Logistik & Supply Chain

Pharmalogistik als Marke etablieren

Pharmaserv: Spezialisierungsgrad des Logistikgeschäfts macht eigene Logistiksparte sinnvoll

14.10.2015 -

Pharmalogistik ist in den vergangenen Jahren zu einer sehr stark spezialisierten Disziplin geworden. Ein Grund für den Standortbetreiber Pharmaserv aus Marburg eine eigene Sparte für diese speziellen Logistikaufgaben ins Leben zu rufen. CHEManager sprach mit Thomas Janssen, Geschäftsführer Pharmaserv, und Dr. Martin Egger, Leitung Pharmaserv Logistics, über die Hintergründe dieses Schritts und das neue Central Pharma Distribution Center. Die Fragen stellte Dr. Sonja Andres.

Zurzeit entstehen in unterschiedlichen Regionen Deutschlands Lager und Logistikzentren, die speziell Pharmaka und Biopharmaka aufnehmen sollen. Worin sehen Sie aus Ihrer langjährigen Branchenerfahrung diese Entwicklung in der Hauptsache begründet?

Dr. M. Egger: Dies hat sicherlich vielfältige Gründe. Zunächst ist die weltweite Nachfrage nach Medikamenten in den letzten Jahren stetig gestiegen, was generell das Marktvolumen erhöht hat und weiter ansteigen lässt. Hervorzuheben sind hier insbesondere die sogenannten BRICS-Staaten mit enormen Wachstumsraten um etwa 10 % p.a. Durch Marktanpassungsfaktoren wie auslaufende Patente, die Entwicklung innovativer Biotechprodukte, allgemeinem Kostendruck und einer generellen Globalisierung der Prozesse werden die Hersteller gezwungen, ihre Supply Chain neu zu betrachten. Dabei gewinnt das Thema Outsourcing zunehmend an Relevanz. Professionelle Dienstleister in der Pharmalogistik suchen darin ihre Chance.

Darüber hinaus ist der Anspruch an die Pharmalogistik durch jüngste regulatorische Änderungen, wie z. B. der Einführung der GDP-Guidelines für Arzneimittel in 2013 gestiegen. Dies äußert sich auch in einer erhöhten Nachfrage nach temperaturgeführter Logistik. Obwohl sich die Markteintrittsbarrieren damit zunehmend verschärfen, entwickeln sich einige klassische Speditionen aus dem Bereich der temperaturgeführten Transporte weiter ins Lagergeschäft. Ursache dafür ist, dass die Pharmalogistik als ein attraktives Geschäftsfeld innerhalb des Logistikmarktes gilt. Die Hoffnung daran teilhaben zu können, spiegelt sich dann natürlich auch in der Quote der Lagerprojektentwicklungen wider.

Erst Anfang 2015 hat Pharmaserv die Logistiksparte als eigene Marke Pharmaserv Logistics etabliert. Was waren Ihre wichtigsten Gründe für diesen Schritt?

T. Janssen: Dem Unternehmen Pharmaserv ist es in den letzten Jahren erfolgreich gelungen, die Marke „Pharmaserv" im Markt als kompetenten und innovativen Partner für technische Dienstleistungen und Standortmanagement zu positionieren. Durch den hohen Spezialisierungsgrad des Logistikgeschäfts und deren internationaler Expansion war eine sichtbare Differenzierung für die Logistik angebracht.

Der eigenständige Marktauftritt wurde geschaffen, damit wir unsere Pharmalogistik-Dienstleistungen klarer am Markt platzieren können. Wir haben festgestellt, dass dies unter dem Dach „Standortmanagement & Services“ nicht zielgerichtet möglich ist. Man traut einem Standortbetreiber nicht immer zu, dass er auch Experte für globale Pharmalogistik sein kann. Da wir in der Logistik auch internationale Kunden ansprechen, die mit ihren hochsensiblen Fertigarzneimitteln, innovativen Wirkstoffen oder Klinischen Studien ihre globalen Märkte erreichen wollen, war eine klare Differenzierung und Positionierung wichtig und richtig.

Ist dabei auch eine komplette Trennung der Geschäftsbereiche erfolgt? Oder wie ist der Begriff Marke in diesem Zusammenhang zu verstehen?

T. Janssen: Wir haben uns bewusst für eine Markendifferenzierung entschieden. Die Pharmaserv Logistics ist daher eine Kategoriemarke der Pharmaserv und kein rechtlich eigenständiges Unternehmen. Somit gehört Pharmaserv Logistics nach wie vor zur Pharmaserv.

Welche Leistungen sind auf die Logistikmarke übergegangen? Was steckt hinter dem Begriff „Biotech Distribution Platform“?

Dr. M. Egger: Unsere „Biotech Distribution Platform“ verspricht modulare und kundenindividuelle Kontraktlogistikleistungen und Pre-Wholesale-Lösungen für Kunden aus der Biotech- und pharmazeutischen Industrie. Die flexibel skalierbare Biotech Distribution Platform ermöglicht eine sichere Pharmalagerung, Handling, Verpackung, Herstellungsschritte nach AMG §13 und die Distribution temperaturkritischer und sensibler Güter für kleine, mittelständische und internationale Großunternehmen.

Wir bieten damit über diese Plattform unseren Kunden eine hochentwickelte Infrastruktur, strukturierte Problemlösungen, ein langjähriges Know-how sowie ein internationales Netzwerk an qualifizierten Logistikpartnern. Die explizite Fokussierung auf die Herausforderungen unserer Kunden wird dabei durch den Leitbegriff "Serving your market" dokumentiert.

Welchen Nutzen haben die Pharma- und Biotech-Unternehmen aus dieser Differenzierung - die Ist - wie auch zukünftige Kunden?

T. Janssen: Wir haben uns im Vorfeld der Markendifferenzierung intensiv mit dieser Fragestellung auseinander gesetzt. So haben wir bei Kundenumfragen erkannt, dass zum Beispiel ein kleines Biotech-Unternehmen in der Regel keine Inhouse-Logistikkompetenz besitzt. Ähnlich ergeht es auch Laboren oder Kliniken. Auf der anderen Seite kommen aber auch mittelständische oder Großunternehmen mit eigenen Logistikstrukturen immer öfter an ihre Grenzen.

Sei es das zu klein gewordene eigene Kühllager, die Erschließung von Emerging Markets oder schlicht fehlendes Know-how bei der effizienten Belieferung der internationalen Großhändler. Und genau hier setzen wir an – wir wollen jeden Kunden ganz flexibel bei der Lösung seiner individuellen Herausforderungen unterstützen. Aus diesen gemeinsamen, teils innovativen, Projekten entstehen oft tiefe und langjährige Partnerschaften. Ein echter Mehrwert für beide Parteien.

Am Standort Behringwerke Marburg soll bis Ende 2015 der Ausbau des Pharmaserv GMP-Lagers zum „Central Pharma Distribution Center“ fertig gestellt sein. Dies ist eine große Investition. Was können Sie Ihren Kunden hier bieten?

Dr. M. Egger: Durch die Erweiterung unseres Pharmalagers am Stammsitz in Marburg werden wir unsere Pharmalogistik-Fläche auf 8.000 m² erhöhen, weitere ca. 4.000 m² stehen uns darüber hinaus zum Beispiel für Packmittel- und Gefahrstofflagerung zur Verfügung. In dem so entstehenden „Central Pharma Distribution Center“ werden verschiedene Logistikleistungen vereint.

Vom Produktionslager für feste Ausgangsstoffe und Produktionshilfsmittel über unsere Handelsware (u. a. Laborverbrauchsmaterial und persönliche Schutzausrüstung), die sich über den Pharmaserv-Shop beziehen lassen, bis hin zu den temperaturgeführten Fertigarzneimittellagern findet auch der Herstellbereich für das Sekundärverpacken gemäß §13 AMG Platz unter einem Dach. Insgesamt schaffen wir unseren Kunden weitere 4.000 Palettenplätze im 15-25°C-Bereich sowie weitere rund 750 Palettenplätze im 2-8°C-Bereich.

Für alle GxP-relevanten Produkte profitieren wir von unserem validierten Warehousemanagementsystem, das eine tiefe Einbindung in die Prozesse unserer Kunden ermöglicht. Als Zentrallager in der Mitte Europas können wir so effiziente Distributionskonzepte abbilden, unabhängig davon, ob es über Luft, See oder Straße gehen soll. Unsere Kunden können uns dabei als Partner zur Umsetzung ihrer Direct-to-Pharmacy-Konzepte einsetzen oder auch als Pre-Wholesaler.

Gibt es dabei Leistungen, die über das bisherige Angebot hinausgehen?

Dr. M. Egger: Parallel zur Erweiterung unserer baulichen Infrastruktur haben wir unser Partnernetzwerk weiterentwickelt. Hier setzen wir zum einen auf stabile Beziehungen, wollen uns zum anderen aber auch kontinuierlich weiter entwickeln. Dies äußert sich in unterschiedlichen Aspekten. Es fängt an mit der Validierung weiterer Pharmafrachtführer zur Steigerung unserer Leistungsfähigkeit in der LKW-Distribution, der Einführung innovativer Thermoverpackungen in der Luftfracht, der Etablierung von zertifizierten Sicherungssystemen für die Seefrachtverladung, etc.

Intern haben wir unsere Zollkompetenz weiter ausgebaut, so dass wir mit dem Status des Wirtschaftlichen Beteiligten (AEO-F) weitere Vereinfachungen für unsere Kunden darstellen können.

Neu und wichtig zu erwähnen ist auch eine Veränderung in unserem Mindset. Bislang haben wir bei unseren Kunden unsere Lösungskompetenz in der „Pharmalogistik“ bzw. in „Cold Chain-Lösungen“ in den Vordergrund gestellt. Inzwischen versuchen wir viel mehr herauszufinden, was unsere Kunden wirklich treibt und was sie womöglich schlecht schlafen lässt. Hier steigen wir jetzt ein, bei den wirklichen Herausforderungen unserer Kunden.

Darüber hinaus haben wir erkannt, dass unser Portfolio spannend für internationale Kunden ist, die ihr Geschäft in Europa ausbauen wollen. Insofern versuchen wir auch, internationale Zielkunden zu erreichen und ihnen zu vermitteln, dass unser langjähriges Branchen-Knowhow jedem Pharma- und Biotechunternehmen zur Verfügung steht.

Was sind die Besonderheiten - auch bauliche - des Pharma Distribution Centers? Welche Vorteile erwachsen daraus?

T. Janssen: Die Nutzung als Arzneimittellager verlangt von uns exakt definierte Temperaturspannen einzuhalten um Produktschaden zu vermeiden. Das an sich ist in einem großen Warehouse schon eine technische Herausforderung. Hinzu kommt natürlich die hohe Anforderung an die Versorgungssicherheit, die wir als Pharma-Produktionsstandortbetreiber gut kennen und bedienen können.

Das Gebäude ist hervorragend gedämmt und mit einer Betonkernaktivierung ausgestattet. So kann die Heiz- und Kühlenergie sehr gleichmäßig eingebracht und lange gespeichert werden. Das macht den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien möglich.

Unsere Kombination von Dämmung, Eisspeicher, Solarabsorber und Wärmepumpe schafft es, die notwendige Heiz- und Kühlenergie zu ca. 85 % aus der Sonne zu gewinnen. Das schont die Umwelt und zeigt wie wertvoll es ist unsere eigene Kompetenz als Gebäude- und Anlagenbetreiber voll einbringen zu können.

Wie schätzen Sie den deutschen und internationalen Markt für sensible und temperaturkritische Medikamente ein – jetzt und künftig? Mit welchen Konsequenzen für die Logistik?

Dr. M. Egger: Der Bedarf an spezialisierten, effizienten und temperaturgeführten Logistiklösungen innerhalb der Pharma- und Biotechbranche wird weiter steigen. Neben der GDP-Guideline wird auch der Kostendruck aus dem Generikabereich Pharmaunternehmen dazu bewegen, ihre eigene Logistik auf den Prüfstand zu stellen und nach neuen, kostengünstigeren Lösungen zu suchen.

Was wir schon heute deutlich merken, ist ein Trend zu kleineren Losgrößen, was sich in einer Verschiebung der Nachfrage vom Full-Truck (FTL) hin zu Less-than-Truckload- (LTL) und Stückgutlösungen darstellt. Darüber hinaus ist ein leichter Trend beim Wechsel von Luft- auf die günstigere Seefracht zu verzeichnen. Doch welche Herausforderung die Zeit für unsere Kunden auch mit sich bringt – wir sind da, um sie gemeinsam zu bewältigen.

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