Anlagenbau & Prozesstechnik

Hochfrequente Radarmesstechnik auf dem Vormarsch

Vegapuls 64 mit hoher Dynamik und schmalem Sendestrahl

19.04.2016 -

Mit der Vorstellung des weltweit ersten Radarfüllstandsensors für Flüssigkeiten, der mit einer Frequenz von 80 GHz arbeitet, ist eine neue Ära in der Radarmesstechnik angebrochen.

Die Automobilindustrie macht es möglich: Die Entwicklung von Radarsensoren für die Abstandsmessung von modernen Automobilen hat nun auch positive Rückwirkungen auf die Prozessautomatisierung. VEGA Grieshaber bringt mit dem Vegapuls 64 das erste Radarfüllstandmessgerät für Flüssigkeiten auf den Markt, das mit einer Frequenz von 80 GHz misst. Damit ist eine bessere Fokussierung des Radarstrahls möglich. Selbst bei schwierigen Verhältnissen, wie Heizschlangen oder Rührwerken in Behältern, wird nun eine zuverlässige Messung deutlich einfacher.

Hohe Sendefrequenz bringt Vorteile
Der Öffnungswinkel eines Radarstrahls ist umgekehrt proportional zur Antennengröße und der verwendeten Sendefrequenz. Mit einer um den Faktor 3 höheren Sendefrequenz von 80 GHz gegenüber der bis dahin weit verbreiteten Frequenz von 26 GHz lässt sich sowohl der Abstrahlwinkel als auch die Antennengröße verringern. Beträgt bisher bei einer Antennengröße von 80 mm der Öffnungswinkel etwa 10°, so liegt er beim Vegapuls 64 bei gleicher Antennengröße nur noch bei 3°. Dadurch kann der Sensor selbst in Behältern mit Einbauten oder bei Anhaftungen an der Behälterwand sicher eingesetzt werden. Der Strahl geht durch die deutlich bessere Fokussierung einfach an Einbauten oder Anhaftungen vorbei. Störsignale, die bisher nur mit einer zusätzlichen Störsignalspeicherung ausgeblendet werden konnten, spielen für eine zuverlässige Messung kaum noch eine Rolle. Zudem können wesentlich kleinere Antennen eingesetzt werden. So sind Prozessanschlüsse mit einer Antennengröße von nur ¾“ möglich – dies entspricht gerade mal der Größe eines Euros.

Dynamik für viele Medien
Je größer der Dynamikbereich bei Radarsensoren, desto breiter das Einsatzspektrum der Sensoren und desto höher die Messsicherheit. Der neue Radarsensor für Flüssigkeitsanwendungen besitzt einen Signal-Rausch-Abstand von 120 dB – weit höher als alle bisher verfügbaren Geräte. Das bedeutet, dass Medien mit geringen Reflexionseigenschaften, also kleinen Dielektrizitätszahlen, deutlich besser gemessen werden können als mit bisherigen Radarsensoren. Aber auch bei Schaum, extrem turbulenten Füllgutoberflächen, Kondensat oder Anhaftungen an der Antenne, misst der Vegapuls 64 durch die höhere Messsicherheit noch zuverlässiger.

Durch die neue Technik lässt sich auch der Füllstand sehr nah am Behälterboden genau bestimmen. Dies eröffnet neue Perspektiven in kleinen Behältern in der Pharma- und Biotechindustrie, aber auch um beim Ermitteln der Restmenge in Großtanks mit Treibstoffen. Die Genauigkeit liegt bei +/- 2 mm, selbst bei einem Messbereich von 30 m.

Große Frequenz für kleine Behälter
Der Trend in der chemischen Industrie geht hin zu kleineren Chargen. Das zieht auch ein reduziertes Volumen bei Apparaten und Behältern nach sich. Allerdings stießen Anwender, nicht nur in Technikums- und Pilotanlagen, immer wieder an Grenzen, wenn sie eine Radarfüllstandmesstechnik in sehr kleinen Anlagen einsetzen wollten. Vor allem die Blockdistanz des Sensors, die Größe und das Design der Antennen, aber auch die Messunsicherheit am Behälterboden führten dazu, dass oft die Wägetechnik oder Druckmessumformer zum Einsatz kamen.  

Beim Vegapuls 64 kann nun das Antennensystem in den Prozessanschluss integriert werden. Da keine Antenne in den Behälter hineinragt, ist es möglich, bis dicht an den Prozessanschluss zu messen. Dies gibt mehr Flexibilität, da das gesamte Behältervolumen ausgenutzt werden kann. Dank des fokussierten Messstrahls ist der Einsatz auch in Behältern mit Heizschlangen und Rührwerken deutlich einfacher geworden.

Die berührungslos messende Radarfüllstandmesstechnik hat in den vergangenen Jahren viele Anwendungen in der chemischen Industrie erobert. Der große Vorteil der Radartechnik ist die Unabhängigkeit von Prozesseinflüssen wie Temperatur, Druck oder Dichte. Mit dem neuen Messumformer lassen sich nun auch Füllstände in solchen Anwendungen erfassen, bei denen die baulichen Voraussetzungen bisher nicht gegeben waren. 

Breiter Einsatzbereich
Der neue Radarfüllstandsensor eignet sich für den Einsatz in der chemischen Industrie, aber auch – aufgrund hygienegerechter Werkstoffe und Konstruktion – für die Pharma- und Lebensmittelindustrie. Entsprechende Zulassungen nach EHEDG (European Hygienic Engineering & Design Group), FDA (US Food and Drug Administration) und 3A (Hygienedesign für die Pharma- und Food-Industrie der amerikanischen Sanitary Standards Inc.) stehen zur Markteinführung bereit.

Ein weiterer Pluspunkt für die stark regulierte Branche: Da bestehende Prozessanschlüsse verwendet werden können, lässt sich der neue Sensor einfach auf dem vorhandenen Anschluss installieren. Zur Markteinführung stehen aseptische Prozessanschlüsse zur Verfügung, bei denen nur PTFE als medienberührender Werkstoff dient. Da die Radarsignale Schaugläser oder Glasbehälter durchdringen, kann der Sensor teilweise sogar außerhalb des Behälters montiert werden. Auch dies ist mit der höheren Sendefrequenz deutlich einfacher geworden – eine Lösung, die gerade für den Pharma- und Lebensmittelbereich sehr interessant ist. 

Dank seiner kleinen Antenne – der Durchmesser der kleinsten Ausführung ist nicht größer als ein 1-Euro-Stück – und des daraus resultierenden kleinen Prozessanschlusses ist der Sensor auch für baulich beengte Verhältnisse eine interessante Alternative. So eröffnen die Sensoren auch Einsatzmöglichkeiten in Technikums- und Laboranlagen, in denen bisher auf die Radarfüllstandmesstechnik aus Platzgründen verzichtet werden musste.

Fit für Flüssiggas
In einigen Branchen gehen die spezifischen Sicherheitsanforderungen weit über das hinaus, was etwa durch den TÜV oder den Gesetzgeber vorgegeben ist. Besonders groß ist das Sicherheitsbedürfnis in der mineralölverarbeitenden Industrie, zum Beispiel bei der Lagerung von Flüssiggas in Kugeltanks. Dank der hohen Signalbündelung des neuen Sensors eröffnen sich für die Radarmesstechnik nun neue Einsatzgebiete.  

Zum Hintergrund: In Erdölraffinerien gibt es immer häufiger die strikte Vorgabe, dass ein Sensor generell auf einem Kugelhahn zu montieren ist. So soll sichergestellt werden, dass sich der Sensor auch im laufenden Betrieb sicher und einfach austauschen lässt. Diese Einbausituation hat VEGA für Radarsensoren zur Füllstandmessung bisher nicht empfohlen, da der zusätzliche Stutzen und der Kugelhahn selbst große Störreflexionen im Nahbereich verursachen. Vor allem, wenn der Sensor zur Erkennung einer Überfüllung eingesetzt wurde, konnten die relativ kleinen Echos des Mediums durch das starke Rauschen im Nahbereich nicht optimal erfasst werden.

Beim Vegapuls 64 ist der Einfluss durch den Kugelhahn deutlich geringer, da der Sensor über eine erheblich bessere Signalbündelung verfügt und so der Stutzen und Kugelhahn weitaus weniger reflektieren. Dank der höheren Frequenz von 80 GHz ergeben sich deutlich mehr Einsatzmöglichkeiten auf Absperrorganen als bisher.

Bei Schüttgütern bewährt
Im Oktober 2014 wurde mit dem Vegapuls 69 ein Sensor zur kontinuierlichen Messung von Schüttgütern eingeführt. Auch der misst statt der bis dahin weit verbreiteten Frequenz von 26 GHz mit einer um den Faktor 3 höheren Sendefrequenz. Der Markt gibt diesem technologischen Trend Recht. Die Geräte bewähren sich besonders bei Medien, die über schlechte Reflexionseigenschaften verfügen, in Förderschächten von bis zu 120 m Tiefe oder in Silos mit vielen Einbauten, die erhebliche Störsignale verursachen.

Der große Erfolg des Schüttgutradarsensors und die jetzige Markeinführung des Vegapuls 64 im Flüssigkeitsbereich gibt die Richtung der technologischen Entwicklung in der Radarfüllstandmessung vor. An einer Radarmesstechnik mit einer Frequenz von 80 GHz führt kein Weg vorbei. 

Bedienung über Bluetooth
Auch für die Gerätebedienung hat Vega sich etwas Neues ausgedacht. Die neuen Füllstandsensoren lassen sich - genauso wie alle anderen Geräte der Plics Geräteserie - jetzt neben der gewohnten Bedienung am Gerät auch mit einem Bluetooth-Modul und einer speziellen App über Smartphones einfach aus der Ferne bedienen. Die drahtlose Bluetooth-Kommunikation eignet sich für alle Branchen und ist insbesondere für schwer zugängliche Stellen, raue Industrieumgebungen und Ex-Bereiche interessant. Das neue Modul ist abwärtskompatibel und lässt sich für die gesamte installierte Basis von über 1,5 Millionen Plics-Sensoren nutzen, die seit 2002 in Anlagen rund um den Globus im Einsatz sind – über alle Messprinzipien hinweg, ohne Softwareupdate und mit der bewährten Bedienstruktur.

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