Anlagenbau & Prozesstechnik

Zementierte Lufthoheit

Staubförmige Güter mit Druckluft lockern, mischen und transportieren

27.06.2016 -

Im Zementwerk in Karsdorf gewährleisten mehr als 50 Schraubenverdichter und Drehkolbengebläse der Aerzener Maschinenfabrik eine störungsfreie Produktion.

Je vier große Aerzen Schraubenverdichter und vier Aerzen Drehkolbengebläse arbeiten in einer großen Halle als zentrale Station. Die übrigen Anlagen wurden dezentral installiert. Eines dieser Gebläse in der zentralen Station entstammt der Aerzen Baureihe Delta Hy­brid. In dieser „Drehkolbenverdichter“ genannten Baureihe wurden die Vorteile eines Drehkolbengebläses und eines Schraubenkompressors in einem überzeugenden Druckluft-Konzept verbunden. Im Dauerbetrieb ist ein Höchstdruck bis 1,5 bar erreichbar.

Druckluft überall
Der für die Produktion von Zement erforderliche Rohstoff Kalk wird in Karsdorf im werkseigenen Tagebau in unmittelbarer Nachbarschaft zum Zementwerk gewonnen, im Kalkstein­silo zwischengelagert und zusammen mit weiteren Zuschlägen in der Rohmühle vermahlen. Anschließend wird das Material mehlfein gemahlen und zur weiteren Homogenisierung pneumatisch in die Rohmehlsilos gefördert. Im Brennofen entsteht dann durch eine chemische Umwandlung – die sogenannten Sinterung – ein neues Produkt, der Zementklinker (Anmerkung: Die Brennöfen werden u. a. mit Braunkohlenstaub befeuert, der mit Förderluft aus Aerzen Schraubenverdichtern transportiert wird, während Aerzen Drehkolbengebläse zur Erzeugung der Verbrennungsluft in den Öfen eingesetzt werden). Der heruntergekühlte Klinker wird in Klinkersilos zwischengelagert, anschließend je nach Einsatzzweck mit weiteren Zuschlägen vermischt, in Zementmühlen zu sehr feinem Zement gemahlen und überwiegend per Silo-LKW abgefahren.
Nichts läuft in Karsdorf ohne Druckluft: Druckluft für den pneumatischen Rohmehltransport, aber auch zum Lockern und Mischen (Homogenisieren) in Silo-Anlagen. Diese Druckluft wird bedarfsabhängig entweder durch ölfrei verdichtende, luftgekühlte Aerzen Schraubenkompressoren (einsatzabhängiger Druckbereich 2,6 bis 3,3 bar) oder durch ölfrei verdichtende, luftgekühlte Aerzen Drehkolbengebläse (Höchstdrücken 0,6 bis 0,8 bar) erzeugt.
Bis zu einem Höchstdruck von 1 bar waren in der Vergangenheit Drehkolbengebläse die idealen Druckluft-Erzeuger. Sie haben sich in diesem Druckbereich und in den unterschiedlichsten Einsatzbereichen – auch im Dauerlauf unter Extrembedingungen – seit Jahrzehnten in vielen Branchen als Erzeuger absolut ölfreier Druckluft hervorragend bewährt. Jedoch galt 1 bar Höchstdruck für Drehkolbengebläse bisher als „Ende der Fahnenstange“. Im vielfach verlangten Druckbereich von 1 bar bis 1,5 bar mußte man deshalb bisher notgedrungen ölfrei verdichtende Schraubenkompressoren einsetzen. Deshalb hat die Aerzener Maschinenfabrik, ein erfahrener Hersteller von Drehkolbengebläsen (seit 1868) und von Schraubenverdichtern (seit 1943), hier den Hebel angesetzt und die Baureihe Delta Hybrid entwickelt. Mit diesen Aggregaten kann Druckluft nicht nur für den bisher schon möglichen Bereich bis 1,0 bar Höchstdruck, sondern auch für den bisher schwierig abzudeckenden Druckbereich von 1,0 bis 1,5 bar mit höchster Zuverlässigkeit und noch wirtschaftlicher erzeugt werden. Diese Anlagen wurden seit mehreren Jahren unter echten Praxisbedingungen getestet und zur Serienreife entwickelt. Ein Aggregat aus der Baureihe Delta Hybrid arbeitet seit Februar 2007 im Dauerbetrieb rund um die Uhr auch im Zementwerk in Karsdorf und hat sich dort auch unter den harten Bedingungen der Zementindustrie hervorragend bewährt.
Das Zementwerk in Karsdorf verfügt über drei Ofenlinien. In dieser Produktionskette übernimmt die Druckluft zwei zentrale Aufgaben: das Rohmehl wird in den Silo-Anlagen durch Druckluft pneumatisch aufgelockert und vergleichmäßigt (homogenisiert), über Dosier­anlagen in Fördersysteme eingetragen und – ebenfalls pneumatisch – über Rohrleitungssysteme zu den Brennöfen transportiert. Die in beiden Arbeitsbereichen erforderliche Druckluft wird durch luftgekühlte Anlagen der Aerzener Maschinenfabrik erzeugt, die in einer großen Halle gemeinsam aufgestellt sind:

  • Die Druckluft zur Auflockerung des Rohmehls im Vorratssilo und zur Homogenisierung wird von zwei im Dauerbetrieb arbeitenden Aggregaten geliefert, einem Aerzen Drehkolbengebläse und einem Aggregat aus der neuen Aerzen Baureihe Delta Hybrid. Ein drittes Gebläse steht als Redundanz, ein viertes Aggregat für andere Aufgaben zur Verfügung. Alle vier Aggregate arbeiten im Druckbereich von 0,6 bis 0,8 bar.
  • Die Druckluft für den Rohmehl-Transport und eine erneute Homogenisierung wird von vier großen ölfrei verdichtenden, luftgekühlten Aerzen Schraubenkompressoren des Typs VM 537 produziert (Liefermenge je 96,00 m3/min; bedarfsabhängiger Druckbereich 2,6 bis 3,3 bar): ein Kompressor liefert die Druckluft für den Transport, zwei Anlagen produzieren die Druckluft für die gleichmäßige Vermischung der Materialien (Homogenisierung), und ein Schraubenkompressor wird als Redundanz vorgehalten.

Alle Drehkolbengebläse und Schraubenverdichter arbeiten mit konstanter Drehzahl, dem aktuellen Stand der Technik bei ihrer seinerzeitigen Inbetriebnahme. Inzwischen haben sich in vielen Bereichen drehzahlgeregelte Anlagen durchgesetzt, weil sie immer nur so viel Druckluft produzieren, wie aktuell benötigt wird. Deshalb arbeiten diese über Frequenzumrichter bedarfsabhängig geregelten Anlagen in vielen Einsatzfällen mit einer noch höheren Energie-Effizienz als Anlagen mit fester Drehzahl. Für Dipl.-Ing. Günther Schlimm, Gruppenleiter Technische Versorgungsanlagen im Werk Karsdorf, steht fest, „daß wir deshalb bei einer Investitionsentscheidung für neue Aerzen Gebläse und Verdichter in jedem Einzelfall sehr sorgfältig prüfen werden, ob wir einer drehzahlgeregelten Anlage oder einer Anlage mit kon­stanter Drehzahl den Vorzug geben sollen.“

Drehkolbenverdichter aus der Baureihe Delta Hybrid
Im Februar 2007 bot die Aerzener Maschinenfabrik dem Zementwerk in Karsdorf zu Testzwecken ein Aggregat aus der neu entwickelten Baureihe Delta Hybrid an. Für eine möglichst hohe Auslastung wurde dieses Aggregat sofort in eine Ofenlinie integriert, wo im Havariefall die Versorgung auf ein Redundanz-Aggregat umgerüstet werden konnte. „Dieses Versuchsgebläse ist seit seiner Inbetriebnahme absolut problemlos im Dauerbetrieb aktiv und liefert Druckluft mit Höchstdruck 0,8 bar“, berichtet Günther Schlimm. Bis zu diesem Zeitpunkt arbeiteten drei der vier vorhandenen ­Aerzen Drehkolbengebläse zur Auflockerung und Homogenisierung des im Silo befindlichen Rohmehls nach folgendem Schema:

  • Jeweils ein Gebläse war einer der zwei Ofenlinien fest zugeordnet und lieferte die in diesem Bereich benötigte Druckluft zur Auflockerung und Homogenisierung des im Silo befindlichen Zementmehls.
  • Das dritte Aggregat wurde als Reserve vorgehalten und konnte bei Bedarf sowohl die Ofenlinie 3 als auch der Ofenlinie 4 versorgen.

Dieses Konzept gilt zwar im Prinzip noch heute. Allerdings wurde mit der Inbetriebnahme des neuen Delta Hybrid-Gebläses im Februar 2007 das alte Hauptaggregat einer Ofenlinie sofort vom Netz genommen.
Ein Wartungsvertrag wurde für die im Zementwerk Karsdorf installierten Aerzen Schraubenverdichter und Drehkolbengebläse nicht abgeschlossen. Laufende Wartungsarbeiten werden durch eigenes Personal durchgeführt. Lediglich umfangreichere Revisionen und Instandhaltungsarbeiten werden durch Mitarbeiter der Aerzen Service-Abteilung erledigt.