Anlagenbau & Prozesstechnik

Flexible und sichere Prozesse für die Pharmaindustrie

Teil 2: Quality by Design und Process Analytical Technology

14.05.2014 -

Aufgrund steigender Bevölkerungszahlen und höherer Einkommen werden die „pharmerging" Märkte weiter jährlich um zehn bis 13 Prozent wachsen und die Medikamentennutzung drastisch steigen. Wirtschaftlicher Aufschwung, signifikante demografische und epidemiologische Veränderungen und eine große Bandbreite an gesundheitspolitischen Maßnahmen fördern einen leichteren Zugang zu Arzneimitteln.

Neue Gesetzgebungen, auslaufende Patente und steigende Gesundheitsausgaben erfordern gravierende Veränderungen in der globalen pharmazeutischen Industrie. Die Märkte für Spezialmedikamente, Biopharmazeutika und Biosimilars bieten zusätzliche Wachstumschancen. In den kommenden Jahren werden weltweit neue Verfahren und Herstellungskonzepte implementiert, die alle eines gemein haben: die Anforderung nach sicheren, hochwertigen und zuverlässigen Prozessen.

Der Einsatz hochwirksamer Pharmazeutika hat stark zugenommen und erfordert ein Höchstmaß an Sicherheitsvorkehrungen während der gesamten Verarbeitungskette.

Kontinuierliches Containment hochwirksamer Substanzen

Parallel zur aseptischen Abfüllung flüssiger Pharmazeutika haben auch Hersteller fester Darreichungsformen den Bedarf an Containment-Lösungen erkannt. Diese verhindern, dass biologische Wirkstoffe in die externe oder in die Arbeitsumgebung entweichen und schützen Maschinenbediener vor aktiven Wirkstoffen. Containment-Systeme erfordern geschlossene Kammern oder biologische Sicherheitswerkbänke, sowie Räume mit speziell entwickelten Lüftungsanlagen und sicheren Betriebsabläufen. Einige pharmazeutische Hersteller haben schon ganze Sicherheitsgebäude errichtet, in denen Gebäudeanforderungen und Anlagen optimal aufeinander abgestimmt sind. Dabei ist es hilfreich, Anlagenhersteller bereits in einem frühen Planungsstadium einzubeziehen, um flexible, modulare und platzsparende Lösungen zu erarbeiten.

Ein Konzept, das diesen Ansatz begünstigt, nennt sich „Continuous Processing" (kontinuierliche Verarbeitung) und wird bereits seit vielen Jahren in der Lebensmittel- und chemischen Industrie eingesetzt. Die pharmazeutische Industrie hingegen ist erst kürzlich auf die Vorzüge dieses Ansatzes hinsichtlich Kosten-, Zeit-, Platz- und Materialeinsparung aufmerksam geworden. Im Gegensatz zur Chargenherstellung impliziert Continuous Processing die Herstellung und Verarbeitung der Materialien in einem durchgängigen Prozess ohne Unterbrechung. Dieses Konzept setzt allerdings ein fundiertes Verständnis der Prozessinteraktion zwischen den unterschiedlichen Verarbeitungseinheiten voraus. Führende Hersteller entwickeln derzeit neue Technologien, die vor allem reduzierte Kosten und eine höhere Effizienz mit sich bringen.

Qualität in den Produktionsprozess integrieren

Die FDA setzt sich stark für Continuous Processing ein und hat bereits häufiger betont, dass dieser Ansatz mit ihren eigenen „Quality by Design"-Bemühungen (QbD) übereinstimmt. QbD ist laut FDA ein wissenschaftlicher und risikobasierter Ansatz für die pharmazeutische Entwicklung und Herstellung, um eine hohe Produktqualität zu gewährleisten. Ziel ist eine Definition der Qualität und Effizienz eines Produkts noch vor seiner Herstellung. Auf Basis dieser Anforderungen kann die Produktqualität während des Produktionsprozesses in verschiedenen Phasen gemessen und kontrolliert werden. Die Auswirkungen von Prozesseigenschaften auf das Endprodukt werden ebenfalls in die Berechnungen mit einbezogen. Anhand einer umfassenden Kontrollstrategie für Material, Prozesse und Endprodukte führt QbD zu geringeren Produktverlusten, einer niedrigeren Fluktuation und einer schnelleren Markteinführung. Hersteller beginnen mittlerweile damit, den QbD-Ansatz auch bei biologischen Produkten, zum Beispiel bei Impfstoffen, einzusetzen. Allerdings lässt er sich nicht ohne weiteres von festen Darreichungsformen auf biologische Produkte übertragen. Weitere Erfahrungen und Praxisbeispiele sind vonnöten, um angemessene Bewertungen und Inspektionsparadigmen einführen zu können.

Im Rahmen von QbD kommt der „Process Analytical Technology" (PAT ) eine zentrale Bedeutung zu - einem System, mit dem Herstellungsprozesse durch zeitnahe Messungen kritischer Qualitäts- und Leistungsattribute von Rohstoffen, Prozessmaterialien und Verfahren gestaltet, analysiert und kontrolliert werden, um die finale Produktqualität sicherzustellen. Die Veröffentlichung der PAT-Richtlinien durch die FDA im Jahr 2004 führte zur Entwicklung gänzlich neuer Technologien für eine integrierte Beseitigung variierender Produktqualität. Neue Inspektionssysteme, beispielsweise für Kapseln, kontrollieren Qualitätsparameter wie Gewicht, Fremdpartikel und Kapsellänge gleichzeitig, in Echtzeit und bei hohem Durchsatz. Eine Online-Gewichtskontrolle ermöglicht die genaue Überprüfung während des Prozesses und übermittelt exakte Füllgewichte zur automatischen Parameteranpassung der Füllstation. Aufgrund neuer Software und Darstellungstechniken schreitet die technologische Entwicklung schnell voran.

Serialisierung, Aggregation und Authentifizierung

Nachdem alle Produkte sicher hergestellt, abgefüllt und inspiziert wurden, erfolgt vor der Markteinführung noch ein letzter Schritt. Denn Sekundärverpackung und End-of-Line Equipment spielen bei der pharmazeutischen Sicherheit eine besonders wichtige Rolle. Wachsender Internetvertrieb, die Auslagerung der Produktion und komplexere Lieferketten bieten leider eine Vielzahl an Möglichkeiten, gefälschte Pharmazeutika auf den Markt zu bringen. Viele Länder entwickeln und implementieren derzeit neue Richtlinien und Gesetzgebungen, um pharmazeutische Produkte entlang der Lieferkette zu schützen - wie beispielsweise China und Argentinien sowie Brasilien, deren nationale Behörde für Gesundheitsüberwachung ANVISA  erst im Dezember 2013 eine neue Resolution verabschiedet hat.

Der „Drug Quality and Security Act"  befähigt die FDA dazu, ab 2015 schrittweise einen einheitlichen numerischen Identifikationscode (SNI) für die Verpackung aller verschreibungspflichtigen Medikamente einzuführen. Das türkische pharmazeutische Track & Trace-System  (ITS) ordnet sogar die Serialisierung aller frei verkäuflichen und verschreibungspflichtigen Medikamente auf Stückbasis von der Produktion bis hin zum Patienten an. Die Richtlinie 2011/62/EU  der Europäischen Union (Falsified Medicines Directive) schreibt die Einführung einmalig kodierter, serialisierter Verpackungen für nahezu alle verschreibungspflichtigen Medikamente vor. Gleichzeitig verlangt die EU nach einer zweiten Sicherheitsebene in Form von manipulationssicheren Verschlüssen, so genannten Unversehrtheitssiegeln. Sie zeigen auf, ob eine Verpackung schon einmal geöffnet oder anderweitig manipuliert wurde.

Bei der Umsetzung der entsprechenden Richtlinien innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens stehen pharmazeutische Hersteller großen Herausforderungen gegenüber. Sie müssen neue Abläufe für die Verwaltung und Speicherung der Seriennummern einführen. Diese erfordern im Umkehrschluss die Anpassung höchst anspruchsvoller Verpackungsprozesse im Rahmen der eigenen globalen Strategie. Dafür bedarf es einer ausgeklügelten Software-Architektur, die die Seriennummern einheitlich auf allen Ebenen integriert - von der Applikationsebene über den Linienprozess und die Linienverwaltung bis hin zur Produktions- und Unternehmensebene. Ein vielschichtiges und modulares Maschinen- und Softwarekonzept stellt dabei zweifellos den sichersten Ansatz dar. Dieser muss mit bestehenden Linienkonzepten kompatibel sein und die Entwicklung eines kompletten Systems ermögliche, das die Anforderungen der Industrie nach sicheren, qualitativ hochwertigen und durchgängigen Prozessen erfüllt.

Teil 1 des Artikels: " Die Herausforderungen von heute und morgen" lesen Sie hier.

 

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