Anlagenbau & Prozesstechnik

Visualisierung von Mikro-Verunreinigungen

Indikator-Platte für Flüssigkeits-Rückstände, Materialabdrücke und Partikel

20.03.2017 -

Während der Begriff Messen das skalierte Vergleichen von Zustands- und Bezugsgrößen beschreibt, kennen wir alternative nicht skalier­te Wahrnehmungsformen, die im Kontext bestimmter Aufgaben aus­reichend oder sogar von Vorteil sein können. Oftmals sind die Probenahme und die Aufbereitung genauer Messdaten technischer Zustände mit ­hohem Aufwand und entsprechendem Zeitbedarf verbunden. Es reichte in vielen Fällen jedoch die Information „zu viel“ oder „zu wenig“ um auf einen bestimmten technischen Ist-Zustand zu reagieren.

Wenn sich bspw. auf einer Sedimentations-Platte im Reinraum normalerweise 10 Partikel befinden und beim folgenden Mess-Intervall sind es hunderte dann ist die präzise Information ob es 610 oder 720 Partikel sind für die Schlussfolgerung bedeutungslos. Die wichtige Information lautet: Viel mehr Partikel als sonst – es müssen Maßnahmen zur Wiederherstellung des Sollwertes eingeleitet werden. In solchen Fällen können Indikator-Methoden wegen der Eindeutigkeit ihrer Aussage und deren unverzögerter Bereitstellung den hoch entwickelten Messmethoden überlegen sein. Außerdem erfordern Indikator-Methoden zumeist geringere Investitionen und lassen sich durch weniger trainiertes Personal handhaben. Im Clear & Clean – Forschungslabor beschäftigen wir uns u. a. mit der Erarbeitung von „LowTech“ – Methoden für den Einsatz in der Reintechnik. Einige solcher Methoden werden nachstehend beschrieben:

Reinheits-Zustände
Technologen in den HiTech-Industrien sind oftmals darauf angewiesen, Zustände von Unreinheit im Mikrometer-Bereich zu erkennen und zu korrigieren. Verunreinigungen dieser Art sind mit dem bloßen Auge nicht erkennbar. Dafür stehen elektronische Messgeräte zur Verfügung. Diese übertragen „Reinheit“ in numerische Daten von „Unreinheit“. Deren physikalische Einheiten sind bspw. Partikel pro Volumen- oder Flächeneinheit. So lässt sich relativ genau messen, wie viele Partikel sich in einer Flüssigkeit oder auf einer Oberfläche befinden. In der Forschung oder bei Material-Prüfungen werden Reinheitsdaten zu Vergleichszwecken benötigt, bspw. um sicherzustellen dass in einem Fertigungsprozess vorgegebene Grenzwerte eingehalten werden. Ein solches Instrumentarium mit hoher Messgenauigkeit steht jedoch nicht überall zur Verfügung. Es kostet zudem einige Tausend Euro und wiegt zwischen 1 und 20 kg.
So stellte sich zunächst einmal die Aufgabe, eine Methode zur schnellen Beurteilung von Lösungsmittel-Reinheit zu entwickeln. Brauchten wir doch zunächst einmal hochreine Lösungsmittel um damit reine Oberflächen als Referenz für unserer Versuche zu erzeugen.

Entwicklung eines Indikator-Systems
Zur Entwicklung eines Indikator-Systems für die Chemikalienreinheit von Lösungsmitteln griffen wir zurück auf eine Arbeit von Bernhardt Klumpp aus dem Jahr 1993, der in seiner Dissertation [1] ein interessantes System zur Erfassung von Partikeln auf Oberflächen mittels gerichteten Schräglichts beschrieben hatte. Später waren wir auf eine Arbeit von Robert Deegan [2] gestoßen, in der Deegan den sog. Kaffee-Ring-Effekt beschrieben und analysiert hatte:
Wenn der Tropfen einer partikelhaltigen Flüssigkeit auf die glatte Oberfläche eines Festkörpers gelangt und dort verdampft, so sammeln sich die im Tropfen gelösten Partikel in dessen Randbereich, und bilden dort eine gut sichtbare Zone erhöhter Partikeldichte. Dabei wird der Tropfenrand an der Substrat-Oberfläche fixiert. Die Herausforderung bestand nun darin, das Klumppsche Detektions-und Bildverarbeitungs-System mit der Mie-Streuung als Basis und den Kaffeering-Effekt – miteinander zu kombinieren. Wir vermuteten, dass sich bei Kombination der Systeme nicht lediglich Feststoff-Partikel abbilden ließen, sondern vor allem auch nicht flüchtige Rückstände flüssiger Phasen, wie z. B. aus der Destillation von Lösungsmitteln wie Aceton, 2-Propanol, n-Hexan oder Benzin. Wir vermuteten, sie würden sich in der Verdichtungszone als ringförmige Tropfenrand-Strukturen zeigen wenn wir sie auf ein schwarz gefärbtes Sub­strat brächten und mit gerichtetem Schräglicht beleuchteten. Im Experiment bestätigte sich dann unsere Vermutung. Zur Steigerung des Abbildungskontrasts bedampften wir zunächst das schwarz gefärbte Glassubstrat mit einer Iridium-Schicht, so dass wir die Reflexion der Glasoberfläche auf unter 3 % reduzieren konnten und damit eine deutliche Erhöhung des Abbildungs-Kontrasts erzielten. Nachteil dieser Platten ist, dass sie sehr kratzempfindlich sind. Wir suchten und fanden kratzfesteres Glas, allerdings mit etwas geringerem Bildkontrast.

Unsere Aufgabenstellung umfasste im ­Wesentlichen vier spezielle Zielsetzungen:

  • die mikroskopische Sichtbarmachung nicht flüchtiger Rückstände in prinzipiell reinen Flüssigkeiten wie Lösungsmitteln.
  • die mikroskopische Sichtbarmachung von Material-Abdrücken solcher Materialien auf deren Oberfläche sich übertragbare Filme, Partikel oder andersartige Verunreinigungen befinden. (Textilien, Papier, Kauschuk, Gummi etc.)
  • die Abbildung von Schlieren wie sie bei unzureichender Durchführung wischender Reinigungsprozeduren entstehen.
  • die mikroskopische Sichtbarmachung von Feststoff-Partikeln im Dunkelfeld-Kontrast oder im gerichtetem Schräglicht auf Glas­platten schwarzer Färbung.

Zudem wollten wir experimentell feststellen ob sich durch das kontrollierte Waschen/Spülen von textilen Werkstoffen in Lösungsmitteln von hohem z. B. für die Stoffanalyse geeigneten Reinheitsgrades, eine Aussage über deren Verunreinigungsmasse z. B. durch Textilavivagen oder andere Stoffe treffen ließe.

Materialien, Geräte und Software

  • Clear&Clean – Indikatorplatte 50 x 50 oder 50 x 150 mm
  • Mikroskop Zeiss Axio Zoom V16 – Auflicht-Dunkelfeld-Kontrast
  • Zeiss Objektiv PlanApo Z1x/0,25
  • FWD 60 mm
  • Zeiss-Mikroskop-Kamera AxioCam 105 Color
  • Mikroskop-Software Zeiss-AxioVision
  • Analytisches 2-Propanol 99,8 %
  • n-Hexan 99 % – Lösungsmittel
  • Ballistol Universal-Öl
  • Mikroliter-Pipette 0,1 – 3 µl
  • Airlaid - Tücher Typ Kimtech Science 7557 zur Plattenreinigung

Patent DE10016832 A1
Eine Indikatorplatte mit einer Reflexionsmindernden Beschichtung durch ein Dünnschicht-System wurde am 3. April 2000 von Yuko und Win Labuda zum Patent angemeldet. Das daraufhin erteilte Patent trägt die Bezeichnung „Substrat zur Sichtbarmachung von daran angelagerten Partikeln und/oder Materialschichten.

Versuchsdurchführung
Um nachzuweisen, inwieweit sich der Reinheitsgrad des Lösungsmittels auf die abgebildeten Tropfenränder auswirkt, wird z. B. analytisches, hochreines 2-Propanol durch leichtes Mineralöl verunreinigt. In diesem Versuch wurden Verunreinigungs-Grade von 0,001–1 % herbeigeführt.
Die Indikatorplatte wird vor Beginn des Versuchs mittels n-Hexan 99 % und einem Zellstoff-Vlies Kimtech Science gründlich gereinigt und auf vorhandene Rest-Verunreinigungen hin untersucht. Ist unter dem Dunkelfeld-Auflicht-Mikroskop keine Verunreinigung mehr sichtbar, kann der Versuch beginnen.

Tropfenauftrag
Mit Hilfe einer Pipette wird 1 µl aus einer der zuvor angemischten Proben entnommen und möglichst mittig auf die Indikatorplatte aufgegeben. Der Tropfen muss auf der Indikatorplatte ohne Berührung zwischen Platte und Pipetten-Kanüle abgesetzt werden. Die Spitze der Mikroliter-­Pipette ist danach zu entsorgen.
Visualisierung
Um den Tropfenrand sichtbar zu machen, ist Schräglicht notwendig. Mit Hilfe von Mikroskop und Kamera kann dann der Tropfenrand fotografiert und ausgewertet werden.
Tropfenrand
Mit einer Software wie „Zeiss AxioVision“ kann der Tropfenrand auch vermessen werden. Anschließend werden die Ergebnisse gespeichert und stehen der weiteren Bearbeitung zur Verfügung.

Ergebnisse
Die Versuche zeigten, dass die grobe Beurteilung von Lösungsmittel-Verunreinigung anhand der Tropfen-Randdicke möglich ist. Auf die Indikator-Platte übertragene Materialabdrücke geben Aufschluss über den Reinheitszustand der Produktoberflächen von Overalls, Reinraumtüchern, Handschuhen und anderen flexiblen Flächengebilden. Es zeigten sich nach wischenden Reinigungsvorgängen auf der Indikator-Platte mittels diverser Reinigungstücher deutliche Schlieren und zwar in Abhängigkeit vom Dekontaminationsgrad der benutzten Reinraum-Tücher. Außerdem ist die Indikatorplatte zur Sichtbarmachung von partikulären Verunreinigungen – so z. B. von Sedimentation – bestens geeignet. Der Vorteil der beschriebenen Indikationsmethoden liegt in deren universeller Einsetzbarkeit, Einfachheit, Schnelligkeit, und in den geringen Kosten. Insbesondere die Schätzung der Masse nicht-flüchtiger Rückstände in reinen Lösungsmitteln ist messtechnisch nur mit erheblichem Aufwand möglich. Der Nachteil dieser Indikator-Methoden zeigt sich in ihrer nicht gegebenen Skalierbarkeit. Es handelt sich tatsächlich um Indikations- nicht hingegen um Messmethoden.

Kontakt

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Niels-Bohr-Ring 36
23568 Lübeck
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