Anlagenbau & Prozesstechnik

Ohne die Mitarbeiter geht es nicht!

Umsetzung von Operational-Excellence-Programmen in der Prozessindustrie

16.01.2017 -

Operational-Excellence-Konzepte auf Shop-floor-Ebene auszurollen und die damit verbundenen Potenziale zu realisieren, ist eine Schlüsselaufgabe für das Top-Management. Besondere Herausforderungen liegen dabei in der Ausweitung von Operational-Excellence-Methoden über funktionale Schnittstellen hinweg und in der Verbindung mit unternehmensinternen Digitalisierungs-Programmen.

Die kontinuierliche Verbesserung der operativen Leistung ist für alle Bereiche der Prozessindustrie eine unabdingbare Voraussetzung, um in der volatilen und globalisierten Wettbewerbssituation bestehen zu können. Nahezu alle Unternehmen haben daher dedizierte Operational-Excellence-Programme ins Leben gerufen, die Kosten reduzieren, Produktivität erhöhen sowie Servicequalität und Sicherheit verbessern sollen. Obwohl die zugrundeliegenden Konzepte keineswegs neu sind, tun sich viele Unternehmen schwer, Operational Excellence effektiv einzuführen, und verfehlen die ursprünglich anvisierten Ziele zur Produktivitätssteigerung.

Unsere kürzlich in Kooperation mit der Mannheim Business School durchgeführten Recherchen legen nahe, dass die größten Hürden für die erfolgreiche Etablierung von Operational-Excellence personenbezogen sind. Die im Rahmen der Studie durchgeführte Expertenbefragung hat ferner ergeben, dass die kommenden Herausforderungen von Operational-Excellence-Programmen im Ausbau von Wissensmanagement, der Ausweitung von Operational-Excellence-Methoden über funktionale Schnittstellen hinweg und in der in der Verbindung mit unternehmensinternen Digitalisierungs-Programmen liegen werden. Befragt wurden 15 Experten aus chemischen, pharmazeutischen und Nahrungsmittelunternehmen, zu denen neben großen DAX und MDAX-notierten Unternehmen der Prozessindustrie u.a. auch Boehringer Ingelheim, Freudenberg Performance Materials, klöckner pentaplast, Sanofi oder Symrise gehören.

OpEx: Unterschiede bei Chemie, Pharma und Food

Das facettenreiche Schlagwort „Operational Excellence“ umfasst verschiedene bewährte Konzepte und noch mehr Methoden und Werkzeuge, um die Leistungsfähigkeit der Produktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette voranzutreiben. In der Prozessindustrie wird neben den bekannten Lean-Management-Methoden ein besonderer Fokus auf Asset-Management und Automatisierung gelegt. Die unternehmensspezifischen Management- oder Produktionssysteme setzen sich jeweils aus einer als besonders passend empfundenen Kombination dieser Konzepte und Methoden (OpEx Tool-Box) zusammen.

Unsere Recherchen haben gezeigt, dass die Anwendung von Operational Excellence einem branchenspezifischen Muster folgt, abhängig von den entsprechenden Schwerpunkten entlang der Wertschöpfungskette. Wenig überraschend liegt der gemeinsame Kern von Operational-Excellence in der Optimierung der Produktion. Während  der Fokus in Chemieunternehmen jedoch weitgehend auf diesen Bereich beschränkt bleibt, weiten Pharmaunternehmen ihre Operational-Excellence-Aktivitäten insbesondere auf Forschung und Entwicklung aus, während nahrungsmittelverarbeitende Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick nehmen und einen besonderen Schwerpunkt auf die Optimierung der Supply-Chain- und Distributionsprozesse legen.

Es sind Menschen, die Operations exzellent machen

Bei der Frage nach den Herausforderungen für die Implementierung von Operational-Excellence-Programmen haben unsere Gesprächspartner insgesamt 24 verschiedene Aspekte identifiziert, die sich in drei unterschiedliche Kategorien einteilen lassen:

•           Personenbezogene Herausforderungen: Diese Kategorie ist nach einheitlicher Auffassung die mit Abstand bedeutendste. Sie beinhaltet alle Hürden, die durch Mitarbeiter der verschiedenen Hierarchiestufen aufgebaut werden. Dazu zählen z.B. geringe Beteiligung an den kontinuierlichen Verbesserungsprozessen bis hin zu offenem Widerstand durch die Mitarbeiter, fehlende Unterstützung durch die Führungskräfte, unzureichendes Training und Qualifizierung sowie Kommunikationsdefizite und Missverständnisse.

•           Ressourcenbezogene Herausforderungen: Hier wird die Operational-Excellence-Einführung durch unzureichende oder falsche Ressourcenzuteilung untergraben. Diese kann bereits in der Konzeptionsphase durch Unterschätzung insbesondere des Change- und Coaching-Aufwands begründet liegen oder die Folge einer Programmausweitung ohne entsprechende Ressourcenanpassung sein.

•           Prozessbezogene Herausforderungen: Diese entstehen durch Fehler im Prozessdesign des Operational-Excellence-Programms. Insbesondere unklare Rollen und Verantwortlichkeiten, eine übermäßig komplizierte OpEx Tool-Box, mangelnde Flexibilität in der betriebsspezifischen Umsetzung oder eine unrealistische Zeitplanung können die Einführung von Operational Excellence schnell ins Leere laufen lassen.

Unternehmen, die Operational Excellence erfolgreich einführen, adressieren die oben genannten Herausforderungen sehr früh im Implementierungsprozess, indem sie das Engagement der Führungskräfte sicherstellen, Komplexität reduzieren und die Mitarbeiter bereits in der Konzeptentwicklung bzw. -anpassung aktiv einbinden.

Führungskräfte müssen führen

Führungskräfte spielen eine entscheidende Rolle bei der Einführung von Operational Excellence und der Erhaltung einer lebendigen Kultur der kontinuierlichen Verbesserung. Eine motivierende Rede zu Beginn des Implementierungsprozesses und ein gelegentlicher Besuch in der Messwarte oder Werkstatt reichen jedoch nicht aus, um den nötigen Kulturwandel zu initiieren, geschweige denn in einen sich selbst tragenden Prozess zu überführen. Im Gegenteil: Führung, die auf der Ebene gelegentlicher PowerPoint-Präsentationen stehen bleibt, erweist sich in Hinblick auf Operational-Excellence-Implementierung kontraproduktiv. Führungskräfte müssen die Ärmel hochkrempeln, zeigen, dass sie es ernst meinen, und ihren Fokus auf die richtigen Stellschrauben legen.

•           Der Organisation einen „Leitstern“ geben: Die langfristigen Ziele und strategische Ausrichtung der Operational-Excellence-Initiative müssen für alle Beteiligten sehr klar sein. Aufgabe des Managements ist es, diese Klarheit durch Ausarbeitung und Kommunikation einer in die allgemeine Geschäftsstrategie eingebetteten Operational-Excellence-Strategie herzustellen, aus der die entsprechenden BU- bzw. betriebsspezifischen Schwerpunkte abgeleitet werden können (z. B. Output, Produktionskosten, Produktqualität oder Liefergeschwindigkeit). Diese Strategie gilt es als Leitstern für die gesamte Organisation zu verankern.

•           Ständige Nachfassaktionen: Operational-Excellence-Programme benötigen einen stringenten Performance-Management-Prozess, der die Auswirkungen und Effizienz der Operational-Excellence-Programme überwacht. Nachfassen sollte jedoch nicht darauf beschränkt sein, die Zahlen zu prüfen, sondern als Führungskraft dabei zu helfen, Hürden aus dem Weg zu räumen und guten Ideen den Weg in die Umsetzung zu ebnen. Regelmäßige Besuche vor Ort und Beteiligung an operativen Herausforderungen demonstrieren die Entschlossenheit der Managementebene.

Weniger ist mehr

Ein häufig begangener Fehler ist es, Operational Excellence rein aus technischer Sicht zu betrachten. Das Resultat ist ein Blick mit Scheuklappen auf Methoden und Tools, der die enorme Bedeutung von Change-Management und Kulturwandel bei den Mitarbeitern übersieht. Der Methodenfokus führt zudem häufig zu einer überladenen und für die Mitarbeiter kaum zu handhabenden OpEx Tool-Box. Die Erfahrung zeigt, dass es wesentlich effektiver ist, mit einem begrenzten Set von einfachen Methoden und Werkzeugen zu starten.

•           „Rosinenpicken“ bei der OpEx Tool-Box: Individualisieren Sie ihre Tool-Box, indem Sie sich funktionsspezifisch auf wenige Methoden mit hohem Mehrwert für Ihr Unternehmen konzentrieren. Entgehen Sie der Versuchung, Ihre Mitarbeiter mit einer breiten Palette immer wieder neu zu erlernender Methoden und Werkzeugen zu überschwemmen und sie dadurch zu verwirren und letztendlich zu demotivieren.

•           Sorgen Sie für klare Rahmenvorgaben: Schaffen Sie einen Rahmen, der auf klar kommunizierbaren Zielen beruht und der Ihren Mitarbeitern weitgehenden Freiraum für die Erarbeitung von Lösungen lässt. Kümmern Sie sich um das, was Sie erreichen wollen, nicht um das Wie.

Binden Sie Mitarbeiter wirklich ein

Erfolgreiche Operational-Excellence-Einführung geht mit einem Wandel der Firmenkultur, der Denkweisen und der eingeschliffenen Arbeitsroutinen einher. Ein solcher Kulturwandel kann nicht erzwungen werden, sondern muss aus dem Inneren der Organisation herauswachsen. Die Mitwirkung jedes einzelnen Mitarbeiters zu gewinnen, ist daher eine zentrale Aufgabe aller Operational-Excellence-Programme.

•           Fördern Sie Kreativität „bottom-up“: Wenn die Mitarbeiter in den Operationseinheiten feststellen, dass ihre Ideen Wertschätzung erfahren, transparent beurteilt werden und - vor allem - tatsächlich umgesetzt werden, entsteht positives Feedback, das schließlich zu weiteren Ideen motiviert. Wenn Sie einen Weg finden, gute Ideen nicht nur mit Wertschätzung, sondern auch mit finanziellen Anreizen zu belohnen, kann der Effekt noch größer sein.

•           Setzen Sie spielerische Herangehensweisen ein: Ein sportlicher Wettbewerb zwischen verschiedenen Operational-Excellence-Teams, eine Art OpEx-Schatzsuche im Betrieb und andere „Gamification“-Ansätze können das kreative Potenzial Ihrer Mitarbeiter genauso beflügeln, wie die für jedermann sicht- und spürbare Visualisierung des erreichten Erfolgs.

Ausblick und zukünftige Trends

Die Expertenumfrage hat bestätigt, dass Operational Excellence nicht nur ein aktuelles Thema ist, sondern auch ein Zukunftsthema für die Prozessindustrie bleiben wird. Folgende vier Themen werden dabei verstärkt in den Fokus der Operational-Excellence-Programme rücken:

•           Funktionsübergreifende OpEx: Operational Excellence wird nicht auf Produktion im engeren Sinne begrenzt bleiben. In der Zukunft werden mehr Initiativen zu sehen sein, die die Schnittstelle zu den produktionsnahen Services, wie Instandhaltung, Logistik oder Analytik, überschreiten. Die Überbrückung der Kluft zwischen Produktion und Services durch funktionsübergreifende Optimierung wird neue, signifikante Verbesserungen hervorbringen.

•           Wissensmanagement: In dezentralen und globalisierten Organisationen wird der schnellen und effizienten Kommunikation von Best Practices eine steigende Bedeutung zukommen. Damit dies funktioniert, müssen sich Operational-Excellence-Programme mit effektivem Wissensmanagement verbinden. Die Bedeutung des Wissensmanagements wird mit der funktionsübergreifenden Ausweitung von Operational-Excellence-Initiativen weiter wachsen. Über die diversen Digitalisierungsinitiativen wird es Zugang zu einfach nutzbaren Kollaborations- und Networking-Plattformen finden, die Wissensmanagement effektiver und effizienter machen werden.

•           SGU: Verbesserungen des Arbeitsplatzes durch Operational-Excellence-Programme dürfen weder die Sicherheit und die Gesundheit des Mitarbeiters noch die Umwelt beeinträchtigen. Stattdessen werden SGU-Verbesserungen stärker in den Fokus von zukünftigen OpEx-Wellen rücken.

•           Digitalisierung: Zusammen mit der allgemeinen Weiterentwicklung der Industrie werden Operational-Excellence-Programme verstärkt IT nutzen und mit dem technologiegetriebenen Trend in Richtung Industrie 4.0 verschmelzen.

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