Anlagenbau & Prozesstechnik

Von der Tintenzeichnungen zum 3D-Modell

Bauwerksuntersuchung und Korrosionsmodell eines Sodawerks im viktorianischen Stil

29.10.2014 -

Die Einbeziehung jahrhundertealter Feder- und Tintenzeichnungen diente bei der umfassenden Bauwerksuntersuchung einer alten Sodafabrik zur Erstellung eines intelligenten 3D-Modells des Gebäudes.

Die 1873 von Brunner Mond & Company erbauten Winnington Works in Northwich, Cheshire, Großbritannien, wurden 2006 von Tata Chemicals dem weltweit zweitgrößten Sodahersteller, erworben. Tata Chemicals mit Sitz in Mumbai, Indien, beauftragte Stopford Projects mit der Durchführung einer umfassenden Bauwerksuntersuchung der 6.000 Quadratmeter großen Nassseite des Sodawerks im Rahmen einer fortlaufenden Gebäudemanagement- und Wartungsstrategie. Innerhalb von nur fünf Monaten lieferte Stopford ein intelligentes 3D-Modell, das in ProSteel von Bentley erstellt wurde und die korrodierten Komponenten im gesamten Werk zeigt.

Stopford ist ein Consulting-Unternehmen, das multidisziplinäre Engineering-, Projektmanagement-, und Konstruktionsleistungen sowohl für Kunden in Großbritannien als auch weltweit in zahlreichen Industriesektoren anbietet. Das Unternehmen begann im April 2011 mit dem 1,5 Mio. $ Projekt für Tata Chemicals und beendete die Untersuchung im September 2011; daraufhin erhielt es Folgeaufträge zu Sanierungsarbeiten.

Die Verwendung von ProSteel, der Software von Bentley für Konstruktion und Detallierung im Stahl- und Metallbau, war entscheidend für den Erfolg des Projekts, da Stopford sein Angebot auf der Grundlage einer schnellen Projektabwicklung abgegeben hatte. Obwohl Tata Chemicals ursprünglich nicht die Lieferung eines intelligenten 3D-Modells gefordert hatte, überzeugte Stopford den Kunden durch eine Demonstration der Funktionen von ProSteel - einschließlich Modellerstellungsgeschwindigkeit, automatisches Updating und Modellexport in AutoCAD - davon, seine Meinung zu revidieren.

Tausende zu überprüfende Komponenten

Nachdem Stopford grünes Licht für die Benutzung einer modernen Modellierungssoftware erhalten hatte, musste das Untersuchungsteam bei Winnington Works von Null beginnen. Die Nassseite des Sodawerks ist eine 10-stöckige Stahlkonstruktion auf einem T-förmigen Gelände mit einer Größe von 90 x 75 Metern. Die Struktur besteht aus einer Mischung aus Fachwerk aus dem 19. Jahrhundert, Säulen, Balken und Aussteifungen aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts und Stahlbauteilen aus dem 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Tragkonstruktion ist nun ein stahlverkleideter Baukörper aus gewellten Stahlplatten. Mit der Zeit hat die ständig feuchte, alkalische Luft das Baumaterial stark angegriffen.

Stopfords Aufgabe war es, eine Bauwerksuntersuchung sowie eine Prüfung der wichtigsten Ausrüstungen und Rohrleitungen durchzuführen, die sich auf die Struktur auswirken. Das Untersuchungsteam musste ca. 5.750 einzelne Strukturelemente prüfen und eine umfassende Dokumentation vorbereiten: Jedes Element wurde fotografiert, bewertet, nummeriert und in Zeichnungen aufgeführt. Der sekundäre Stahlbau musste ebenfalls geprüft werden, einschließlich Plattformen, Laufstegen, Betonböden und anderen Strukturelementen. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in Hinblick auf den Korrosionsgrad der einzelnen Komponenten bewertet, damit Tata Chemicals die Sanierungsarbeiten planen konnte.

Von Archivzeichnungen zu einem 3D-Modell

Stopford begann mit der Erstellung eines Basismodells auf der Grundlage von 671 Archivzeichnungen, einschließlich der auf 1908 zurückgehenden Bestandszeichnungen. Die frühesten Zeichnungen beruhen auf den britischen Normen von 1906. Diese Originalpläne ergaben genug Daten für 95 Prozent des 3D-Modells. Die wenigen 2D-Zeichnungen nachfolgender Werksveränderungen machten die restlichen 5 Prozent aus. Außerdem wurde ein relativ neues Modell eines großen Kessels integriert.

Der erste Schritt war, eine kundenspezifische Bibliothek der veralteten Stahl- und Holzkonstruktionsabschnitte in ProSteel sowie einen Katalog der veralteten Stahlleitungsnormen in AutoPlant Piping anzulegen, Bentleys Software für Rohrleitungsentwürfe und Modellierprojekte. Die Strukturelemente konnten problemlos mit ProSteel Profil-Dateien erstellt werden. Die Rohrleitungsspezifikationen des Kunden wurden anhand des geänderten Katalogs duktiler Gussrohre erstellt. Allgemeine Anordnungszeichnungen wurden direkt vom Modell mit den ProSteel Workframes Schnittebenen generiert, um Pläne und Aufrisszeichnungen zu erstellen. Erläuterungen zu Säulen und Balken wurden direkt aus der Modelldatenbank eingelesen.

Farbcodiertes Modell zur Untersuchung

Die allgemeinen Anordnungszeichnungen wiesen zahlreiche Schnittansichten jedes Stockwerks auf und jedes Strukturelement erhielt eine einmalige Tag-Nummer. Das 3D-Modell umfasste 13 primäre Stahlbaumodelle und 15 sekundäre Strukturmodelle, 13 Rohrleitungs- und Ausrüstungsmodelle und alle 102 Treppen im Gebäudekomplex.. Insgesamt wurden mehr als 10.000 Strukturelemente in ProSteel und 2.500 Tonnen Stahlrohre in AutoPlant Piping modelliert.

Während der Untersuchung vor Ort ermöglichte ProSteel die problemlose Aktualisierung des 3D-Modells. Bei einer Größenänderung des Strukturteils zum Beispiel wurden automatisch alle Verbindungselemente an die geänderte Größe angepasst und die entsprechenden allgemeinen Anordnungszeichnungen gleichzeitig aktualisiert.

Bei den wöchentlichen Besprechungen zum Projektfortschritt benutzte Stopford den Bentley Navigator, Bentley i-Models und progressive PDF-Ansichten für eine dynamische Projektprüfung und -analyse. Dank des 3D-Modells konnte der Kunde die Fortschritte nachvollziehen und sich vorstellen, wie das Modell zur Wartungsplanung beitragen würde. Zum Abschluss des Projekts lieferte Stopford einen zwölfbändigen Untersuchungsbericht, das 3D-Modell in AutoCAD, allgemeine Anordnungs- sowie Bestandszeichnungen.

Als die Sanierung begann, konnte das 3D-Modell problemlos geändert werden, damit es den aktuellen Zustand der Anlagen widerspiegelt. Die Farbcodierung erleichterte die Festlegung der Projektprioritäten, so dass Sicherheitsprobleme wie falsche Lasten, Bereiche mit eingeschränktem Zugang und unsichere Treppen vorrangig bearbeitet werden konnten.

Mehrwert für Wartung und Sicherheit

Stopford lieferte ein an Tata Chemicals anpassbares Tool, das nicht nur in der Wartungsplanung, sondern auch für die Schulung des Personals eingesetzt werden kann. Das Modell enthüllte Stellen, die nicht auf Anhieb auf den Fotos oder Zeichnungen sichtbar waren, wie von Gerüsten umgebene Bereiche. Zusätzlich wurde die Betriebssicherheit durch besonders gekennzeichnete Fluchtwege verbessert. Alle Treppen wurden als Ergebnis der Untersuchungen an die neuesten Standards angepasst.

Tata Chemicals kann das 3D-Modell in ProSteel beibehalten oder es in AutoCAD-Flächenobjekte und/oder ACIS-Volumenkörperobjekte umwandeln. Zusätzlich bietet die Schnittstelle zu einer anderen Software wie Staad.Pro oder Bentley AutoPipe die Möglichkeit, zukünftige Projekte in Angriff zu nehmen, die Daten für eine Strukturanalyse, Isometrieerzeugung und andere Funktionen erfordern. Die Schätzung der Kosten für die Duplikation oder Erweiterung von Anlagen wird mit dem Zugang zu einem intelligenten 3D-Modell erheblich erleichtert. Zum Beispiel könnte das 3D-Modell der Nassseite des Sodawerks Winnington Works dazu benutzt werden, die Kosten für ein zukünftiges Stahlwerk durch Extraktion der Daten für die Stahlkomponenten und Berechnung des Gesamtgewichts zu schätzen.

Dank der eingesetzten Software konnte das Team von Stopford seinen Zeitplan für die Modellierung des Werks einhalten. Aufgrund des erfolgreich durchgeführten Bauwerksuntersuchungsprojekts erhielt Stopford den Zuschlag für fünf Folgeprojekte für die Nassseite, bei denen ebenfalls das 3D-Modell umfassend eingesetzt wurde.