Anlagenbau & Prozesstechnik

Bioökonomie? Läuft wie geschmiert

Bioschmierstoffe als Beispiel für sich verändernde Wertschöpfungsketten

03.04.2017 -

Bioschmiermittel benötigen in der Regel weniger Additive dafür aber mehr Konservierungsstoffe als ihre erdöl-basierten Verwandten. Ihre längere Einsatzdauer führt zu Einsparungen, die den höheren Einkaufspreis der Bioschmierstoffe mehr als ausgleicht.

Die Tür quietscht? Die Fahrradkette rostet? Die Pumpe in der World-Scale-Anlage läuft nicht rund? Ölen ist angesagt!
Wobei simples Öl heute für viele Anwendungen nicht mehr das Schmiermittel der Wahl ist. Es gibt weit bessere Alternativen, und Bio­schmierstoffe könnten dabei eine gewichtige Rolle spielen. Hydraulikflüssigkeiten, Getriebe- und Motoröle, Durchlauf-, Schal- oder Kühl­öle – gleich für welche Anwendung, das biobasierte Produkt ist verfügbar. Doch trotzdem machen Bioschmierstoffe nach Angaben der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe nur 3 % des gesamten deutschen Schmierstoffmarktes aus. Mit 10.000 t steuern Hydraulik­öle die mit Abstand größte Menge bei, während Kettensägen- und Schalöle mit 50 bzw. 38 % den größten Marktanteil haben.

Bioschmierstoffe kosten mehr und halten länger
Dass der Markt so zögerlich reagiert, kann nicht an den Leistungsparametern liegen. Fuchs Petrolub schätzt, dass vom technischen Standpunkt rund 90 % aller Schmierstoffe durch biobasierte Produkte ersetzt werden könnten. Neben mangelndem Wissen und einem möglichen Misstrauen gegenüber „natürlichen“ Alternativen stellen die höheren Preise – Bioschmierstoffe können bis zu zwei- oder dreimal so viel kosten wie mineralölbasierte Schmierstoffe – das Haupthindernis für den Wechsel der Kunden von „fossil“ auf „bio“ dar. Andererseits hat die FNR ausgerechnet, dass die längere Einsatzdauer zu Einsparungen führt, die den höheren Einkaufspreis der Bioschmierstoffe mehr als ausgleichen, und auch Tests bei Continental, die beim Bio­schmierstoffkongress 2016 vorgestellt wurden, bestätigen diese Ergebnisse.
Die technischen Parameter der Bioschmierstoffe überzeugen: Im Allgemeinen ist ihr Viskositätsindex höher als bei Mineralölen, was zu höherer Leistung bei vermindertem Einsatz von Additiven führt. Die Friktion ist geringer und damit der Schutz vor Abrieb besser. Im Temperaturbereich zwischen -10 und +70 °C können sogar native Öle eingesetzt werden. Sollten extremere Temperaturen oder andere Randbedingungen speziellere Eigenschaften erfordern, gibt es eine ganze Reihe von chemischen oder physikalischen Modifikationsmöglichkeiten. Meist führen sie zu Estern, die entweder vollständig biobasiert, semisynthetisch oder synthetisch sein können. Als Verarbeitungsschritte kommen unter anderem Hydrogenierung, Oxidation oder die Kopplung von Fettsäuren und Alkoholen in Frage, um die Länge der Moleküle, den Sättigungsgrad und Funktionalitäten kontrolliert einzustellen. Daraus ergeben sich wortwörtlich unzählige Kombinationsmöglichkeiten, die fast jede Anforderung erfüllen. Die heute erhältlichen Bioschmierstoffe sind in der Regel bioabbaubar und ungiftig. Das macht sie besonders geeignet als Durchlauföle, die bspw. aus Kettensägen oder Windkraftanlagen in die Umwelt gelangen.

Wie sich Wertschöpfungsketten ändern
Bioschmierstoffe sind dabei gleichzeitig ein Beispiel dafür, wie Wertschöpfungsketten sich ändern, wenn biobasierte an die Stelle der konventionellen Rohstoffe treten. Die „traditionelle“ Wertschöpfungskette – oder eher schon das Wertschöpfungsnetz – für Schmierstoffe sieht so aus:
Konventionelle Basisöle kommen entweder direkt aus der petrochemischen Raffinerie oder werden chemisch umgesetzt, um die gewünschten Eigenschaften wie eine bestimmte Viskosität, einen niedrigen Schwefelgehalt oder Temperaturstabilität zu erhalten. Der Schmierstoffhersteller verarbeitet das Grundöl und reichert es mit etwa 15–30 % Additiven an; diese werden häufig von Additiv-Anbietern vorformuliert, die wiederum die einzelnen Bestandteile bei Chemieunternehmen einkaufen. Ein Schmierstoff kann bis zu 20 verschiedene Substanzen enthalten; die Formulierungen sind in der Regel urheberrechtlich geschützte und gut gehütete Betriebsgeheimnisse. Der Formulierer verkauft in der Regel direkt an den Zwischenhandel oder den Endkunden.
Die Zahl der Marktteilnehmer im konventionellen Schmierstoffmarkt ist begrenzt, und die Investitionen für den Markteintritt sind hoch. Doch obwohl eine Reihe etablierter Platzhirsche wie Castrol oder BP ihre Produktpalette um Bioschmierstoffe erweitert haben, bieten sich auch für neue Player interessante Möglichkeiten.
Im ersten Schritt der Wertschöpfungskette sind es naturgemäß Anbieter von landwirtschaftlichen Produkten wie Raps-oder Palmöl, die an die Stelle der großen Ölunternehmen treten.
International sind dies Firmen wie Novvi LLC, ein Joint Venture von Amyris, Inc. und Cosan Inustria e Comercio, an dem seit Juni 2016 die American Refining Group mit einem Drittel beteiligt ist, oder Biosynthetic Technologies. Dessen Hauptproduktlinie besteht aus biobasierten Ölen, die speziell für Hochleistungs-Anwendungen bei Automobilen und in der Industrie synthetisiert werden. Die Öle können nach Herstellerangaben für die meisten Schmierstoffanwendungen eingesetzt werden und stellen Drop-In-Lösungen für viele marktgängige Formulierungen dar. 2014 hat Evonik Industries in Biosynthetic Technologies investiert – eine Verbindung wie aus dem Schmierstoffbilderbuch: Während BT biobasierte synthetische Öle entwickelt und produziert, stellt Evonik Schmierstoffadditive her.
Bioschmiermittel benötigen in der Regel weniger Additive als ihre erdöl-basierten Verwandten. Sie sind allerdings anfälliger gegen Hydrolyse und Oxidation sowie gegen bakteriellen Abbau und brauchen daher mehr Konservierungsstoffe. Auch Verdicker, Schaumverhüter und ähnliche Zusatzstoffe können notwendig sein. Damit Bioabbaubarkeit und Umweltverträglichkeit gewährleistet bleiben, dürfen die Additive weder toxische Metalle noch Phosphat enthalten – ein großes Spielfeld für Firmen, die solche Zusatzstoffe und Bioschmierstoffe entwickeln.

Projektkonsortien treiben Bioschmierstoffentwicklung an
Fuchs Petrolub als weltweit aktiver Schmierstoffproduzent ist auch auf diesem Gebiet unterwegs. Gemeinsam mit 14 Partnern arbeitet Fuchs derzeit im TeFuProt-Projekt an der Entwicklung proteinbasierter Schmierstoffadditive aus biobasierten Rest- und Abfallströmen. Die Ausgangsstoffe kommen von der Fa. Bunge Deutschland, die eine der größten Ölmühlen Europas betreibt. In einem anderen Projektkonsortium sind die Partner, darunter Fuchs und das Biotechnologieunternehmen Brain, bereits in der Testphase für Additive, die durch enzymatische Synthese hergestellt werden.
Auch die Firma Carl Bechem, einer der ältesten Schmierstoffproduzenten, kehrt gewissermaßen zu seinen Wurzeln zurück: Seit 1834 versorgte das Unternehmen die entstehende Bergbau-, Eisen- und Stahlindustrie zunächst mit biobasierten Schmierstoffen – die natürlich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts noch nicht so hießen. Heute entwickelt Carl Bechem biobasierte Alternativen als Ergänzung seiner breiten Palette konventioneller Produkte.
Und wem es zu wenig ist, seinen Automotor mit biobasierten Schmierstoffen am Laufen zu halten, der kann sogar noch umweltfreundlicher unterwegs sein: Danico Biotech Schmierstoffe stellt aus Sonnenblumenöl Fahrradkettenfett und Hydrauliköle für Stoßdämpfer her.

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Dechema e.V.

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