Chemie & Life Sciences

Perlglanzpigmente – edel und anhaltend innovativ

Perlglanzpigmente als Spezialfall unter den anorganischen Pigmenten

25.08.2014 -

Anorganische Pigmente sind farbgebende Substanzen, deren Wirkung auf physikalischen Gesetzen wie Lichtabsorption, -streuung oder -reflexion beruht. Generell unterscheidet man die Pigmentklassen Weiß-, Bunt- und Schwarzpigmente, Metalleffektpigmente und spezielle Effektpigmente. Im vorliegenden Artikel soll der Fokus auf die Perlglanz- / Interferenzpigmente gelegt und auf diese wichtigste Untergruppe der speziellen Effektpigmente näher eingegangen werden.


Kurze Geschichte der anorganischen Pigmente

Die ersten von der Menschheit genutzten Anorganischen Pigmente leiteten sich oftmals aus natürlichen farbigen Mineralien, Erden und Halbedelsteinen in der Natur her. So fand sich z.B. Ultramarinblau bereits im alten Ägyptern. Es war u.a. für die Anwendung als Lidschatten sehr begehrt und wurde aus dem blauen Halbedelstein Lapislazuli durch aufwendiges mehrmaliges Mahlen und Sieben gewonnen. Damals konnten sich nur Könige und sehr reiche Kaufleute dieses Pigment leisten. Selbst zu Zeiten eines Albrecht Dürer wurde dieses Pigment noch nahezu mit Gold aufgewogen! Deutlich günstiger waren seit jeher die vielen verschiedenen Eisenoxid-basierenden Pigmente (Ocker, Umbra, Terra di Siena). Diese Eisenoxide zählen zu den ältesten, von der Menschheit genutzten Pigmenten überhaupt (17.000 Jahre alte Höhlenmalereien von Lascaux). In der Natur kommen sie - je nach Zusammensetzung und Oxidationsgrad der Eisen-Ionen - in praktisch allen Farbnuancen von ockergelb über orange, rot, braun bis schwarz vor. Ein besonders reines Grasgrün erzielte man in Asien mit dem grünen Halbedelstein Jaspis. In Europa bediente man sich hingegen des „Malachit-Grüns", um - insbesondere in der Ölmalerei - einen reinen brillanten Grün-Ton zu erzielen. Es wurde durch Vermahlen des gleichnamigen Kupfer-Minerals - Malachit - gewonnen. Zwar wurden mit z.B. „Ägyptisch Blau" (Calcium-Kupfer-Silikat) oder „Bleiweiß" (basisches Bleicarbonat) bereits im Alten Ägypten bzw. im antiken Rom/Griechenland vor mehreren Tausend Jahren Pigmente erstmals synthetisch hergestellt. Von Anfang des 18. Jahrhunderts bis hinein ins frühe 20. Jahrhundert wurde jedoch die überwiegende Mehrzahl der heute bekannten, künstlichen anorganischen Pigmente erfunden, welche wegen ihren besseren Eigenschaften und den niedrigeren Kosten schnell an Bedeutung in der breiten Anwendung gewannen. So standen Vincent Van Gogh 1888 bei seinem berühmten „Selbstportrait" bereits fast alle heute bekannten synthetischen Pigmente wie z.B. Berliner Blau, Chromoxidgrün, (synthetisches) Ultramarinblau und Bleichromate zur Verfügung [s. PDF zum Artikel; Tab. 1].


Perlglanz-Pigmente: Exoten unter den anorganischen Pigmenten

Im Vergleich zu den bisher aufgeführten anorganischen Pigmenten sind Perlglanzpigmente gleich in mehrerlei Hinsicht Ausnahmen. Zum einen stellen sie mit die jüngste Pigmentgruppe dar, wurden sie doch erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts erstmals synthetisiert. Zudem beruht der Farbeffekt auf dem physikalischen Phänomen der Interferenz (nicht wie bei den bisher genannten Pigmenten auf der Absorption von Licht), welche in dem speziellen Aufbau dieser Pigmente begründet liegt. Es handelt sich nämlich um Verbundmaterialien, welche auf einem zentralen Plättchen-förmigen Trägermaterial (dem sog. „Substrat") aufbauen, dass zwiebelschalenförmig von einer oder mehreren Metalloxid-Schichten (z.B. TiO2 oder Fe2O3) umhüllt ist. Schließlich machen sie, bezogen auf das weltweite Produktionsvolumen, unter den Anorganischen Pigmenten (im Vergleich zu z.B. Titandioxid oder Eisenoxid-Pigmenten) nur einen sehr kleinen Anteil aus.


Wofür braucht man Perlglanzpigmente?

Perlglanz- bzw. Interferenzpigmente begegnen uns im Alltag relativ häufig dort, wo man Oberflächen hochwertig und edel erscheinen lassen möchte. Als Beispiele wären zu nennen: Metallic-Lackierungen bei Automobilen, hochwertige Verpackungen aus Karton oder Kunststoff von z.B. Luxusgütern wie Kosmetika, Champagner oder Pralinen. In den Kosmetika werden Perlglanzpigmente zudem nicht nur in der Verpackung eingesetzt, sondern finden sich auch im Nagellack, Lippenstift und Lidschatten. Auch in die Lebensmittelindustrie haben Perlglanzpigmente mittlerweile Einzug gehalten.


Welche besonderen Farbeffekte zeichnen Perlglanzpigmente aus?

Der Name deutet es bereits an -Perlglanzpigmenten wurden entwickelt, um den geheimnisvollen Glanz von Perlen, der aus der Tiefe zu kommen scheint, zu imitieren. Die ersten Perlglanzpigmente waren folgerichtig silbrig-weiß. Diese wurden zunächst ergänzt durch die hochtransparenten sogenannten TiO2-Interferenzfarben Gold, Kupfer, Rot, Violett, Blau, Türkis und Grün. Damit konnte man schließlich auch das faszinierende Farbenspiel des Perlmutts einer Muschel nachstellen. Kurz darauf ersetzte man dann die bisher verwendete Titandioxid-Schicht durch eine Eisenoxid-Schicht und erschloss sich so metallisch scheinende, deckende Bronze, Kupfer und Rottöne [Abb. 1]. Die Entwicklung ging aber über die Jahrzehnte kontinuierlich weiter und so wurden über Kombinationen von verschiedenen Metalloxiden, dem Einsatz von Mischoxiden oder speziellen Glühbedingungen auch Pigmente zugänglich, welche z.B. den schwarzgrauen Farbton einer schwarzen Perle aufweisen, die Farbe von Gold täuschend echt nachstellen können [Abb. 2] oder ein kräftiges Rotpigment darstellen, welches (z.B. im Lippenstift) deutlich höhere Brillanz als normale Eisenoxid-Rotpigmente aufweist [Abb. 3]. Inzwischen gibt es sogar Perlglanzpigmente, welche einen sogenannten Farb-flop zeigen, d.h. abhängig vom Betrachtungswinkel verschiedene Farbtöne hervorbringen. Diese basieren auf einem speziellen Substrat oder auf ausgeklügelten Schichtfolgen. Schaut man flach auf eine mit diesen Pigmenten eingefärbte Oberfläche so gewinnt man z.B. einen violetten Farbeindruck, der bei immer steiler werdenden Betrachtungswinkel über türkis schließlich zu grün wechselt. Schließlich kann man noch verschiedene Schichten eines Absorptivpigmentes oder Farbstoffes aufbringen. Als Beispiele sind in Tab. 2 (s. PDF zum Artikel) das Berliner Blau und Carminrot (ein organischer Farbstoff) aufgeführt. Solche Perlglanzpigmente sind quasi das Verbindungsglied zwischen Perlglanz- und Absorptivpigmenten, da sie beide Farbentstehungsphänomene - Interferenz und Absorption von Licht - in sich vereinen. Der ursprüngliche Anspruch - das Erscheinungsbild der natürlichen Perle nachzustellen - ist somit inzwischen bei Weitem übertroffen. Tatsächlich gelang es mit dieser kleinen Pigmentgruppe seit ihrer Entdeckung die Welt der Farbeindrücke in den Anwendungen Lack, Kunststoff, Druck und Kosmetik enorm zu erweitern.


Woher kommt die große Bandbreite der Farbeffekte bei Perlglanzpigmenten?

Wie bereits gesagt sind alle Perlglanzpigmente Komposit-Materialien, welche aus mehreren verschiedenen Substanzen -i.d.R. Metalloxiden - zusammengesetzt sind. Bei Perlglanzpigmenten bringt man auf das optisch niedrigbrechende, Plättchen-förmige Substrat optisch hochbrechende Schichten (z.B. TiO2 und/oder Fe2O3) auf. Damit ist die Voraussetzung gegeben, dass sich der charakteristische iridisierende Effekt - die Interferenzfarbe - entsteht. Interferenzfarben können nämlich immer dann beobachtet werden, wenn eine alternierende, semitransparente Schichtfolge aus Materialien mit ausreichend unterschiedlicher Brechzahl vorliegt. Dabei ist es physikalisch erst einmal irrelevant, wie sich das Trägermaterial und die hochbrechenden Schichten chemisch zusammensetzen. Bei den ersten Perlglanzpigmenten war ausschließlich Muskovit-Glimmer als Substrat im Einsatz. Auch wenn dieses traditionelle Substrat heute noch am weitesten verbreitet ist, so haben sich doch mittlerweile auch andere Trägermaterialien wie synthetischer Glimmer oder Korund-Plättchen als sehr geeignet erwiesen. Bei den hochbrechenden Schichten ist man natürlich auch nicht nur auf das bisher erwähnte TiO2 und Fe2O3 begrenzt. Es ist sogar so, dass man theoretisch noch nicht einmal bei der Anzahl der alternierenden Schichten begrenzt ist. So gibt es bereits seit Jahren auch Perlglanzpigmente, bei denen der Aufbau wie folgt ist: Substrat-TiO2-SiO2-TiO2. Hier hat sich die Bezeichnung „Multilayer" durchgesetzt, weil man in dem Pigment 2x die Schichtkombination niedrig-brechendes Material (Substrat bzw. SiO2) - hoch-brechendes Material (TiO2) hintereinander findet. Kombiniert man TiO2- und Fe2O3-Schichten miteinander, so kann man z.B. zu einer Gold-farbenen Interferenzfarbe noch eine gelbe Absorptionsfarbe (von der Eisenoxid-Schicht beigesteuert) hinzufügen. Bedenkt man jetzt noch, dass die Größe und Transparenz der Substrat-Partikel, sowie die Zusammensetzung und Oberflächeneigenschaften der Metalloxidbeschichtung (rau oder glatt) stark das Erscheinungsbild des Pigments bzgl. Glanz (seidenmatt bis hochglänzend) und Glitzern (wenig bis stark glitzernd) bestimmen, so stehen dem Pigment-Chemiker eine Vielzahl von Einflussparametern zur Verfügung, die es ihm ermöglichen, wie in einem „Baukasten-System", gezielt immer wieder neue Farbeffekte zu kreieren. [s. PDF zum Artikel; Tab. 2]. Es bleibt spannend in dieser kleinen Pigmentgruppe der Perlglanzpigmente.

Kontakt:
Dr. Carsten Handrosch
Merck KGaA, Darmstadt
Tel.: +49 6151 72 2501
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Fortbildungskurs der GDCh:

Pigmente - aktueller Stand und neue Entwicklungen
3. bis 6. November 2014, Darmstadt, Kurs: 001/14
Leitung: Dr. Carsten Handrosch

Anmeldung/Information:
Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), Fortbildung
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