Logistik & Supply Chain

Neue Spediteurbedingungen auf den Weg gebracht

Zähes Ringen von Verladern und Speditionen um die Novellierung der ADSp

14.11.2016 -

Seit 1927 wurden in Deutschland Verkehrsverträge überwiegend auf Grundlage der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) abgeschlossen. Grundlage dafür war, dass die ADSp von den Verladerverbänden einerseits und dem Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) (früher BSL) einvernehmlich zur Anwendung empfohlen wurden. Das am 25. April 2013 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts brachte die Notwendigkeit mit sich, die ADSp insbesondere an die geänderten Haftungsregelungen anzupassen.

Im September 2015 gaben die an der Novellierung der ADSp beteiligten Verladerverbände nach langwierigen Beratungen bekannt, dass sie die Verhandlungen für gescheitert ansehen und legten eigene Empfehlungen vor – die Deutschen Transport- und Lagerbedingungen (DTLB). Knapp drei Monate später veröffentlichte der DSLV eine Neufassung der ADSp unter der Bezeichnung „ADSp 2016“ und empfahl seinen Mitgliedern deren Anwendung.

Die neuen DTLB entsprachen aus Sicht der Dachverbände der verladenden Wirtschaft den heutigen, branchenübergreifenden Realitäten in der Unternehmenslogistik. Kontinuierliche und strukturelle Veränderungen in den Transport- und Logistikketten aufgrund internationaler und zunehmend digitalisierter Supply-Chains hätten die Neufassung eines modernen Regelwerkes branchenübergreifend notwendig gemacht.

An der Basis kam man jedoch zu einer anderen Bewertung. Logistikleiter mittelständischer Verlader sahen die DTLB für die typischen Geschäftsbeziehungen zwischen mittelständischen Verladern und mittelständischen Spediteuren für nicht geeignet an. Denn sie bildeten deren Realität nicht ab sondern richten sich an der Konzernlogistik aus – obwohl in der Konzernlogistik regelmäßig ohnehin individuelle Bedingungen vereinbart werden.

Unabhängig von der kritischen inhaltlichen Bewertung vertrat die Mehrzahl der Logistikleiter aus der mittelständischen Wirtschaft die Auffassung, dass die Gespräche mit dem DSLV mit dem Ziel wieder aufgenommen werden sollten, ein gemeinsames Bedingungswerk zu erreichen. Denn nur ein solches ermöglicht es, dass sich bei der Unzahl von relativ standardisierten Speditionsgeschäften die Frage erübrigt, wessen Geschäftsbedingungen zu Grunde gelegt werden. Dies macht umso mehr Sinn, als dass neben den ADSp und den DTLB auch entsprechende Empfehlungen des Bundesverbandes Güterkraftverkehr und Logistik (BGL) sowie des Bundesverbandes Möbelspedition und Logistik (AMÖ) „auf dem Markt“ waren.

Gute Erfahrungen auf heute übertragen

In den ersten Monaten dieses Jahres wurde dann deutlich, dass die ADSp 2016 durchaus breite Akzeptanz finden. Dies lag möglicherweise weniger daran, dass der Spediteur in der Mehrzahl der Geschäftsbeziehungen der marktmächtigere Partner war und deshalb die Anwendung der ADSp durchsetzte. Es lag auch nicht unbedingt daran, dass man in einer gemeinsamen Bewertung von ADSp 2016 einerseits und DTLB andererseits durch Verlader und Spediteure zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass die ADSp 2016 eine ausgewogenere Aufteilung der Rechte und Pflichten der Vertragspartner abbildeten. Vielmehr war es sicherlich so, dass man mit der Anwendung der „alten“ ADSp in der Vergangenheit überwiegend gute Erfahrungen gemacht hatte und davon ausging, dass dies mit den ADSp 2016 nicht anders sein würde.

Logischerweise führte die Akzeptanz der ADSp 2016 dazu, dass die DTLB keine Relevanz erlangten. Dieser Umstand bewirkte – in Verbindung mit dem grundsätzlichen und nachhaltigen Interesse der Speditionen an einer gemeinsamen Empfehlung, dass man den Gesprächsfaden wieder aufnahm und schließlich unter Moderation des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) einen Kompromiss fand, der Verlader und Spediteure zufriedenstellt – wobei bzw. obwohl jede Seite Zugeständnisse machen musste.

So konnte man sich bei der Ausgestaltung der Standgeldregelung nur mit erheblichem Aufwand auf einen Interessenausgleich verständigen. Im Vergleich zu der entsprechenden Ziffer 11 der ADSp 2016 setzt die Anwendung dieser Klausel zur Berechnung von Standgeld nunmehr eine Vereinbarung oder Avisierung über den/das Zeitpunkt/-fenster der Fahrzeuggestellung voraus.

Zudem ist jetzt die mit der vereinbarten Vergütung/Fracht abgedeckte Lade-/Entladezeit in Anlehnung an § 5 der bisherigen VBGL bei Komplettladungen unabhängig von der Anzahl der Sendungen pro Lade- oder Entladestelle auf pauschal jeweils maximal zwei Stunden für die Verladung bzw. Entladung festgelegt. Wird die Lade- oder Entladezeit aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder aus Gründen, die nicht dem Risikobereich des Spediteurs zuzurechnen sind, überschritten, hat der Verlader dem Spediteur das vereinbarte, ansonsten ein angemessenes Standgeld als Vergütung zu zahlen. Standgeldsätze werden wie in den VBGL nicht genannt.

Streitpunkt: Vergütung von zusätzlich erbrachten Leistungen

Stark umstritten war die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Spediteur für zusätzlich erbrachte Leistungen eine zusätzliche Vergütung fordern kann. Während die ADSp 2016 entsprechende Möglichkeiten unter verschiedenen Ziffern ausdrücklich vorsahen, forderten die Verladerverbände eine „All-In-Vergütung“. Im Ergebnis nun bestimmt eine neue Ziffer 16 der ADSp, dass der Spediteur im Hinblick auf den vorhersehbaren Verlauf der Beförderung oder Lagerung keinerlei Zusatzkosten nachträglich in Rechnung stellen kann.

Als Auslegungsregel wird diese wie die Klausel in den alten ADSp nur Anwendung finden, wenn keine vorrangige, individuelle Preisabsprache getroffen wurde. Dennoch rechnet man auf Speditionsseite damit, dass in der Praxis der Verlader bei der Abrechnung von Zusatzkosten ggf. einen „Nachweis“ darüber fordern wird, wieso in Rechnung gestellte Zusatzkosten nicht in die Kostenkalkulation eingeflossen sind.

Streitpunkt: Haftungsregelung

Von Anbeginn der Gespräche waren die Haftung des Spediteurs bzw. die Haftungsbegrenzungen ein zentrales Diskussions- und Streitthema. Im Wesentlichen bleibt das Grundgerüst der ADSp-Haftungsklauseln (durchgängige Anwendung des Wertersatzprinzips, Wertdeklaration beim Lagergeschäft) mit einer Ausnahme unverändert. Diese betrifft die Ausgestaltung der Haftungsklausel bei multimodalen Beförderungen unter Einschluss einer Seestrecke.

Die Haftungsreduzierung auf zwei SZR/kg soll nur noch für Fallgestaltungen gelten, bei denen der Schadenort unbekannt ist. Die Bestimmung in den ADSp 2016, nach der auf einen Verkehrsvertrag über eine Beförderung mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln unter Einschluss einer Seebeförderung unabhängig davon, auf welcher Teilstrecke ein Schaden eintritt, stets die §§ 425 bis 439 HGB Anwendung finden, wurde gestrichen.

Bei bekanntem Schadensort auf See kann sich damit auch der Spediteur auf den Haftungsausschluss für nautisches Verschulden und Feuer an Bord berufen; zudem findet nicht der „strenge“ § 435 HGB, sondern der „mildere“ § 512 HGB Anwendung. Dies führt bei Containertransporten allerdings für die Fälle des bekannten Schadensorts auf See auch dazu, dass im Gegensatz zu den ADSp 2016 die gesetzliche Stückhaftung nicht abbedungen wird.

Wie nach Wiederaufnahme der Verhandlungen zu erwarten, wurden die Haftungshöchstsummen erneut erhöht. Konkret steigen diese in

  • den Ziffern 23.1.3 und 23.3.3 von 1 Mio. EUR je Schadenfall auf 1,25 Mio. EUR,
  • der Ziffer 23.4 von 100.000 EUR je Schadenfall auf 125.000 EUR,
  • den Ziffern 23.5 und 24.4 von 2 Mio. EUR je Schadenereignis auf 2,5 Mio. EUR,
  • den Ziffern 24.1.2 und 24.3 von 25.000 EUR je Schadenfall auf 35.000 EUR und
  • in der Ziffer 24.1.3 von 50.000 EUR pro Jahr auf 70.000 EUR.

Dies führt zwar für die Spedition zu einem erneuten Anstieg der schadenbedingten Kosten (Selbstbeteiligung, Prämien) im Vergleich zu den ADSp 2016, das Haftungsrisiko wird aber weiterhin versicherbar gestaltet. Zudem enthält die Anpassung einen Ausgleich der Inflation für den Zeitraum seit 1998, in dem die Versicherungspolicen nahezu unverändert blieben.

Kernpunkt: Haftung des Auftraggebers

Auch der zweite Kernpunkt, über den intensiv verhandelt werden musste, betrifft die Haftung – nämlich die Haftung des Auftraggebers. Im Ergebnis wird mit einer neuen Ziffer 29 eine beschränkte Auftraggeberhaftung in die ADSp aufgenommen. Nachdem mit der Reform des Seehandelsrechts die bis dahin gesetzlich verankerte beschränkte Haftung des Absenders, Versenders und Einlagerers entfiel, jedoch vertraglich vereinbart werden kann, war es für die Verladerverbände nicht verhandelbar, dies auch zu tun.

Im Rahmen der im HGB verankerten Vorgaben ist diese neue Klausel so ausgestaltet, dass sie ausschließlich die vertragliche Haftung des Auftragsgebers betrifft. Andere Anspruchsgrundlagen werden von dieser Haftungsbeschränkung nicht erfasst. Zudem sieht die Klausel keine gewichtsbezogene, sondern eine feste Haftungsobergrenze von 200.000 EUR je Schadensereignis vor, die zudem entfällt, wenn den Auftraggeber ein qualifiziertes Verschulden trifft oder er eine vertragswesentliche Pflicht verletzt.

Nun bleibt zu hoffen, dass die ADSp 2017 im Markt möglichst breit angenommen werden. Dies ist schon deshalb zu hoffen, weil sich die beteiligten Verbände aufs Nachdrücklichste bemüht haben, einerseits die Interessen ihrer Branchen in die neu formulierten Bedingungen einzubringen und andererseits Kompromisslinien zu finden.

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