Chemie & Life Sciences

Bedürfnisse der Konsumenten bestimmen bei Henkel die Entwicklungsaktivitäten

Interview mit Thomas Förster, Leiter Forschung und Entwicklung bei Henkel Beauty Care

19.03.2018 -

Zum Portfolio des weltweit agierenden Unternehmensbereichs Beauty Care von Henkel gehören Produkte für Haarkosmetik für Konsumenten und den Friseurbereich sowie Produkte für Körper-, Haut- und Mundpflege. Das Unternehmen entwickelt, produziert und vertreibt Produkte aus diesen Bereichen derzeit in etwa 150 Ländern. Thomas Förster, Leiter Forschung und Entwicklung bei Henkel Beauty Care gibt einen Einblick in die aktuellen Forschungsthemen und spricht über die Marktbedürfnisse. Die Fragen stellte Birgit Megges.

CHEManager: Herr Förster, für welche Bereiche sehen Sie in welchen Regionen die größten Wachstumschancen?

T. Förster: Wir setzen neben den reifen Märkten, in denen wir durch Innovationen unsere Marktpositionen weiter stärken möchten, auch auf die Wachstumsregionen. Zudem bauen wir unsere Positionen durch gezielte Akquisitionen aus – so wie zum Beispiel in jüngster Zeit in den USA, Henkels größtem Einzelmarkt, oder in Mexiko, einem rasch wachsenden Markt. Durch diese Akquisitionen haben wir in den letzten Jahren vor allem das Professional-Geschäft gestärkt und in Forschung und Entwicklung Kompetenzen in Nord- und Mittelamerika aufgebaut. Damit sind wir in einer guten Position, auf allen Kontinenten wachsen zu können.

Konsumenten legen heute großen Wert auf die Wirksamkeit und Qualität der Produkte, haben aber auch Nachhaltigkeitsaspekte im Blick. Was bedeutet das für Unternehmen wie Henkel?

T. Förster: Richtig, das Thema Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen. Die Verbraucher, aber auch unsere Geschäftspartner, sind sehr interessiert daran, zu erfahren, wie wir hier aufgestellt sind. Für uns bedeutet das zweierlei: Zuallererst schauen wir natürlich auf unsere eigenen Prozesse und arbeiten an vielen Stellen sehr intensiv daran, unseren Fußabdruck als Unternehmen zu reduzieren. Und das entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Denn nur wenn es uns allen gelingt, unseren Ressourceneinsatz zu optimieren, können wir auch in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren noch mit guter Lebensqualität auf dieser Erde mit ihren begrenzten Ressourcen leben. Zum anderen müssen wir das Thema noch stärker in unsere Verbraucherkommunikation integrieren. Schon heute sensibilisieren und motivieren wir unsere Verbraucher, durch ihr Verhalten zum verantwortlichen Umgang mit Ressourcen beizutragen. Wichtig ist nämlich, dass man sich den gesamten Lebenszyklus eines Produktes anschaut – vom Einkauf der Rohstoffe über die Produktion und Logistik bis zum Verbrauch sowie der Entsorgung der Verpackungen. Diese Lebenszyklusanalysen zeigen, dass unsere Verbraucher über ihr Konsumverhalten einen erheblichen Einfluss auf den CO2-Fußabdruck unserer Produkte nehmen können. Bis zu 90 Prozent des Energie- und Wasserverbrauchs unserer Beauty-Produkte, die nach der Anwendung ausgespült werden – also Shampoo oder Spülung – entstehen nämlich während des Gebrauchs. Darauf wollen wir aufmerksam machen, zum Beispiel durch unsere „BeSmarter-Initiative“ zum verantwortungsvollen Umgang mit Wasser.

Welche Konsumentenbedürfnisse im Bereich Beauty Care beobachten Sie noch?

T. Förster: Ein Trend, den wir beobachten ist, dass Verbraucher heute nicht mehr dem einen Schönheitsideal folgen, sondern ihre Persönlichkeit auf ganz individuelle, authentische Weise ausdrücken möchten. Wir verstehen uns deshalb eher als „Beauty-Partner“, der Menschen darin unterstützt, Stimmungen und Emotionen über ihren individuellen Look auszudrücken – Individualität und Authentizität stehen hierbei im Vordergrund. Und das natürlich mit den gewohnt höchsten Ansprüchen an Produktqualität und -leistung. Diese verbessern wir stetig mithilfe von Innovationen. Viele davon kommen natürlich aus dem Bereich, den ich verantworte: der Forschung und Entwicklung.

Welche Aspekte stehen für Henkel Beauty Care bei der Entwicklung neuer Produkte im Vordergrund?

T. Förster: Im Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns stehen die Konsumenten, ihre Bedürfnisse und Wünsche. Für sie entwickeln wir leistungsstarke, sichere und attraktive Produkte, die einen Mehrwert für sie bieten. Und ihnen helfen wir dabei, ihrem individuellem Stil Ausdruck zu verleihen. Letztlich stärken wir dadurch ihr Selbstwertgefühl. Außerdem ist Nachhaltigkeit ein integraler Bestandteil bei der Produktentwicklung. Bei Henkel muss jedes neue Produkt einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Wir nennen das „Sustainovations“. Das kann in den unterschiedlichen Aspekten der Nachhaltigkeit sein, zum Beispiel verringern Haarpflegeprodukte, die auf dem Haar verbleiben und nicht ausgespült werden müssen, den Verbrauch an Wasser und Energie und insbesondere den CO2-Fußabdruck. Auch bei der Entwicklung von Verpackungen für Kosmetika ist Nachhaltigkeit ein zentraler Aspekt. Dies wird bei Henkel unter anderem durch die zunehmende Verwendung von recycelten Verpackungsmaterialien umgesetzt. Recyceltes PET beispielsweise hat einen um 80% niedrigeren CO2-Fußabdruck als vergleichbares Neumaterial. So entwickeln wir nachhaltige Innovationen – sowohl für Schwarzkopf Professional, also das Friseurgeschäft, als auch für den Einzelhandel.

Gesetze und Verordnungen wie REACh oder die EU-Kosmetikverordnung machen es Unternehmen nicht leicht, innovative Inhaltsstoffe und Produkte auf den Markt zu bringen, die der Nachfrage der Konsumenten gerecht werden. Wie gehen Sie mit diesen Herausforderungen um?

T. Förster: Unsere Forschung- und Entwicklungsarbeit in der Kosmetik ist die Basis für unser zukünftiges Portfolio. Das Forschungsteam unseres Unternehmensbereichs arbeitet dabei stetig daran, Produkte und Prozesse weiter zu optimieren, um noch besser die Bedürfnisse unserer Kunden und Verbraucher auf der ganzen Welt erfüllen zu können.  In der Tat sind wir dabei auf gesetzliche und regulatorische Rahmenbedingungen angewiesen, die Innovationsprozesse innerhalb der Unternehmen positiv beeinflussen können. Aus diesem Grund engagieren wir uns zum Beispiel seit Langem aktiv in der europäischen Verbandsarbeit, um öffentliche als auch politische Meinungsbildungsprozesse proaktiv und konstruktiv zu begleiten und zu unterstützen. Ein Beispiel ist hier die Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen. Seit über dreißig Jahren beschäftigen wir uns mit der Entwicklung und insbesondere Anerkennung von Alternativmethoden. Neben der kontinuierlichen Forschung setzen wir uns dafür ein, dass die derzeit sehr langwierige Anerkennung von alternativen Testmethoden durch den Gesetzgeber beschleunigt wird. So sind wir als Henkel Gründungsmitglied der seit 2005 bestehenden europäischen Partnerschaft für Alternativen zu Tierversuchen zwischen der Europäischen Kommission, Industrieverbänden und einzelnen Unternehmen aus sieben Branchen. Ziel der Partnerschaft ist, die Entwicklung, Validierung und Umsetzung von Alternativen zu Tierversuchen weltweit voranzutreiben.

Mit dem Phenion-Hautmodell leisten Sie einen Beitrag für mehr Produktsicherheit und tragen zur Vermeidung von Tierversuchen bei. Was steckt hinter dieser Testmethode?

T. Förster: Die bioartifiziellen Gewebemodelle ahmen die menschliche Haut in ihren sehr vielfältigen Dimensionen perfekt nach. Wir setzen sie zur Sicherheitsbewertung oder auch für die Grundlagenforschung in der Dermatologie und Kosmetik ein. So können wir bestimmte Mechanismen der Haut und entsprechende Gegenmaßnahmen besser verstehen. Dabei tragen sie als alternative Prüfmethode wesentlich zu Verringerung von Tierversuchen bei. Ursprünglich haben wir das Hautmodell übrigens für eigene Forschungszwecke entwickelt. Jetzt sind wir noch einen Schritt weitergangen und gewähren auch anderen Unternehmen unbegrenzten Zugang zu unseren innovativen Hautmodellen, die bei unserem internen Start-up Phenion bestellt werden können. Damit unterstützen wir die Verbreitung von In-vitro-Testmethoden.

Ein ganz anderes Thema in der heutigen Zeit ist die Digitalisierung. Hier haben Sie den „Salon Lab“ ins Leben gerufen. Was hat man sich darunter vorzustellen?

T. Förster: Der Salon Lab ist der erste digitale Friseursalon der Welt. Wir haben ihn im Januar erstmals auf der CES, der größten Consumer Electronics-Messe der Welt vorgestellt – und auch einige Innovationspreise damit gewonnen. Wir setzen dabei auf das „Internet der Dinge“. Das SalonLab System besteht dabei aus zwei Komponenten – dem „Analyzer“ und dem „Customizer“. Hinzu kommt eine App als Bindeglied. Der SalonLab Analyzer ist ein handliches Gerät, das mit Nahinfrarot und Lichtsensoren ausgestattet ist. Es misst die innere Beschaffenheit des Haares, den Feuchtigkeitsgehalt und die exakte Farbe – und das erstmals auch auf der molekularen Ebene, statt nur anhand der äußeren Struktur. Dank der Technologie und den wissenschaftlichen Daten haben Friseure viel mehr Erkenntnisse über das Haar ihrer Kunden. Die gewonnenen Daten werden dann mit der Expertise und Erfahrung der Friseure kombiniert und sind die Basis für die Beratung. Und die ist wirklich individuell auf den Kunden zugeschnitten. Die SalonLab Consultant App ist dann das verbindende Element zwischen den digitalen Geräten. Es handelt sich um eine App, die den Friseur bei der Haaranalyse unterstützt, die Ergebnisse der Messungen grafisch aufbereitet und eine persönliche Farbberatung mit modernster Augmented Reality-Technologie ermöglicht. So kann der Kunde zum Beispiel sehen, wie eine bestimmte Coloration auf seiner individuellen Haargrundlage aussehen würde, bevor sie angewendet wird. Der Customizer – eine Produktmischapparatur -  liefert schließlich ein personalisiertes Produkt basierend auf den individuell gemessenen Haareigenschaften des Kunden – und das direkt im Friseursalon. Dafür nutzen wir einen speziell-entwickelten Prozess, der die individuelle Formel für die Haarpflege direkt herstellt. Als erstes End-to-End-System schafft der SalonLab so eine neue Dimension des Haarpflege-Erlebnisses und der individuellen Friseurberatung.

Würden Sie sagen, dass generell in Produkten, die individuell für Konsumenten gefertigt werden, die Zukunft liegt?

T. Förster: Generell können wir beobachten, dass der Trend durchaus in die Richtung geht, dass Konsumenten vermehrt ihre Individualität und eigene Persönlichkeit ausdrücken möchten. Im Mittelpunkt steht hier der Wandel von nur einem Schönheitsideal hin zu dem Bedürfnis, seine eigene Persönlichkeit und Individualität mithilfe von Style und Looks auszudrücken. Auf diese Veränderung gehen wir mit unseren Markenpositionierungen ein. Die Differenzierung beginnt aber auch bereits bei unterschiedlichen regionalen Produkten. Denn Hauttypen, Haarfarben und -strukturen unterscheiden sich deutlich sichtbar in verschiedenen Regionen – von glattem, dicken asiatischen Haar über lockiges kaukasisches Haar bis hin zu gekräuseltem afrikanischen Haar. Hinzu kommen Präferenzen für bestimmte Duftrichtungen, regionale Trends und lokal bekannte Naturinhaltsstoffe, die besondere Rezepturen benötigen. Auch als global agierendes Unternehmen ist es wichtig, dass wir die unterschiedlichen Marktbedürfnisse und die ethnische Vielfalt bei der Entwicklung innovativer Kosmetikprodukte berücksichtigen, um nah am Kunden zu sein. Deshalb haben wir auch Forschungs- und Entwicklungszentren auf der ganzen Welt – auch wenn in unserer Zentrale in Düsseldorf vieles zusammenläuft.

Welchen Schwerpunkt verfolgen Sie in Ihrer aktuellen Forschung?

T. Förster: Wir arbeiten stetig daran, die Qualität unserer bestehenden Produkte zu verbessern sowie neue Innovationen auf den Markt zu bringen. Damit uns das bestmöglich gelingt, haben wir ein Team von Henkel-Wissenschaftlern auf der ganzen Welt, das eng zusammenarbeitet. Dabei binden wir auch externe Experten – aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und unsere Rohstofflieferanten oder auch Startups – ein. Der wichtigste Aspekt für unsere Produktentwicklung ist der Konsument, den wir in Forschung & Entwicklung einbinden; z.B. indem wir sie und ihn in unseren eigenen Testsalons in Hamburg und in Düsseldorf genauso wie in den unterschiedlichen Regionen unter Realbedingungen unsere neu entwickelten Haarprodukte auf Farbe und Pflege testen lassen. Ähnliches gilt für unsere Produkte aus den Bereichen Körper-, Haut- und Zahnpflege, wo wir immer wieder dazulernen, was Konsumenten über die Basisleistungsparameter hinaus von unseren Produkten erwarten. Dies ist ein Innovationsmotor, der nie zum Stillstand kommt.

Ein Ergebnis dieses ständigen Austausches mit dem Konsumenten ist die Sorgfalt, mit der wir die Auswahl unserer Inhaltsstoffe durchführen. Es geht nicht mehr nur um Sicherheit, Produktleistung und Qualität, sondern heutzutage auch um Anforderungen an nachhaltige Lieferketten, Ansprüche an bestimmte Lebensstile wie vegan oder bio und ganz generell um die nötige Transparenz, mit der dies alles dem Konsumenten auch erklärt wird.

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