistung, in Verbindung mit der Software, die es möglich macht, die Druckstrategie zu erzeugen und präzise auszuführen, wurde umfangreich getestet, um qualitativ hochwertige PEEK-Teile zu realisieren.

Auf diese Weise bereits 3D-gedruckte PEEK-Teile sind bspw. Dichtungen, Flansche, Antriebsradsysteme, Wärmetauscher, Laufradsysteme und Fluidmischer (Abb. 1). Die Oberflächenqualität der PEEK-Teile in Abb. 1 a-d demonstriert die technische Stabilität und Zuverlässigkeit des Druckers. Die mehrgängige Mischsäule (Fluidmischer, Höhe: 95 mm, max. Durchmesser: 40 mm) wurde mit der Fused Filament Fabrication (FFF)-3D-Drucktechnologie hergestellt. Die Oberfläche ebenso wie die Innenwände sind durch feine Nahtstellen gekennzeichnet, welche durch das Ablegen der einzelnen Schichten geschmolzenen PEEKs auf die spannungsfreie Oberfläche des festen PEEKs entstehen. Die metallischen Anschlusstüllen wurden nach dem 3D-Druck angefügt. Das Gehäuse des 3D-gedruckten PEEK-Laufradsystems wurde aus Polyamid (PA6) 3D-gedruckt. Jedes der Teile ist funktionstüchtig und im chemisch-technologischen Sektor einsetzbar.

3D-Druck in der Chemieindustrie

Computersimulationen in Bezug auf dynamisches Verhalten von Flüssigkeiten, Rheologie und chemische Prozesse haben in den vergangenen 30 Jahren die Entwicklungsaktivitäten im Bereich der Prozesssteuerung dominiert. Während dieser Ansatz beachtliche Einsparungen hinsichtlich Zeit und Geld mit sich bringt, bleibt die Notwendigkeit, reale Modelle der Einsatzteile und Einsatzverfahren zu testen, denn gewisse konstruktionsbedingte Hindernisse bleiben trotz des Einsatzes von computerunterstützten Werkzeugen unvorhersehbar. Aus diesem Grund greifen Verfahrenstechniker auf Miniaturabbildungen zurück, um diese unter echten Einsatzbedingungen zu testen.

Genau dort können Fertigungsverfahren wie der 3D-Druck definitiv eine entscheidende Rolle spielen. Durch die Anwendung des 3D-Drucks bei der Erstellung von Miniaturen und Versuchsanlagen, können Ingenieure bei der Entwicklung von Fertigungsanlagen beträchtlich an Zeit, rechenintensiver Anstrengung und Investitionskosten sparen. Elemente von Fertigungsanlagen wie z.B. Trenneinheiten, Kompressoren, Tanklager, Rohrleitungen, Pumpen und Ventile können in kleinen Mengen 3D-gedruckt und anschließend als funktionierende Teile in Anlagenentwicklungsprojekten getestet werden. Gelenke, Verbindungspunkte oder Flächen, an denen verschiedene Teile aneinandergekoppelt sind, werden nicht mehr benötigt, da man mit 3D-Druck die gesamte Vorrichtung an einem Stück herstellen kann.

Bspw. kann PEEK für Reaktionsgefäße, die extremen pH-Wert-Bedingungen standhalten müssen, benutzt werden. Die Tatsache, dass der 3D-Druck heute im Stande ist, sowohl Metallteile, technische Keramikteile als auch hochleistungsfähige Kunststoffteile herzustellen, unterstreicht die einzigartige Entwicklung dieser Fertigungsverfahren und bietet Industrien die herausragende Möglichkeit, hoch spezialisierte Teile zu designen und diese ohne großen Aufwand herstellen zu können.

Schwelle zur Akzeptanz überwinden

Informationen liefern das benötigte Vertrauen, um die 3D-Drucktechnologie als etabliertes Fertigungsverfahren zu verankern. Jedoch ist die Anzahl an technischen Daten, die für dieses Vertrauen benötigt werden, bei weitem nicht ausreichend. Einige Gründe dafür sind: (i) Maschinenhersteller verfügen nicht über die vollständigen Informationen bezüglich der Qualität 3D-gedruckter Teile, oftmals werden nur Daten über geschäftliche Erfolge veröffentlicht.
(ii) Die Mehrheit der Forschungsgruppen, welche 3D-Drucker in ihren Laboren verwenden, testen nicht die Leistung der gedruckten Teile, sondern konzentrieren sich auf Prototypenentwicklung, welche den Anforderungen in Geometrie und Form entsprechen
(iii) ein großer Teil der 3D-Druck-Anwender setzt sich zusammen aus Mitgliedern der Maker-Gemeinschaft, welche oft wenig oder gar keinen Zugang zu Versuchsanlagen haben. Dies wäre jedoch notwendig, um die Glaubwürdigkeit in die wertvolle Entwicklungsarbeit im Bereich des 3D-Drucks zu stärken.

Die Tatsache, dass einige Maschinenhersteller sehr verschwiegen über Testergebnisse ihrer produzierten Teile sind, wirft Fragen nach Qualitätssicherung, Reproduzierbarkeit der Eigenschaften 3D-gedruckter Teile, Zuverlässigkeit des Druckprozesses und natürlich nach der Existenz von messbaren Parametern für die Benchmark von 3D-gedruckten Teilen auf. Relativ neue Fertigungstechnologien wie der 3D-Druck müssen eine Schwelle zur Akzeptanz überwinden, da Misstrauen, Vorsicht und eine generelle Unsicherheit im Hinblick auf gewohnte Methoden und Prozesse bestehen.

Fazit

Die Anwendung von 3D-Druck bzw. additiver Fertigung in der chemischen Prozessindustrie ist definitiv vorhanden, wir müssen lediglich diese Nische erkennen. In der Medizintechnik werden 3D-Drucker bereits verwendet, um patientenspezifische Implantate herzustellen. Diese 3D-Druckteile werden auf der Basis Daten von MRT- und CT-Scans erzeugt. Ist es möglich, computerunterstützte Modelle von Prozessanlagen zu verkleinern und anschließend in 3D zu drucken? Können wir digitale Arbeitsabläufe und Anlagenentwürfe mit deren Eigenschafen und Funktionen verbessern, indem wir Anlagenmodelle 3D-drucken und an ihnen Probeläufe durchführen? Können 3D-Drucker verwendet werden, um Ersatzteile herzustellen, um alte Anlagen am Laufen zu halten oder um neue Komponentendesigns zu entwickeln, die die Anlagenleistung verbessern? Die Autoren sind der Meinung, dass die 3D-Drucktechnologie eine praktikable Chance ist, neue Wege im Bereich Anlagenplanung, -betrieb und –optimierung zu gehen.

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