Anlagenbau & Prozesstechnik

Grüne Chemie am Start

Dexlechem entwickelt Verfahren zur Wiederverwendung chiraler Edelmetallkatalysatoren

22.01.2014 -

Das Berliner Unternehmen Dexlechem ging Anfang 2013 an den Start. Im vergangenen Dezember wurde das junge Start-up als einer von drei Preisträgern der Ideenphase des Science4Life Venture Cups (vgl. Interview mir Dr. Stefan Bartoschek, Science4Life) ausgezeichnet. Dr. Andrea Gruß sprach mit Geschäftsführerin Sonja Jost über die Geschäftsidee von Dexlechem, mit der sich moderne Pharmawirkstoffe kostengünstiger und zugleich umweltverträglicher herstellen lassen.

CHEManager: Frau Jost, Sie haben Dexlechem im Februar Jahr 2013 gegründet. Mit welcher Motivation?

Sonja Jost: Anlass zur Gründung waren Forschungsergebnisse, die wir im Exzellenzcluster UniCat am Fachgebiet für Technische Chemie an der TU Berlin generiert hatten. Dabei ist es uns erstmals gelungen, industriell genutzte chirale Edelmetallkatalysatoren in wässrigen Systemen einzusetzen und unmodifiziert wiederzuverwenden. Bisher werden diese Katalysatoren in erdölbasierten Lösungsmitteln hergestellt und mit hohem Aufwand recycelt.
Ich wollte nicht, dass die Ergebnisse in der Schublade verschwinden, sondern industriell genutzt werden. Vor 20 Jahren hätten wir wahrscheinlich noch viele Klinken putzen müssen, bis ein Unternehmen über die Implementierung der Methode nachgedacht hätte. Heute ist das Interesse an nachhaltigen Produktionsverfahren sehr groß und die Industrie steht der Produktion mit Wasser offener gegenüber. Unsere Gründung ist daher auch ein Produkt der Zeit.

Inwiefern leisten Sie mit Ihrer Entwicklung einen Beitrag zur nachhaltigen Chemie?

Sonja Jost: Die zwölf Prinzipien der „Green Chemistry" von Prof. Paul T. Anastas und Prof. John C. Warner hängen bei uns im Büro. Wir haben sie bei unseren Entwicklungen stets vor Augen und orientieren uns daran. So benötigen wir z.B. für unser Verfahren auch eine organische Phase, die sehr schlecht in Wasser löslich ist. Bei ihrer Auswahl achten wir darauf, dass wir ungiftige und umweltverträgliche Lösungsmittel verwenden.
In der Industrie wird sich jedoch kein Verfahren durchsetzen, das nicht auch einen Kostenvorteil generiert. Auch diesen Faktor haben wir bei unseren Entwicklungen klar im Fokus. Chirale Edelmetallkatalysatoren kosten heute 40.000-200.000 €/kg und konnten bislang nur für einen Reaktionszyklus eingesetzt werden. Mit unserem Verfahren lassen sich 45-80% der Katalysatorkosten einsparen.

Wo werden diese Katalysatoren eingesetzt?

Sonja Jost: Zum Beispiel bei der Produktion von Duft- oder Pharmawirkstoffen. Hier gibt es viele chirale Moleküle, die nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip funktionieren, und für die es eine zweite, spiegelbildliche Strukturvariante gibt. Bild und Spiegelbild einer chiralen Verbindung bilden ein sog. Enantiomerenpaar. Meist zeigt nur ein Enantiomer die gewünschte Wirkung. In einigen Fällen wirkt die spiegelbildliche Struktur sogar toxisch auf den menschlichen Organismus. Deswegen ist es wichtig, dass man gezielt nur die gewünschte Struktur herstellt. Das gelingt u.a. mit Katalysatoren, die Ruthenium oder Rhodium und chirale Liganden enthalten. Doch die Herstellung dieser Katalysatoren ist kostenintensiv und die Katalysatoren konnten bislang nur für einen Produktionszyklus eingesetzt werden. Denn bei den Produktionsbedingungen in organischen Lösungsmitteln zersetzt sich der unter diesen Bedingungen thermisch instabile Katalysator bei der Destillation. Lediglich der Edelmetallanteil kann destillativ zurückgewonnen und mit hohem Aufwand recycelt werden.

Das ändert sich durch den Einsatz Ihres Verfahrens...

Sonja Jost: Genau. Mit dem Verfahren von Dexlechem kann die Katalyse in Wasser durchgeführt und der Edelmetallkatalysator durch Extraktion wiedergewonnen werden. Katalysator-Re-using ist ressourcenschonender als Recycling, denn der Katalysator kann für bis zu fünf Zyklen bei gleicher Aktivität eingesetzt werden. Der Aktivitätsverlust von chemischen Katalysatoren war bisher der Hauptgrund, warum dieses verlässliche, aber zugleich kostenintensive Verfahren der chiralen Synthese in der pharmazeutischen Produktion häufig nicht zum Einsatz kam. Durch die Innovation ist es nun möglich, diese Katalysatoren mehrmals und ohne weitere Modifikation wiederzuverwenden.

Welche Bedeutungen haben diese Wirkstoffe für den weltweiten Pharmamarkt?

Sonja Jost: Etwa die Hälfte des weltweiten Medikamentenumsatzes entfällt auf Produkte mit chiralen Wirkstoffen, dazu zählen z.B. viele Antibiotika oder Virostatika. Und ungefähr 70% der neu zugelassenen Medikamente basieren auf enantiomerenreinen Wirkstoffen. Ein Drittel davon wird unter Einsatz von Edelmetallkatalysatoren hergestellt. Ein Drittel wird durch konventionelle Syntheseverfahren, z. B. ausgehend von einem natürlichen chiralen Ausgangsstoff, und ein Drittel dieser Medikamente wird biotechnologisch hergestellt.

Wer sind Ihre potenziellen Kunden? Welche Leistungen bieten Sie ihnen?

Sonja Jost: Unsere Kunden sind Pharma- und Generikaunternehmen, Pharmalohnhersteller sowie Duftstoffproduzenten. Wir bieten ihnen unterschiedliche Entwicklungsservices, um die Produktionsprozesse chiraler Verbindungen auf wasserbasierte Verfahren mit integriertem Katalysator-Re-using umzustellen. Dabei können sie zwischen Verträgen mit Festbeträgen für bestimmte Entwicklungsleistungen oder Lizenzmodellen wählen.

Wer hat die Entwicklung Ihrer Technologie bis zur Marktreife unterstützt?

Sonja Jost: Die Gründung von Dexlechem wurde durch die EXIST-Forschungstransfer Programme I und II des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unterstützt. Die Programme fördern forschungsbasierte Gründungsvorhaben, die mit aufwändigen und risikoreichen Entwicklungsarbeiten verbunden sind. Ich habe 2006 angefangen zu forschen. Im Februar 2013 habe ich Dexlechem mit drei weiteren Mitgesellschaftern gegründet. Zwei davon kenne ich bereits aus dem Studium, der dritte brachte als Interimsmanager langjährige Management- und Branchenerfahrung mit ins Team. Heute beschäftigen wir vier weitere Mitarbeiter, u.a. aus der Chemie, der theoretischen Physik und der Verfahrenstechnik.

Wie bewerten Sie die Bedingungen für Gründer?

Sonja Jost: Wir beobachten in Berlin grundsätzlich eine sehr enthusiastische Gründerszene. Man lernt hier unglaublich viele interessante Gründer kennen. Meiner Einschätzung nach sind auch die Bedingungen, z.B. für Gründungen im IT-Bereich, sehr gut. Überall gibt es Gründerbüros, in denen Leute ihre Geschäftsideen weiterentwickeln können. Benötigt ein Gründer jedoch - wie die meisten High-Tech-Gründungen in der Chemie - höhere Investitionen und gut ausgestattete Laborräume, um seine Idee zu verwirklichen, dann sind die Bedingungen katastrophal. Wir hatten Glück, dass wir in der Gründungsphase mit unserem Projekt an der TU Berlin untergekommen sind. Aktuell suchen wir jedoch nach neuen, bezahlbaren Laborräumen. Andere Gründungsprojekte bekamen gar nicht die Möglichkeit, ihre Idee bis zur Marktreife zu bringen, weil ihnen kein Labor zur Verfügung stand. Denn viele Förderprogramme greifen erst, wenn die Marktrelevanz einer Idee gezeigt wurde.

Es fehlt also an bezahlbarem Laborraum?

Sonja Jost: Ganz genau. Es gab bereits Pläne für ein Gründerzentrum mit Laborflächen in Berlin, doch die wurden nicht umgesetzt. Bayer Healthcare hat vor in diesem Frühjahr im Zentrum Berlins den Colaborator zu eröffnen. Ein Laborzentrum, das Platz für etwa zehn Start-up-Unternehmen bieten wird. Damit sind sie ein Vorreiter. An der FU Berlin wird zudem an einem ähnlichen Konzept geplant. Diese Initiativen sind äußerst wichtig, aber letzten Endes nur Tropfen auf den heißen Stein.
Wir produzieren in Deutschland am laufenden Band exzellente Wissenschaftler und dann fehlt es an den Laboren für die Umsetzung all ihrer guten Ideen. Das muss sich ändern. 

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