Strategie & Management

Due Dilligence - den Blick für das Ganze bewahren

Übernahme mittelständischer Chemieunternehmen durch Verknüpfung von klassischer Due Diligence und operativer Betrachtung der Unt

10.09.2014 -

Wenn ein Chemiekonzern einen mittelständischen Chemiebetrieb erwerben will, werden im Wesentlichen Finanzkennzahlen analysiert, ohne dass man sich einen Überblick über die operative und die personelle Lage des Übernahmekandidaten verschafft. Dies kann manchmal fatale Folgen haben, denn wer die Ablauforganisation und Strukturen des zu übernehmenden Unternehmens nicht richtig versteht, nimmt Probleme nach der Integration in Kauf. Deshalb sollte eine klassische Due Diligence immer mit einer sehr differenzierten operativen Betrachtung verknüpft werden.

In Anbetracht der steigenden M&A-Aktivitäten im Chemiesektor 2014, gewinnt das Thema Due Diligence heute wieder an Bedeutung. Laut einer Studie von Roland Berger (Synergiemanagement für die erfolgreiche Post Merger Integration, November 2011) scheitern 80 % der Transaktionen wegen unprofessionellen Integrations- und Synergiemanagements. Unserer Erfahrung nach lassen sich durch ein besseres operatives Verständnis des Übernahmeobjektes viele Probleme bei der Integration von Anfang an vermeiden.

„Due Diligence" bezeichnet eine Risikoprüfung mit „gebotener Sorgfalt". Diese wird durch einen Käufer oder kaufendes Unternehmen beim Erwerb von Unternehmensanteilen durchgeführt. Der Fokus der Prüfung liegt in der Regel auf dem finanztechnischen Bereich, also der „Financial Due Diligence" und betrachtet die klassischen SWOT-Aspekte (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats), um zu einer Wertfindung des Übernahmeobjektes zu kommen.

Innerhalb einer Due Diligence werden zwar u.a. die funktionalen Seiten wie Strategie, Finanzen, Recht und Marketing geprüft, allerdings fehlen dem Käufer häufig die wesentlichen operationalen und markttechnischen Kenntnisse, um die potenziellen Risiken minimieren und beherrschen zu können.

Doch es sind vor allem die operationalen Einflussfaktoren und Risiken bei einer Transaktion, die den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg prägen.

(Miss)Erfolgsfaktor Know-how

Ein häufig unterschätzter Bereich beinhaltet die Vertriebsorganisation und die damit oft eng verbundene Anwendungstechnik eines Chemieunternehmens. Sowohl die langjährigen Kontakte von Vertriebsmitarbeitern zu Entscheidern auf Kundenseite als auch das Wissen um die Produkte und deren Herstellungsverfahren, bringen den Käufer in eine unmittelbare Abhängigkeit von einzelnen Personen bei einer Übernahme.

Beispiel: Ein mittelständisches Unternehmen der Spezialchemie wird von einem internationalen Konzern übernommen. Bei der Übernahme stimmen zwar alle Zahlen und die Chancen und Risiken werden gegeneinander abgewogen, jedoch lenkt niemand das Interesse auf die typisch mittelständischen Strukturen und das Know-how der Mitarbeiter. Bei der Übernahme verlässt über die Hälfte der verantwortlichen Vertriebsmitarbeiter das Unternehmen. Sie nehmen ihr Know-how und teilweise die Kunden mit. Das Fazit: Statt einen Erfolg zu erwirtschaften, bricht der Umsatz im Jahr nach der Übernahme um mehr als 25 % ein.

Ähnliches gilt auf der F&E-Seite des Zielunternehmens. Im besten Fall ist das Wissen um Produkte, deren Historie sowie der Rezepturen in einer Vielzahl von Köpfen verteilt. Nicht selten aber liegt das gebündelte proprietäre Wissen bei Einzelpersonen. Bei einer Übernahme würde ohne die Kooperationsbereitschaft dieser Schlüsselmitarbeiter nach der Integration eine wesentliche Grundlage für den Unternehmenserfolg fehlen.

(Miss)Erfolgsfaktor Komplexität

Ein weiteres wichtiges, aber oft unterschätztes Problem ist die historisch gewachsene Unternehmenskomplexität, die zu einer hohen Intransparenz und vermeidbaren Kosten führt. Diese beinhaltet alle vertriebsseitigen Themen, angefangen von der Preispolitik über den Sortimentsumfang bis zum Serviceangebot, die alle einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Wertschöpfungskette und somit auf die Kostenstruktur haben. Eine solche Komplexität lässt sich anhand von Geschäftszahlen nicht auf den ersten Blick erkennen.

Beispiel: Ein mittelständischer Produzent von Spezialchemikalien ist mit den Jahren erfolgreich gewachsen. Dabei hat die Unternehmensleitung die Entwicklung der Strukturen nicht bewusst gesteuert - diese haben sich parallel zum Wachstum des Betriebes mitentwickelt. Der Erfolgsfaktor dieses Unternehmens ist seine hohe Flexibilität und sein hoher Service für seine Kunden. Jedoch bedeutet dies gleichermaßen eine hohe Differenzierung der Produktion und des Services sowie eine hohe Individualität. Diese sehr komplexe und intransparente Struktur kann nur von wenigen Mitarbeitern kontrolliert werden. Der Erfolg weckt bislang keine Notwendigkeit, genau zu analysieren, welche Produkte Gewinn bringen und welche nicht. Die Produktpreise hängen von den Abnahmemengen der Kunden ab, von der Zielregion und von den Produktspezifika. Jede Verhandlung wird individuell geführt, es existieren keine Standards im Tagesgeschäft.

Diese spezifische Unternehmensstruktur wird bei der Übernahme durch den Käufer nicht beachtet. Die Folge: Kunden wenden sich ab, Mitarbeiter sind verunsichert und verlassen mit ihrem unternehmensspezifischen Wissen den Betrieb, der Umsatz bricht erheblich ein - das Gegenteil der Konzernerwartungen tritt ein.

Ähnlich wie die eben angesprochene intransparente Preispolitik, bieten Übernahmekandidaten ihren Kunden nicht selten ein aufwendiges umfangreiches und unentgeltliches Serviceangebot an, welches sich kaum in den Unternehmensdaten widerspiegelt. Dienstleistungen wie Sonderverpackungen, Expresslieferungen, kurzfristige Bestelländerungen, Ausmusterungen oder Restmengenrücknahmen werden zunehmend als Selbstverständlichkeit gesehen und tragen zu einem nicht geringen Anteil der Kosten bei.

Ohne das entsprechende Verständnis für derartige Kostentreiber ist es sehr zeitaufwendig für den Käufer, diese Problemfelder zu identifizieren und zeitnahe Lösungen herbeizuführen. Im Ergebnis können die Erwartungen aus der Financial Due Diligence nicht erfüllt werden, da diese Komponenten finanztechnisch selten darstellbar sind.

Maßnahmen zur operativen Betrachtung der Unternehmensstrukturen

Eine Maßnahme zur Schnellidentifikation von Wissensträgern im Unternehmen beinhaltet den Aufbau einer sog. Kompetenzmatrix. In dieser Matrix werden die Kernkompetenzen im Unternehmen und die entsprechende Verteilung der Wissensträger gegenübergestellt. Auf diese einfache Weise lassen sich Personalrisiken bzw. Personalabhängigkeiten für das Unternehmen transparent darstellen. Mit den Ergebnissen aus dieser Analyse kann der Käufer dann wesentlich objektiver das personaltechnische Risiko bei einer Übernahme einschätzen und entsprechende Gegenmaßnahmen frühzeitig definieren.

Schwachstellen ermitteln: Die oft historisch gewachsene Komplexität und Intransparenz im Unternehmen ist im Rahmen einer Due Diligence nicht einfach zu durchdringen. Noch weniger sind die damit verbundenen Kostenrisiken und trägen Strukturen herauszufiltern.

Dennoch kann durch gezielte Fragen im Gespräch mit operativen Führungskräften ermittelt werden, welches Selbstverständnis das Zielunternehmen in Bezug auf Kundenorientierung hat. Wenn sich dann herausstellt, dass sich die Unternehmensstruktur durch eine extrem hohe Flexibilität und eine starke kundenspezifische Ausrichtung auszeichnet, ist zunächst Vorsicht geboten.

Kennzahlen entwickeln: Einen quantifizierbaren Eindruck für die Komplexität bietet die Abfrage von Kennzahlen in einer typischen ABC-Analyse nach Produkten, Kunden und Lieferanten. So lässt sich herausfinden, welche Produkte oder Kunden am stärksten am Umsatz eines Unternehmens beteiligt sind (A) und welche am wenigsten (C).

Die Variabilität in den Daten geben erste Hinweise auf den Grad der Wertschöpfungseffizienz. Hier ein paar Beispiele an Kennzahlen, die als Indikator für Wertschöpfungsprobleme dienen:

  • Indikator Bereitschaftsgrad zur Kleinstfertigung: Umsatz/Anzahl ABC-Produkte nach ABC-Kunden
  • Indikator undifferenziertes Pricing: Roherträge nach ABC-Produkten
  • Indikator Kostenineffizienz im Materialeinsatz: Anteil ABC-Rohstoffen nach ABC-Produkten
  • Indikator Margenerosion und Produktionsineffizienz: durchschnittliche Chargengrößen der letzte fünf Jahre nach ABC-Produkten
  • Indikator Ineffizienz Lieferservice: durchschnittliche Bestell- und Lieferzeiten nach ABC-Kunden
  • Indikator Vertriebsineffizienz: Zahlungsziele und Rabattstrukturen nach ABC-Kunden

Mit bestimmten Kennzahlen lässt sich seitens des Käufers schnell einschätzen, ob das Zielunternehmen Optimierungspotenzial im Bereich der Komplexitätsstruktur aufweist. So kann der Käufer gegebenenfalls für sich abwägen, ob er über die erforderlichen Ressourcen verfügt, um nach dem Kauf eine schnelle Verbesserung herbeizuführen.

Vor allem Käufern, die eine Übernahme in einem für sie artfremdes Umfeld anstreben, ist zu empfehlen, sich eindringlich mit den operativen Aspekten des Geschäfts auseinanderzusetzen, um die nicht offensichtlichen Schwachstellen, die den Return on Investment negativ beeinflussen können, rechtzeitig aufzuspüren. Mit einem solchen Verfahren können sicherlich nicht alle operativen Risiken identifiziert werden. Jedoch ermöglicht dieses Vorgehen jedem Käufer einen tieferen Einblick in die reelle Struktur des Übernahmeobjekts. Er erhält so eine weitere Informationskomponente, mit der er seine Investitionsentscheidung besser abwägen kann.

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