Logistik & Supply Chain

Must have versus nice to have

Die Tücken des Nischenmarkts Pharmalogistik

30.03.2014 -

Logistik ist nicht gleich Logistik - dies verdeutlichen die Anforderungen an die Logistik pharmazeutischer Produkte. Deren Spektrum reicht vom Cholesterinsenker bis hin zur Schmerztablette. Die Logistik muss sich an die strengen Vorschriften der GMP „Guten Herstellpraxis" halten. In diesem Regelwerk wird auch die Herstellung von Arzneimittel-Wirkstoffen festgelegt. Dies zeigt bereits, dass es sich um eine sehr umfassende Vorschrift handelt, die im allgemeinen Logistikgeschäft nicht bekannt ist.

Angesichts des vorherrschenden Kostendrucks sind Pharmahersteller grundsätzlich zu einem Outsourcing logistischer Leistungen wie Transport und Lagerung  bereit. Jedoch sind die Entscheidungswege aus Sicht der Logistikdienstleister aufgrund der komplexen Vorgaben der Legislativen sowie durch das Hersteller-eigene Qualitätsmanagement oft langatmig und zeitraubend.

Wer beispielsweise als Logistikdienstleister in den GMP-Regularien  exakte Vorgaben zum Bau und zur Einrichtung einer Logistik-Immobilie sucht, wird enttäuscht. Auch die Novelle der GDP (Good Distribution Pratices) im Jahr 2013 brachte keine maßgeblichen Änderungen, zumal hier der Vertrieb und nicht primär die Lagerung von Arzneimitteln im Mittelpunkt steht.

Die wesentliche Herausforderung stellt sich in den Formulierungen in den GMP: Sie beschreibt auf Basis von „Akzeptanzkriterien" die Vorgaben für Lagerausstattung und -betrieb. Gefordert werden ein Qualitätssicherungssystem  sowie eine Qualifizierung der Lagerräume. Doch statt konkrete Vorschriften für Temperatur, Feuchtigkeit oder Luftwechsel festzulegen, werden lediglich grobe Orientierungshilfen in Gestalt unscharfer Angaben zur Größe von Lagerräumen, geeigneten Lagerbedingungen oder  einem angemessenen Temperaturbereich gegeben.

Damit geht für den Logistikdienstleister eine Schere auf: Der Pharmahersteller gibt keine spezifisch-harten, sondern nur weiche Qualitätsanforderungen im Hinblick auf logistische Leistungen vor und erwartet gleichzeitig eine preislich attraktive Leistungsübernahme. Fraglich bleibt: Welche Rolle spielen bei der Vergabeentscheidung die Qualitätserwartungen? Wie stark dominiert der Kostendruck?  Dies mündet zwangsläufig in die Dilemma-Situation: Must have versus nice to have - wer trägt die Konsequenzen eines möglichen „overdoing"?

Wege aus dem Dilemma

Wege aus der Ausschreibungsfalle lassen sich mit Ideenreichtum und einem langjährigen Erfahrungsschatz finden. Die Barth Logistikgruppe mit ihren Standorten in Umkirch/Freiburg und Hechingen übernimmt seit Jahrzehnten Kontraktlogistik-Leistungen für die Pharmaindustrie. Diese Dienstleistungen beginnen z.B. mit der Übernahme der Pharmaprodukte direkt aus der Produktion, gehen über deren Einlagerung, Kommissionierung bis hin zur kompletten Versandabwicklung mit allen hierzu benötigten Dokumenten.

In Umkirch/Freiburg hat Barth im Jahr 2008 ein neues Pharma-Logistikzentrum in Betrieb genommen. die Immobilie soll Qualitätssignale auf hohem Niveau setzen: Dieses „green building" gilt als Innovation in Süd-Deutschland. Mit Hilfe eines nachhaltigen energetischen Systems durch Grundwasserentnahme per Wärmepumpe wird das 12.000 Paletten fassende Gebäude zonenbezogen in den Temperaturspannen 15 / 25°C sowie 2 / 8°C klimatisiert. Gepaart mit einer Photovoltaikanlage generiert man zum Jahresende eine positive Energiebilanz.

Um den Erwartungen der Pharmahersteller gerecht zu werden, stellt das aufwändige Qualitätssicherungssystem die größte Herausforderung dar. Üblich für diese Art der Kontraktlogistik ist, dass die Pharmahersteller die Logistikdienstleister in die eigenen Schulungsaktivitäten mit einbeziehen, denn die Anforderungen einzelner Hersteller liegen oft über den gesetzlichen Mindeststandards. Deshalb werden Standardanweisungen (sog. SOP) gepaart mit den kundenspezifischen Quality Agreements den Mitarbeitern des Logistikdienstleisters direkt vermittelt.

Partnerschaft und Standardisierung

Dies lässt sich nur mit einer hohen Kooperationstiefe und durch eine enge Partnerschaft umsetzen. Durch den Know-how-Transfer und die Aufgabenübertragung werden die Logistiker zum Pharma-Spezialisten. Die Spezifika der wechselseitigen Abhängigkeit müssen dabei durch ein dezidiertes Vertragswerk abgesichert werden. So sind die Merkmale der betreffenden Logistikleistungen klar und deutlich zu definieren. Die Laufzeit der Verträge sollte an den nötigen spezifischen Investitionen ausgerichtet werden, um nicht einen der Partner in die Situation einer einseitigen Abhängigkeit zu bringen.

Dies eröffnet bereits ein weiteres mögliches Spannungsfeld: Laufzeitkongruenz der Logistikdienstleister-Verträge mit deren Finanzierungsplänen für die spezifischen Investitionen wird seitens der Pharmahersteller nur noch selten akzeptiert. Der Logistikdienstleister setzt sich einem besonderen Risiko aus: Was tun, wenn das beauftragte Volumen des Kunden abnimmt und Leerkapazitäten im Lager entstehen? Dann bleibt nur der Weg, die fixen Kosten mit weiteren Kunden zu kompensieren.

Für den Logistikdienstleister bedeutet dies, eine sogenannte Multi User-Pharmalogistik-Immobilie zu bauen. Doch Multi User-Fähigkeit verlangt Abstriche in der Individualisierung zugunsten gewisser Mindest-Standards von Prozessen und Qualitätsanforderungen. Neue Geschäfte aus der Pharmabranche müssen sich schnell aufschalten lassen und dürfen keine Auswirkungen auf die bestehenden Prozessabläufe haben. Dies hat zur Folge, dass nicht mehr jeder Pharmahersteller die Mitarbeiter des Dienstleisters nach seinen eigenen Bedürfnissen schulen kann. Auch hier ist Standardisierung zwingend erforderlich.

In der Zukunft ist mit Blick auf die GDP-Novellierung mit steigenden Anforderungen an die Pharmalogistik zu rechnen. Dies betrifft insbesondere die Anforderungen an den Transport der Pharmaprodukte an das und aus dem Lager. Bei den Kontrollen im Warenein- und -ausgang sind diese Schnittstellen besonders zu definieren und im Rahmen eines Vertrags zur Verantwortungsabgrenzung zu regeln. Die Überwachung der Vorgaben der neuen GDP, hier insbesondere die sogenannten Risikoanalysen und -bewertungen, wird umfassende Konsequenzen für alle Akteure mit sich bringen.

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