Strategie & Management

Die Integration schreitet fort

In Aachen tagten Verfahrenstechniker, Chemieingenieure, Technische Chemiker und Biotechnologen gemeinsam

05.10.2016 -

Mit nichts Geringerem als der „nächsten Generation von Produkten und Prozessen“ beschäftigten sich vom 12. bis 15. September 2016 die Vorträge bei den gemeinsamen Jahrestagungen von ProcessNet und den Biotechnologen der Dechema. So wie künftige Produkte immer mehr ein Ergebnis von interdisziplinärer Entwicklung sein werden, verzichteten die Veranstalter Dechema und VDI-Gesellschaft für Chemieingenieurwesen und Verfahrenstechnik (GVC) im Tagungsprogramm auf eine Trennung nach verfahrens- und biotechnologischen Themen. 1200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mussten an knapp drei Tagen unter 5 Fest- und Plenarvorträgen, 27 Übersichtsvorträgen, 16 Tandemvorträgen und 166 Posterkurzvorträgen sowie einem ChemCar-Wettbewerb wählen.

Bereits am Vorabend zeigte Andreas Blume, Corporate Security Officer bei Evonik Industries in seinem Vortrag „Informationsschutz in rauen Zeiten“ auf, dass der Mensch nach wie vor und wohl auch in Zukunft für Industriespionage eines der gefährdetsten Einfallstore darstellt.
Das Fazit des Festvortrages „Energie.Global.Digital“ von Prof. Dr. Robert Schlögl, Direktor am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin und am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr: „Jede Teillösung, die funktioniert, wird für ein Gelingen der Energiewende auch gebraucht werden“.
Martin Vollmer, Chief Technology Officer von Clariant International überzeugte im zweiten Festvortrag „Process Innovation in Specialty Chemicals – What is the next Dimension?“ das Auditorium davon, dass vor allem die Spezialchemie enorme Beiträge für die Lösung der zu erwartenden Herausforderungen leisten könne: Bis zum Jahr 2030 werden bis zu 8,3 Milliarden Menschen – davon eine Milliarde über 65 Jahre alt – zu 60 % in Städten leben, 40 % mehr Energie als heute verbrauchen. Um alle zu ernähren, müssen um 50 % mehr Nahrungsmittel produziert werden.

Digitalisierung bringt höheren ­Qualifizierungsbedarf
Neben der Integration verschiedener Disziplinen sind Individualisierung und Globalisierung die Trends, die Biotechnologie und Verfahrenstechnik prägen werden. Die Herstellung individualisierter Produkte berührt das Schlagwort „Industrie 4.0“, die wiederum ohne ausgereifte Prozesskontrolle nicht denkbar ist. Chancen und Bedrohungen der Digitalisierung in der Chemieindustrie haben die beiden ProcessNet-Partner Dechema und VDI-GVC auf unterschiedliche Weise erkundet.
So befragte die GVC Ihre knapp 15.000 Mitglieder. Über drei Viertel der deutschen Verfahrensingenieur begreifen der Umfrage zufolge Industrie 4.0 als Chance für ihr Unternehmen. Genauso viele sehen laut Dr.-Ing. Claas-Jürgen Klasen, dem Vorsitzenden der VDI-GVC, Deutschland bei der Umsetzung der Digitalisierung im internationalen Vergleich nur im Mittelmaß. Klasen: „Für eine erfolgreiche Umsetzung von Industrie 4.0 fehlt es in Deutschland an geeigneten Management-Strukturen, angepassten Geschäftsprozessen sowie Fachkompetenzen in den Betrieben.“
Aktuell beurteilen knapp 90 % der Befragten die Ausbildung als sehr gut/gut und über 80 % halten sie für sehr gut/gut geeignet für die eigene Tätigkeit. Aber nur ca. 30 % beurteilen die Ausbildung bzgl. der digitalen Transformation als sehr gut/gut und nur 27 % fühlen sich gut qualifiziert und vorbereitet für die anstehenden Herausforderungen von Industrie 4.0. Somit ist Industrie 4.0 für 65 % der GVC-Mitglieder ist mit einem höheren Qualifizierungsbedarf verbunden und für 70 % mit lebenslangem Lernen.

Die wirklichen Veränderungen stehen noch bevor
Prof. Dr. Kurt Wagemann, Geschäftsführer der Dechema, stellte ein noch druckfrisches White­paper zur Digitalisierung der Chemieindustrie vor. Auf den ersten Blick sei die chemische Industrie heute bereits in vielen Bereichen weitgehend „digitalisiert“. Die wirklichen Veränderungen, die durch große Datenmengen, hohe Rechnerkapazitäten und neue Algorithmen möglich werden, stünden aber noch bevor:
Vermehrte Integration von Standorten und standortübergreifenden Systemen, aber auch die Entwicklung disruptiver Produktinnovationen auf Basis gewonnener Daten setzen die Kopplung interner und externer Daten (Kundendaten) voraus. Doch bislang gibt es Widerstände mit Blick auf Datensicherheit und kritisches Wissen, die diese Zusammenarbeit behindern. Wagemann: „Diese Hürden können nur gemeinsam und auf Basis klarer Absprachen und nicht zuletzt Vertrauen überwunden werden.“
Von der digitalen Transformation wird auch die modulare Produktion profitieren. Modulare Produktionsanlagen können vor allem dort ihre Stärken ausspielen, wo viele unterschiedliche Reaktionsschritte nötig sind und vergleichsweise kleine Mengen eines hochwertigen Produktes hergestellt werden, also insbesondere in der Fein- und Spezialchemie. Doch um hierfür eine ökonomisch sinnvolle Produktion sicherzustellen, sind noch viele Entwicklungsschritte notwendig. Insbesondere standardisierte Module und Datenschnittstellen werden benötigt, um beispielsweise ein einfaches “Plug&Produce” und die digitale Kommunikation der Module untereinander zu ermöglichen.
Nur so sei ein schneller Austausch von Modulen möglich. Damit erweitern die Anlagen deutlich ihre Flexibilität, um unterschiedlichste Produkte in unterschiedlichen Produktionsmengen zu liefern. Zur Analyse der großen Datenmengen („Big Data“), die Echtzeitsensoren liefern, benötigt die chemische Indus­trie nicht nur geeignete Algorithmen, sondern auch qualifiziertes Fachpersonal („Chemotroniker“, „IT-Chemiker“). Produktionsseitig ist in der Fein- und Spezialchemie seit Jahren ein Trend zu modularer und kontinuierlicher Produktion auszumachen. Neuartige digitale Steuerungselemente und –software sind hierbei wichtig, um tatsächlich ökonomisch in Kleinstmengen individuell zu produzieren. Das wahrscheinlich größte Entwicklungspotential liegt den Autoren des Whitepapers zufolge in digitalen Service-orientierten Geschäftsmodellen, wie sie etwa der Agrarchemie und Biotech-Konzern Monsanto einsetzt, der den Kunden einen Mehrwert durch die Kombination von z. B. Wetterdaten oder Aussaathinw

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