Strategie & Management

‚Smart Water‘ –Industrielles Wassermanagement schont die Ressourcen und senkt die Kosten

Wie geht die Industrie mit der Ressource Wasser um?

14.04.2015 -

# Achema - In der Industrie ist ein Trend zu ganzheitlichen Systembetrachtungen zu beobachten, bei denen Prozesswässer vermehrt im Kreislauf geführt und Wertstoffe bzw. zur Wasserbehandlung eingesetzte Chemikalien zurückgewonnen werden. Selbst Technologien für eine praktisch abwasserfreie Produktion sind verfügbar. Das ‚Industrielle Wassermanagement' wird auf der diesjährigen Achema eins der drei Fokusthemen sein.

Wasser bildet nicht nur eine Lebensgrundlage für Pflanzen, Tiere und Menschen. Auch für die Industrie ist es als technisches Medium unverzichtbar. Die industrielle Nutzung von Wasser verursacht immer Kosten: Die Aufbereitung ist mit Konditionierungskosten verbunden, bei der Verteilung muss für die Pumpen Energie aufgewendet werden und nach Gebrauch gelangt es in aller Regel in eine Nachbehandlung - entweder mit dem Ziel der Kreislaufführung oder zur Entsorgung. Aus ökonomischen wie ökologischen Gründen ist es sinnvoll, Wasser weniger zu bewegen, weniger zu erwärmen und nicht zuletzt weniger zu verschmutzen - „Industrielles Wassermanagement" ist gefragt. Das Ziel: Bestimmte Wasserqualitäten müssen bereitgestellt werden unter Kontrolle der dafür notwendigen Kosten, inklusive der Entsorgung. An der Entwicklung integrativer Technologien und Managementsysteme führt kein Weg vorbei, weil Produktion und Wassertechnik eng verzahnt sind.

Vom Wasserrecycling zur abwasserfreien Produktion

Wasserrecycling, also die Wiederverwendung von Prozesswasser, lohnt sich meist nur dann, wenn für die Aufbereitung wenig Aufwand betrieben werden muss. Bei Strömen, die hohe Konzentrationen an Verunreinigungen aufweisen und/oder Stoffe mit unterschiedlichen chemischen und physikalischen Eigenschaften enthalten, erweist sich ein Wasserrecycling häufig als weniger effizient. Daher ist die Grundvoraussetzung für das Wasserrecycling ein effizientes Wassermanagement, bei dem unterschiedlich gut recyclingfähige Abwässer voneinander getrennt geführt werden. Die meisten innerbetrieblichen Recyclingprozesse setzen in der Nähe oder direkt im Produktionsprozess an; hier ist die Komplexität der Wasserinhaltsstoffe begrenzt und der Aufwand für additive Verfahren vergleichsweise gering.

Suncor Energy recycelt über 90% des Wassers, das der Energieversorger zur Gewinnung von Erdöl aus Ölsanden in Form von Wasserdampf nutzt. Anstatt den Injektionswasserdampf in unterirdischen Entsorgungsbrunnen zu speichern, wird das bereits genutzte Wasser behandelt, Salze und Feststoffe gefiltert und direkt für die Neunutzung als Wasserdampf zurückgeführt. Auf diese Weise wird nur eine minimale Menge an Grundwasser entnommen. Wabag bekam Anfang 2014 den Auftrag für eine Kläranlage im Industriepark der saudi-arabischen Stadt Al Kharj. Dabei sollen die Abwässer der verschiedenen Produktionsbetriebe weitestgehend gereinigt werden, um eine Wiederverwendung als Betriebswasser zu gewährleisten.
Zukunftsmodell wasserfreie Produktion?

Ist es sinnvoll, statt möglichst sauberem Wasser künftig gar kein Wasser aus Anlagen mehr freizusetzen? Das Modell der abwasserfreien Produktion wird derzeit sehr kontrovers diskutiert. Die Motive sind unterschiedlich. Ein interessanter Aspekt: ZLD-Anlagen (Zero Liquid Discharge) durchlaufen Genehmigungsverfahren oft einfacher und schneller als konventionelle Anlagen, so die Erfahrung von Anbietern. Wer die Wahl hat, sucht dennoch lieber einen wasserreichen Standort und optimiert sein industrielles Wassermanagement, als die erheblichen Investitionen und Betriebskosten für eine abwasserfreie Produktion auf sich zu nehmen.

Für Abwässer, die sowohl mit organischer Substanz als auch mit anorganischen Salzen belastet sind, hat Bayer Technology Services für ein indisches Pharma-Werk einen Prozess entworfen. Auf eine existierende Infrastruktur konnte dabei nicht zurückgegriffen werden. Die neue Stand-Alone-Lösung umfasst insgesamt drei Reinigungsstufen. Veolia Italien hat für ein weltweit operierendes Unternehmen, das Dispersionen und Klebstoffe herstellt, eine Zero-Liquid-Discharge-Anlage entwickelt. Indem das Destillat für Reinigungszwecke aufbereitet wird, reduziert sich die Abwassermenge auf null. Was früher entsorgt wurde, wird jetzt im Produktionsprozess wiederverwendet.

Im Rahmen des EU-Projektes E4Water, dem aktuell weltweit größten Forschungsprojekt zum integrierten Wassermanagement in der Chemischen Industrie, arbeiten mehrere Industrieanalgen in den Belgien, Frankreich, den Niederlanden, und Spanien an einer signifikanten Reduzierung ihres Frischwasserbedarfes. Bei Solvic oder Dow Benelux werden die Wasserströme verschiedener Betriebe miteinander vernetzt - das aufbereitete Abwasser der einen Anlage speist die andere Anlage. Ziel ist eine Reduktion des Frischwasserbedarfs um bis zu 50%.

Vorbild Natur

Seit Jahren werden Membranen für die Wasseraufbereitung immer wichtiger. Aus gutem Grund: Membrananlagen arbeiten vollautomatisch und kontinuierlich. Hinzu kommt, dass Membranmaterialien kostengünstiger und effektiver wurden, während der erforderliche Druck und damit der Energieeinsatz deutlich gesunken sind. Mit dem richtigen Anlagenkonzept und der richtigen Ausrüstung, die eingesetzten Pumpen verbrauchen 60% der gesamten Energie; sei die Technologie hinsichtlich Energieeffizienz unschlagbar, betont der Pumpenhersteller Sulzer.

Einige Anbieter von Membrananlagen sind dazu übergegangen, ihre Anlagen zu standardisieren. Diese Plug-and-Play-Lösungen erfordern durch den Serien-Charakter einen geringeren fertigungstechnischen Aufwand. Sie werden sowohl für die Aufbereitung von Brauchwasser und Trinkwasser als auch zur Behandlung von Abwasserteilströmen im industriellen Bereich angeboten. Die vorgefertigten Anlagen können mit wenigen Handgriffen angeschlossen werden.

Nicht nur Meerwasser, auch entsalztes Grundwasser kann zur Wasserversorgung beitragen - so bspw. im trockenen Süden der USA, wie Germany Trade & Invest berichtet. Texas, Florida und Kalifornien sind im Land führend bei der Anwendung der Technologie. Vor allem in Kalifornien gewinnt die Meerwasserentsalzung an Bedeutung, Megaprojekte sind in Planung. Der Bedarf an effizienten Pumpen und widerstandsfähigen Membranen steigt. Bei der Finanzierung der Vorhaben geht der Trend zu Public-Private-Partnerships. Große Potenziale bestehen bei mobilen Entsalzungsanlagen, berichtet Jim Taft, Executive Director der Association of State Drinking Water Administrators (ASDWA). Die Nachfrage dürfte anziehen, da solche Anlagen im Süden des Landes bei verstärkt auftretenden Dürreperioden oder vorübergehenden Versorgungsproblemen kurzfristig aushelfen könnten.

Wertstoffe & Energie rückgewinnen

Eine Kontamination des Prozesswassers mit Produktionsstoffen ist bei einem direkten Kontakt unvermeidlich. Daher finden sich die Substanzen in unterschiedlichen Konzentrationen (von wenigen ppb bis zu einigen Prozent) im Prozessabwasser wieder. Handelt es sich um einen Wertstoff, kann eine Rückgewinnung nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll sein.

Das französische Start-up-Unternehmen Magpie Polymers hat eine Technik entwickelt, um selbst winzige Spuren von wertvollen Metallen sehr effizient aus Industrieabwässern zu filtern. Dazu werden verschiedene Filter aus Polymer-Kügelchen installiert, mit denen sich Metalle selektiv verbinden. Zur Filterung kleinster Mengen von Edelmetallen ist die Technologie bereits in einigen europäischen Unternehmen im Einsatz. Auch der Chemiekonzern Lanxess offeriert Lösungen zur Rückgewinnung von Wertstoffen: Ionenaustauscher dienen als selektive Adsorber zur Feinreinigung von Abwasserströmen und Prozesselektrolyten.

Abwasser ist auch eine bisher wenig genutzte Wärmequelle. Während bislang die Nutzung dieser Energie in der Prozesstechnik eher selten möglich war - u.a. wegen der bisherigen Begrenzung der Heizungsvorlauftemperatur von Wärmepumpen auf meist 65°C - offeriert Pumpenproduzent Ochsner nun Hochtemperatur-Wärmepumpen mit einer Vorlauftemperatur bis 100°C.

Wasser und Hygiene

Kühlsysteme sind für die Industrie eine wesentliche Voraussetzung für den reibungslosen Betrieb. Dabei spielt die Kühlwasserbehandlung eine wichtige Rolle, sowohl für die Vermeidung von Ablagerungen und Korrosion also auch für die Sicherstellung der Hygiene. Die VDI-Richtlinie 2047-2 beschäftigt sich mit der Hygiene in Rückkühlanlagen, die durch Verdunsten oder Versprühen von Wasser Wärme abführen. Sie empfiehlt eine Risikobeurteilung des Gesamtsystems. Die Anlagen müssen inspiziert und dokumentiert werden, die Risiken herausgearbeitet, bewertet und minimiert werden. Zur Vermeidung von wasserbedingten Ablagerungen und Korrosionen als mögliche Ursache einer Biofilmbildung gehören der Betrieb einer entsprechend ausgelegten Wasseraufbereitungsanlage, die Verwendung geeigneter Konditionierungsmittel und die Steuerung des Gesamtsalzgehalts mittels induktiver Leitfähigkeits-Messsonden.

Fazit

Ressourcenschutz und wirtschaftliche Erwägungen verlangen es, industriell genutztes Wasser intelligent zu ‚gebrauchen‘ und es möglichst wenig zu ‚verbrauchen‘: Wasser sollte dabei nicht mehr bewegt, erhitzt und verschmutzt werden als prozesstechnisch absolut erforderlich. ‚Smart Water‘ ist vor allem auch das mehrfach genutzte, im Kreislauf geführte Wasser.

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