Anlagenbau & Prozesstechnik

Hygienic Design mit maßgeschneiderten Polymeren

Leitung für Industrial Ethernet vervollständigt Leitungsportfolio für die Prozessindustrie

04.02.2016 -

Die Materialwissenschaftler von Lapp Engineering haben für Einsatzorte in der Produktzone einen besonders robusten Kabelmantel aus optimiertem Spezial-TPE entwickelt.

Zumindest für Kabel ist eine Käserei ein kritischer Ort. Nimmt man die falschen, können die Bakterien, die den Käse reifen lassen, den Kunststoff des Kabelmantels angreifen – auch ohne direkten Kontakt, einfach durch Übertragung der Bakterien durch die Luft. Innerhalb weniger Monate wird der Kunststoff brüchig und bröselt ab, Kurzschlüsse drohen, was zu gefährlichen Situationen für die Mitarbeiter führen kann.
Kurzum: Die Anforderungen in der Lebensmittel- und allgemein in der Prozessindus­trie sind besonders hoch. Man braucht in der Regel besonders widerstandsfähige Leitungen, aber auch Schläuche, Verschraubungen, Stec­ker und Zubehör, welche die strengen internationalen Anforderungen, etwa die Design-Vorgaben nach EHEDG oder die Verträglichkeit mit Ecolab Reinigungsmitteln, garantieren.

Mit Ecolab Reinigungsmitteln vertäglich
Hier braucht man Kabel, die robuster gegen Abrieb, hohe oder tiefe Grenztemperaturen, Hydrolyse oder Bakterienbefall sind. Zudem müssen Kabel auch noch andere besondere Eigenschaften besitzen, die die auf dem Markt befindlichen Standardkabel einfach nicht mitbringen. Schließlich ist in der Prozessindustrie die Belastung des Materials etwa durch häufige Reinigung mit Dampfstrahlern, aggressiven Putzmitteln oder neuerdings sogar mit Trocken­eis, besonders hoch.
Viele Anwender verwenden deshalb häufig Mantelmaterialien aus Polyurethan (PUR). Dieses Material überzeugt durch seine enorme Widerstandsfähigkeit gegen Abrieb. Aus Tests ist allerdings bekannt, dass PUR zur Hydrolyse neigt, also Wasser aufnimmt, was langfristig zu Kurzschlüssen führen kann. Kabel mit einem PUR-Mantel sollten deshalb nur in trockenen Räumen verlegt werden und keinesfalls in Wasserlachen liegen, außer man schützt sie durch Schutzschläuche. Die Materialwissenschaftler von Lapp Engineering & Co. in Cham in der Schweiz haben im Auftrag der Lapp Gruppe für Einsatzorte in der Produktzone einen besonders robusten Kabelmantel aus optimiertem Spezial-­TPE entwickelt, der widerstandsfähig genug ist, um auch auf dem Boden verlegt zu werden.

Konzeption eines neuen Kunststoffcompounds
Die Konzeption eines solchen neuen Kunststoffcompounds ist nicht leicht. Die Kunst besteht darin, eine gewünschte Eigenschaft – z. B. die Resistenz gegen Bakterien – zu verbessern, ohne dass die anderen Eigenschaften – etwa die Abriebfestigkeit – zu sehr darunter leiden. Deshalb erfordert die Mixtur eines neuen Kunststoffcompounds immer kluges Abwägen der Vor- und Nachteile – und Geduld. Das Dosieren und Mischen der Zutaten in einem Kneter und die Weiterverarbeitung der Materialien bis hin zur Fertigstellung des Kabels durch Extrusion lassen sich auch mit den schnellsten Computern nicht hundertprozentig simulieren. Hier sind neben der Erfahrung viele Versuche nötig, bei denen die Mischungsverhältnisse bzw. Anteile einzelner Zutaten systematisch variiert und angepasst werden.
TPE (thermoplastisches Elastomer) besteht aus einer thermoplastischen Phase (z. B. Polypropylen (PP)) sowie einem Elastomer (z. B. Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM)), welches die Anforderungen schon recht gut erfüllt. Für die Forscher von Lapp Engineering war TPE das ideale Ausgangsmaterial für die weitere Materialoptimierung. Dazu wurde das Mischungsverhältnis der Polymere optimiert und Additive zugesetzt, die in die Compoundmatrix eingebaut wurden, z. B. Verarbeitungshilfen, die eine extrem glatte Oberfläche erzeugen. Die Matrix eines Polymers kann man sich als Geflecht langer Kettenmoleküle vorstellen, die Additive sind chemische Verbindungen, die in die Lücken des Geflechts eingebettet sind und zwar so, dass sie genau in die Lücken passen und sich darin gut verankern, um nicht bei den intensiven Reinigungszyklen mit dem Hochdruckreiniger ausgewaschen zu werden.

Allerdings führen manche Additive wie Farb- und Füllstoffe oder Flammschutz beim Einsatz in der Lebensmittelverarbeitung eher zu schlechteren Ergebnissen, etwa bezüglich der Resistenz gegen bestimmte Stoffe. Wichtig ist das optimale Mischungsverhältnis der Polymere und der geeigneten Zusatzstoffe. Nur so kann man die Eigenschaften von TPE für den Einsatz in der Lebensmittelindustrie noch einmal messbar optimieren. Das so erzeugte Spezial-TPE übertrifft PUR oder nicht-optimiertes TPE in vielen Eigenschaften, insbesondere ist es resistent gegen Bioöle, Fette, Lebensmittelsäuren und Wasser. Dennoch: Ein Kunststoff, der in allen Eigenschaften PUR übertrifft oder zumindest mit ihm gleichzieht, ist auch mit Spezial-TPE nicht machbar. So bleibt das Spezial-TPE bei der Abriebfestigkeit etwas hinter PUR zurück. Dennoch sind Kabel mit optimiertem Spezial-TPE widerstandsfähig genug, um auch auf dem Boden verlegt zu werden. Bei den Messverfahren konnten auch hervorragende Eigenschaften bezüglich Keimbesatz nachgewiesen werden. Spezielle Maßnahmen zum Schutz gegen die Belastungen von Hochdruck- oder Dampfreinigung sind ebenfalls weitestgehend verzichtbar.

Robust für die Produktzone
Lapp hat als komplettes Leitungsportfolio für die Lebensmittelindustrie und speziell für die Produktzone die „Robust-Familie“ aufgelegt. Dabei handelt es sich ausschließlich um Kabel mit dem beschriebenen Mantel aus optimiertem Spezial-TPE, wie etwa die widerstandsfähigen Anschluss- und Steuerleitungen der Serie Ölflex Robust. Diese gibt es mit VDE- und auch mit UL-Zertifizierung für den nordamerikanischen Markt. Materialbeständigkeits- und Funktionstests nach Ecolab bescheinigen, dass die Kabel und Leitungen die regelmäßige Reinigung mit industrieüblichen Reinigungs-  und Desinfektionsmitteln aushalten. Leitungen für die Lebensmittelindustrie gibt es auch in den Serien Unitronic Robust für niederfrequente Datenleitungen und Hitronic Robust für die optische Datenübertragung.
Ein Neuzuwachs in der „Robust-Familie“ ist die Etherline Robust. Die Leitung für Industrial Ethernet ist besonders witterungs-, ozon- und UV-beständig, außerdem halogenfrei und erlaubt häufiges Reinigen mit heißem Dampf und sauren oder alkalischen Reinigungsmitteln. Sie eignet sich daher besonders für die Lebensmittelindustrie, aber auch z. B. für die Medizintechnik. Die zweifache Abschirmung gewährleistet eine hohe Übertragungssicherheit in elektromagnetisch sensiblen Anwendungen. Für eine erhöhte Flammwidrigkeit gibt es die Leitungen als Ausführung Etherline Robust FR. Beide Serien der Etherline Robust sind nach dem Profinet-­Standard entwickelt und für Übertragungskategorien von Cat.5 bis Cat.7 erhältlich, d. h., sie erreichen Übertragungsgeschwindigkeiten bis zu 10Gbit/s.

Die optimale Abschirmung
Um eine optimale Abschirmung der einzelnen Aderpärchen sowie für die Gesamtschirmung zu finden, wurde nach zahlreichen Tests ein Bewicklungsverfahren festgelegt, bei dem man die Folie in einem optimierten Einlaufwinkel um die einzelnen Paare laufen lässt. Als Gesamtschirmung dient ein Kupferabschirmgeflecht, das zusätzlich durch ein alukaschiertes Vlies verstärkt wird. Die hochwertige Abschirmung gewährleistet eine hohe Übertragungssicherheit bei der Datenübermittlung in elektromagnetisch belasteten Bereichen.
Neben den Leitungen hat Lapp aber auch weitere Komponenten speziell für die Lebensmittel- und Prozessindustrie. Zum Beispiel erfüllt die Kabelverschraubung Skintop Hygienic durch Formgebung und Material höchste ­Hygiene-Standards und ist nach EHEDG-Vorgaben zertifiziert. Sie besteht aus Edelstahl und FKM-Elastomer für die Dichtungen und hat keine Ecken und Kanten, an denen sich Produktreste festsetzen könnten. Die Schlauchverschraubung Silvyn Hygienic mit dem passenden Silvyn Hygienic Schlauch ist ebenfalls für die Verwendung in der Produktzone geeignet. Und für den Rechtecksteckverbinder Epic Ultra hat Lapp den Epic Ultra H-B Schutzdeckel entwickelt, der den Sockel des Steckverbinders wasserdicht abschließt. Er besteht aus blauem Kunststoff mit korrosionsgeschützten Verriegelungselementen aus Edelstahl und ist von der US-amerikanischen Food and Drug Administration zugelassen. Blaue Kabelbinder mit einer Beimischung von Metall runden das Portfolio ab. Fällt bspw. ein Kabelbinder trotz aller Vorsicht in das Produkt, lässt er sich so mit einem Metalldetektor oder Röntgengerät leicht wieder auffinden.

Kontakt

Lapp GmbH

Schulze-Delitzsch-Straße 25
70565 Stuttgart
Baden-Württemberg, Deutschland