Anlagenbau & Prozesstechnik

Life Cycle Management – das unbekannte Wesen

Ein kritischer Blick auf aktuelle Entwicklungen bei der Geräteintegration

14.10.2014 -

Die Chemie mit ihren langen Anlagenlaufzeiten ist an investitionssicheren Lösungen interessiert. Trotzdem - oder deshalb - geht es mit manchen investitionserhaltenden Maßnahmen - zum Beispiel dem Life Cycle Management - nur schleppend voran. Dr. Christine Eckert sprach im CHEManager-Interview mit Günter Kech, Geschäftsführer von VEGA darüber, welche neuen Entwicklungen es bei der Geräteintegration und dem Life Cycle Management gibt, was noch im Argen liegt und warum das Thema bei den Anwendern offensichtlich noch nicht richtig gezündet hat.

CHEManager: Was bedeuten die unterschiedlichen Geräteintegrationstechnologien für die Praxis?

Günter Kech: Für die computergestützte Bedienung digital kommunizierender Geräte und Sensoren existieren bereits seit vielen Jahren verschiedene Technologien, die jeweils mit unterschiedlichen Programmierwerkzeugen zu entwickeln sind und ferner unterschiedliche Bedienprogramme beim Kunden erfordern. Die Phase der vielen proprietären Bedienprogramme ist größtenteils vorbei. Trotzdem haben sich die Hersteller und Kunden heute noch mit verschiedenen standardisierten Technologien auseinanderzusetzen.

Die EDD-Technologie, die Electronic Device Description aus den 90er-Jahren, wird heute vor allem von den großen Herstellern getrieben und hat speziell im Bereich einfacher Geräte mit relativ geringem Funktionsumfang ihre Berechtigung. Die seit Anfang 2000 vorhandene FDT, die Field Device Technology, wird heute von einer Firmengruppe unterstützt, die ca. 90 Mitglieder umfasst. Sie bietet erheblich mehr Flexibilität, wenn es darum geht, komplexere Bedienungen zu realisieren oder proprietäre Kommunikationsprotokolle einzubinden.

...und für den Gerätehersteller?

Günter Kech: Der Gerätehersteller hat das Problem, dass er seine Geräte beim Endkunden einmal mit EDD, einmal mit FDT integrieren muss. Zukünftig kommt noch FDI, die Field Device Integration, hinzu. Dies führt dazu, dass für ein und dasselbe Gerät die Gerätebeschreibung mehrfach erstellt werden muss und mehrere unterschiedliche Bedientools daraus zu entwickeln und zu pflegen sind, die funktional weitestgehend das Gleiche leisten. Bei rund 200 unterschiedlichen Gerätetypen, die wir gegenwärtig anbieten, ist leicht erkennbar, dass individuelle Implementierungen in den jeweiligen, technologisch unterschiedlichen Bedienprogrammen sehr aufwändig werden.

Es ist kein Geheimnis, dass VEGA bei der Geräteintegration der FDT-Technologie den Vorzug gibt. Warum ist das so?

Günter Kech: Mit den DTM, den Device Type Managern für FDT, können wir einfach alles machen. Unsere Radarmessgeräte, bei denen wir mit grafischen Oberflächen arbeiten, erfordern eine gewisse Funktionalität. Das bietet uns FDT. Mit dem universellen Konfigurations- und Parametrierwerkzeug Pactware lässt sich bereits heute ein sehr komfortables Life Cycle Management realisieren. Die Software ermöglicht es, ins Gerät hineinzuschauen. Und das geht übrigens nirgends so einfach wie bei uns.

Was ändert sich mit FDT 2.0?

Günter Kech: Die Technologie geht mit der Zeit. FDT 2.0 läutet den Wechsel von .COM-Technologien zu .NET-Technologien ein, wie Microsoft es vorgemacht hat. Dies ermöglicht es unter anderem, DTMs optimal zu gestalten.

Vor allem in punkto Interoperabilität hat sich viel getan. Die Systeme laufen immer stabiler und können jetzt, nicht mehr nur auf dem Papier, verschiedene DTMs von verschiedenen Herstellern verarbeiten. Das liegt zum einen an einer schärferen Zertifizierung, zum anderen auch an den regelmäßigen Interoperabilitätstests der Hersteller. Trotz der Komplexität, sehr vielen Netzwerken und DTMs verschiedenster Hersteller unterschiedlichster Art und Qualität spielt alles immer besser zusammen.

Die Common Components, die dem DTM und dem Toolhersteller eine gemeinsame Komponente aufzwingt, bringen die Stabilität und Interoperabilität nochmals deutlich voran. Auch eine Anpassung an moderne Bedienstrukturen soll es geben, die sich optisch an Office 2010 orientieren könnten. Die neue Version bringt auch Client Server-Strukturen, vielleicht schon als Vorbote für zukünftige Topologien.

Auch die diagnostischen Fähigkeiten von PACTware haben sich weiterentwickelt. Neben der Schlüsselfunktion „einfache Bedienung", können Anwender zum Beispiel per Diagnosescan ihr Netzwerk systematisch nach Problemen absuchen.

Wann können Kunden von VEGA mit den ersten FDT 2.0-DTMs rechnen?

Günter Kech: Ohne PACTware 5.0 keine DTMs für FDT 2.0. Durch unsere historische Verknüpfung macht es für uns nur Sinn, DTMs erst dann anzubieten, wenn das neue Release der Rahmenapplikation auf dem Markt ist.

Wird die neue DTM Collection für FDT 2.0 abwärtskompatibel sein oder müssen die Anwender wieder bei null anfangen?

Günter Kech: Das wäre eine Katastrophe! Jede neue DTM Collection von VEGA ist 100 % abwärtskompatibel und deckt alle älteren Versionen ab. Der Kunde braucht keine verschiedenen DTMs für verschiedene gleichnamige VEGA-Geräte. Die Software sucht sich sogar noch ganz alleine den richtigen DTM, je nachdem wie das Gerät angeschlossen ist. Das gibt es so bei vielen anderen nicht. Die meisten Hersteller führen bei einer neuen Revision einfach einen eigenen neuen DTM ein.

Sie erwähnten das Stichwort Diagnose. Direkt im Prozessleitsystem findet sie so gut wie gar nicht statt. Woran hapert es?

Günter Kech: Auf der einen Seite gibt es die FDT-, auf der anderen Seite die EDD-Welt. Die Chemie, die Geräte mixen will, hat immer mit diesen beiden Welten zu kämpfen. Es scheitert daran, dass die Hersteller sich nicht auf einen gemeinsamen Standard geeinigt haben. Studien zeigen, dass sich mit vorausschauender Wartung erhebliche Einsparungen erzielen lassen. Die restlichen Branchen haben sich über solche Dinge wahrscheinlich noch nicht so viele Gedanken gemacht. Das Thema Life Cycle Management hat bei den Kunden noch nicht richtig gezündet.

Wer einem Sensor „auf den Zahn fühlen möchte", arbeitet mit einer Bediensoftware. Bei uns und vielen anderen, die FDT einsetzen, ist es PACTware. Viele Betreiber sind froh, wenn die Anlagen sauber laufen. Sie nehmen es in Kauf, wenn es an der einen oder anderen Stelle ab und zu klemmt. Die sicherheitsrelevanten Anlagenteile sind sowieso redundant. Normalerweise halten die Sensoren ja, vielleicht nicht ewig, aber sehr, sehr lange. Wenn ein Sensor ausfällt, wird er einfach getauscht und es gibt trotzdem keinen Produktionsstillstand. Das ist gängige Praxis.

Was muss passieren, damit sich hier etwas bewegt?

Günter Kech: In der NE107 „Selbstüberwachung und Diagnose von Feldgeräten" hat die NAMUR für die Diagnose vier Statusmeldungen definiert. Wenn dies normiert ist, kann man diese über das PLS sehr leicht abfragen. Die standardisierte Diagnose ist aber bei vielen Sensoren und Aktoren noch nicht durchgängig verfügbar. Es braucht einfach sehr lange Zeit, bis jemand den Mut fasst und sagt, er investiert, um vorsorglich langfristig zu sparen. Ob das mit börsennotierten Unternehmen überhaupt funktioniert, stelle ich generell in Frage.

Was unternimmt VEGA, um den Kunden das Leben zu erleichtern?

Günter Kech: Unser Ziel ist es, den Entwicklungs- und Testaufwand für künftige Gerätebedienungen für EDD-, FDT-Technologie oder zukünftige Technologien wie FDI, auf ein Minimum zu reduzieren. Dies erreichen wir dadurch, dass das Erfassen der Gerätebeschreibung künftig nur einmalig in einem speziell dafür geeigneten Editor in standardisierter Weise erfolgt. Der Schlüssel dazu ist die EDD/DTM-Suite von VEGA.

Basierend auf FDT wurde durch den Einsatz einer sogenannten DTM-Runtime ein Universal-DTM generiert, der die geräteabhängigen individuellen Merkmale zur Laufzeit aus einer Datenbank - der allgemeinen Gerätebeschreibung - entnimmt. Der eigentliche FDT-Kern, die Kommunikationsfunktionen und die Objekte für das grafische Benutzerinterface (GUI) ind für alle DTMs identisch.

Durch diese Strategie entfällt die Notwendigkeit, eine Vielzahl unterschiedlicher DTMs als Programmcode vorzuhalten, die teilweise identische Funktionen anbieten. Ferner verringert dieses Vorgehen die Gefahr, dass Optimierungen oder Funktionserweiterungen versehentlich nicht in allen DTMs implementiert werden und der bisher auf hohem Niveau angesiedelte Testaufwand kann deutlich gemindert werden.

Welche Vorteile bietet die EDD/DTM-Suite von VEGA?

Die Entscheidung, die beiden Ziele „gemeinsame Gerätebeschreibung für EDD- und DTM-Technologie" und „DTM-Runtime" in einem Projekt zusammen abzuarbeiten, erweist sich als immenser Vorteil. Dadurch können für beide Aufgaben relativ hohe Freiheitsgrade genutzt werden, ohne auf bestehende Gegebenheiten Rücksicht nehmen zu müssen.

Die EDD/DTM-Suite ist ein Entwicklungswerkzeug, das es ermöglicht, dass die Gerätebeschreibung nur einmalig in einem speziell dafür geeigneten Editor definiert werden muss. Damit ist VEGA für die Zukunft bestens gerüstet. Zum einen, wird die wachsende Anzahl von Gerätebeschreibungen weiterhin optimal gepflegt, zum anderen werden die Anforderungen von zukünftigen Bedientechnologien quasi per Knopfdruck gemeistert. Der Kunde erhält von VEGA jederzeit die passende Gerätebeschreibung für sein favorisiertes Bedienprogramm und diese mit hohem Qualitätsstandard.

Wie funktioniert das genau?

Günter Kech: Das Kernstück der EDD/DTM-Suite besteht aus der zentralen Datenbank. In dieser Datenbank werden alle Darstellungs- und Kommunikationseigenschaften der Bedienoberflächen bzw. Gerätetreiber für die Zielgeräte gehalten. Die zentrale Datenbank enthält die Gerätebeschreibungen unabhängig von der zu generierenden Zielumgebung (FDT-Frames, EDD-Frames und zukünftige Technogien wie FDI-Packages). Die Speisung, also das Füllen der zentralen Datenbank mit Informationen, erfolgt mit Hilfe des EDD/DTM-Editors. Dieser dient auch als Entwicklungsumgebung zur Konvertierung der relevanten Daten für die Gerätebeschreibung für DTM-Runtime (XML-Tabellen), Gerätebeschreibung für EDD oder auch in Zukunft Gerätebeschreibungen für FDI.

Wie steht VEGA zum Thema FDI?

Günter Kech: Unser Fokus liegt nach wie vor auf FDT. FDI ist ja noch gar nicht wirklich marktreif. Denn dazu müsste man einen Rahmen haben, in dem es laufen kann. Realistisch betrachtet, wird es in den nächsten zwei Jahren seitens der Kunden keinen großen Bedarf an FDI geben. Es ist noch zu früh.

Trotzdem ist FDI ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung bei der Geräteintegration endlich zu einem einzigen Standard zu kommen, und das unterstützen wir auch. Aber aus meiner Sicht ist, und das ist jetzt unpopulär, FDI auf lange Sicht nur eine weitere Methode Life Cycle Management zu betreiben. Wir müssen auf absehbare Zeit mit drei Technologien leben. Wir reden über eine installierte Basis von Hunderttausenden von Geräten, die wir nicht ignorieren dürfen. Durch die langen Laufzeiten der Anlagen entsteht aus einer bisherigen Zweigleisigkeit eine Dreigleisigkeit. Insofern sind wir als Sensorhersteller nicht begeistert. Uns wäre es lieber gewesen, wenn es FDT geworden wäre. Wir als VEGA fühlen uns mit dem FDT-Standard sehr wohl. Eine gewisse Standardisierung ist da, aber einen einzigen Standard wird es erst geben, wenn FDI hält, was es verspricht und die installierte Basis abgelöst ist. Den Berg dürften wir frühestens 2025 überwunden haben.

Warum geht es Ihrer Meinung nach mit FDI nicht so richtig vorwärts?

Günter Kech: Die Integration von FDI für einen PLS-Hersteller macht nur Sinn, wenn alle angeschlossenen Sensoren und Aktoren das verstehen. Firmen wie wir, die Füllstand und Druck machen, müssen das alles bieten. Erst dann kann man sich trauen, diese Technologie einzusetzen. Das dauert von heute gesehen, Jahre. Deshalb machen wir keinen Wind um FDI, weil wir wissen, wie langsam es in der Praxis vorangeht. Wenn FDI gebraucht wird, sind wir da, gar keine Frage. Wir haben Gott sei Dank einen Editor, die bereits erwähnte zentrale Datenbank, die die Übersetzung eines DTMs oder einer EDD für uns macht. Damit können wir, auch mit einigermaßen überschaubarem Aufwand FDI-Packages erzeugen.

Aber unsere Energie stecken wir zurzeit nach wie vor in FDT, da wissen wir, dass es benutzt wird. Wir beobachten das Geschehen, haben aber noch keine Code-Zeile geschrieben. Weil auch die Spezifikationen unserer Meinung nach noch nicht ganz fertig sind. Wir sehen das Thema sehr gelassen. Wir müssen nicht die Ersten sein.