Anlagenbau & Prozesstechnik

Biodekontamination mit H2O2

19.01.2017 -

Die Nachfrage des Einsatzes von H2O2 Biodekontaminationstechnologien als komplementäre Massnahme zur manuellen Desinfektion wird ständig grösser. Aufgrund des Prozesses kann während der Dekontamination keine Aktivität in den zu dekontaminierenden Räumen stattfinden. In dieser Hinsicht ist die Optimierung von bestehenden und zukünftigen Zyklen eine zentrale Frage für ausgelastete Produktionsbereiche.

In einem früheren Artikel wurden die Vorteile einer maschinellen Dekontamination mittels H2O2 (mit oder ohne Zusatzwirkstoffen) als komplementäre Massnahme zur manuellen Desinfektion dargestellt und der Prozess grob beschrieben. Die Voraussetzungen für diesen Artikel sind leicht anders: Der Reinraumbetreiber plant, einige Bereiche mittels H2O2 zu dekontaminieren oder nutzt bereits H2O2 Technologien in bestehenden Reinräumen. In beiden Szenarien spielt allerdings der Produktivitätsdruck eine wesentliche Rolle. Die damit erhöhte Prozesssicherheit soll zu möglichst wenig Produktionsausfall führen und erhöht somit die Herausforderung des Dekontaminationsprozesses, um ihn effektiver und effizienter zu machen.

Bottom-up anstatt Top-down ­Vorgehensweise
H2O2 Dekontaminationszyklus kann in vier oder fünf Phasen unterteilt werden. In der ersten Phase wird das H2O2 Generator für die Dekontamination vorbereitet. Je nach Technologie kann die Länge dieser Phase variieren. Bei der zweiten Phase wird das H2O2 durch Begasung oder Verneblung in den Raum gebracht. Üblicherweise gibt es in Dekontaminationszyklen eine definierte Kontaktzeit (Phase 3), auf der die Belüftung (Phase 4 und 5) – Zersetzung von H2O2 in H2O und O2 – folgt, bis dass die Restkonzentration unter 1,0 bzw. 0,5 ppm ist für Europa respektive die Schweiz. Es gibt mehrere Hebel, um den Zyklus zu optimieren. Diese betreffen die Phasen 2 bis 5, auf welche später im Artikel eingegangen wird.
Entscheidend in der Zyklusoptimierung ist die ausgewählte Vorgehensweise. Wird einer Bottom-up oder Top-down Methodik gefolgt?
Bei der Top-down werden die Prozessparameter und Akzeptanzkriterien vom Dekontaminationszyklus vorab definiert. Im Rahmen eines Bottom-up Prozesses wird hingegen die Ausgangssituation analysiert und auf Basis dieser wird eine Risikoanalyse erstellt und erst dann die Akzeptanzkriterien und Prozessparameter zur Prozesssicherung bestimmt. Diese Variante bietet Platz für Optimierungen.

Optimierung von bestehenden Zyklen
Es gibt mehrere Massnahmen, um bestehende Zyklen zu optimieren. Die erste und einfachste liegt in dem Einsatz von (zusätzlichen) Katalysatoren, um das H2O2 in der Belüftungsphase (4 und 5) schneller zu zersetzen. Die Benutzung von der Lüftungsanlage für die selbe Phase ist zwar naheliegend, aber in der Realität nicht so einfach. Wird die Lüftungsanlage nicht im richtigen Moment eingeschaltet, kann sich die Zykluszeit sogar verlängern. Der Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage ist von mehreren Faktoren wie unter anderem Frischluft / Umluft-Verhältnis, Ort der Dekontamination (aus dem Raum oder technischem Bereich) und den Materialen im Lüftungssystem abhängig.
Die Entsorgung von unnötigen Saugmaterialen klingt zwar trivial, wird aber doch häufig vergessen. Es sollte vor einer Biodekontamination geprüft werden, ob der Grossteil der vorhandenen Saugmaterialen vorab fachlich und ordnungsgemäss entsorgt werden kann, um den zukünftigen Absorptionseffekt zu reduzieren. Diese Materialen werden während der Begasungs- / Verneblungs- und Kontaktzeit (Phase 2 respektive Phase 3) H2O2 aufsaugen und in der Belüftungsphase langsam wieder abgeben.
Diese drei Massnahmen verändern den Zyklus an sich eigentlich nicht. Der Zyklus wird hier durch diese Massnahmen verkürzt. Es besteht aber die Möglichkeit, den Zyklus neu zu entwickeln, um dessen Länge zu reduzieren (intrinsische Massnahmen). Hierfür muss eine Bottom-up Vorgehensweise stattfinden, in welcher die Anforderungen an den H2O2 Biodekontaminationsprozess pragmatisch und gemäss Risikoanalyse definiert werden.
Welche mikrobiologische Wirksamkeit ist erforderlich? Müssen unbedingt 10e6 Bioindikatoren zur Qualitätssicherung eingesetzt werden oder können anderen Massnahmen wie eine Restkontamination, 10e4 oder 5 Bioindikatoren definiert werden? Auch die Reproduzierbarkeit des neuen Prozesses muss evaluiert werden. Diese Elemente ermöglichen die Menge an im Raum verbrachten H2O2 zu reduzieren und unter Umständen sogar auf die Kontaktzeit zu verzichten. Die Belüftungszeit (Phase 4 und 5) ist in der Regel die längste Phase und je weniger H2O2 reingebracht wird, desto weniger lang muss dann zersetzt werden. Die Reduzierung der eingebrachten Menge an H2O2 und der Kontaktzeit (Phase 3) oder sogar ihrer Abschaffung wird den Absorptionseffekt – je nach Materialen – reduzieren und die Belüftungszeit demzufolge auch beschleunigen.

Optimierung von neuen Zyklen
Sollte der Reinraumbetreiber Um- oder Neubaumassnahmen und zukünftig in diesen Räumen den Einsatz einer H2O2 Biodekontamination planen, verfügt er über weitere Hebel, um die Zyklen zu optimieren. Die vorher angesprochenen Massnahmen gelten in diesem Fall auch.
Der erste zu betrachtende Aspekt ist, welche Technologie bzw. welches Verfahren soll zukünftig eingesetzt werden? Es gibt am Markt zwei Haupttechnologien, um H2O2 im Objekt einzubringen: die Verneblung und die Begasung. Bei korrekter Anwendung erreichen sie die gleichen Ergebnisse (6 log Reduzierung und gute Materialverträglichkeit). Allerdings hat jede Technologie aufgrund der unterschiedlichen Prozesse ihre Vor- und Nachteile. Somit wird je nach Ausgangssituation eine der beiden Technologien bevorzugt.
Der zweite Aspekt betrifft das Design der neuen H2O2 Anlage. Die Art und Weise des Einbringens des H2O2 in der zweiten Phase kann zu einer Reduzierung der Begasungs-/Verneblungszeit und zur Verkürzung oder gar Eliminierung der Kontaktzeit führen.
Wie wird an welchen Stellen das H2O2 im Dekontaminationsobjekt reingebracht? Wird das H2O2 homogen verteilt? Mit welcher Schnelligkeit (g/Minute)?
Die Konzeption der Lüftungsanlage ist ebenfalls sehr wichtig: kann die Lüftungsanlage für die gezielten Dekontaminationsbereiche aus- und wieder eingeschaltet werden? Kann 100 % Frischluft während den Phasen 4 und 5 benutzt werden? Aus welchen Materialen besteht das Lüftungssystem und wie ist es konzipiert? Auch sollte auf die Materialauswahl in den Räumen geachtet werden. Diese Thematik wird zurzeit unter anderem von Bosch und vom Fraunhofer Institut untersucht und liefert wertvolle Informationen zum Absorptionseffekt dieser Materialien. Dies kann die Zykluslänge beeinflussen.
Eine andere Frage, die sich stellt, ist die Auswahl einer mobilen oder fix installierten Lösung. Das H2O2 kann durch mobile Generatoren, die im Reinraum stehen, oder durch fixe oder halb-fixe Generatoren in den Reinraum gebracht werden. Bei der ersten Variante wird das H2O2 im Reinraum verbracht und in der zweiten Variante aus dem technischen Bereich oder durch Wände des Reinraumes durch Rohrleitungen. Auch hier haben beide Konfigurationen Vor- und Nachteile. Je nach der Reinraumklasse, den SOPs zum Ein- und Ausschleusen vom Personal und Material, der Länge und Konzeption des potenziellen Rohrleitungssystems und der Dekontaminationsfrequenz (die Liste ist nicht erschöpfend) wird eine Lösung oder die andere präferiert. Auch hier muss die Ausgangssituation sauber erfasst werden, um das umfangreiche Optimierungspotenzial erreichen zu können.

Nutzen bei einer Optimierung des ­Biodekontaminationszyklus
Der grösste Nutzen für den Reinraumbetreiber ist eindeutig die erhöhte Produktivität. Aufgrund der kürzeren Zyklen wird Produktionszeit frei. Sollte die Biodekontamination nicht prophylaktisch, sondern als korrektive Massnahme stattfinden, wird die Länge des Produktionsunterbruchs reduziert. Es gibt allerdings auch andere Vorteile, die nicht zu unterschätzen sind. Die Anpassung der Anforderungen vom H2O2 Prozess kann zu deutlichen Ersparnissen in der Routine führen. Die Menge an Biozid kann reduziert werden und selbst die Art der Qualitätskontrollmassnahmen kann verändert werden, was zu Ersparnissen des Verbrauchsmaterials führen kann.

Fazit
Profunde Kenntnisse von der eingesetzten H2O2 Technologie oder von den möglichen Technologien für ein zukünftiges Projekt, deren Grenzen, das Verstehen vom Dekontaminationsprozess und von dessen Anforderungen sind entscheidend, um die Zyklusentwicklung zu optimieren und somit die Produktivität zu steigern und die Unterhaltskosten zu reduzieren. Sollte dieses Know-How nicht vorhanden sein, können externe Fachspezialisten beigezogen werden, um die Zykluslänge zu reduzieren. Bei Bedarf können Sie sich an den Autor wenden.

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