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Nanotechnologie und Nanotoxikologie

EMPA-Direktionsmitglied Prof. Dr. Harald Krug erläutert, warum Nanotoxikologen und Unternehmen enger zusammenarbeiten sollten

09.03.2011 -

Faszinierende Materialeigenschaften einerseits sowie die Angst vor Gesundheits- und Umweltschäden andererseits prägen die Entwicklung der Nanotechnologie. Warum die Nanotoxikologie trotz jahrelanger Forschung noch Lücken aufweist und wie diese zu schließen sind, erläutert Professor Dr. Harald Krug von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in St. Gallen im Gespräch mit Dr. Uta Neubauer.

CHEManager: Herr Professor Krug, wie lange beschäftigen Sie sich schon mit der Wirkung von Nanoteilchen auf unsere Gesundheit?

Harald Krug: Wir haben Anfang der Neunzigerjahre mit Untersuchungen an industriell gefertigten Nanopartikeln, Nanokeramiken und anderen Nanomaterialien begonnen und das etwas später auf Fullerene ausgeweitet. Aber davon hat damals kaum jemand Kenntnis genommen, weil Nano noch nicht „en vogue" war. Wir waren der Zeit ein bisschen voraus, genauso wie andere Wissenschaftler, die zuerst Feinstaub untersucht und dann mit Industrieruß und synthetischen Nanopartikeln weiter gemacht haben. Kurzum: Die Nanotoxikologie hat eine gut 20-jährige Geschichte.

Trotzdem herrscht immer noch große Unsicherheit bezüglich der Risiken für Mensch und Umwelt. Woran liegt das?

Harald Krug: Wir haben anfangs unterschätzt, wie speziell Nanopartikel sind. Daher haben wir nicht früh genug angefangen, Methoden zu standardisieren. Viele Resultate wurden nicht nach genormtem Vorgehen erzielt und sind daher wenig aussagekräftig. In der klassischen Toxikologie können Sie Ringversuche weltweit nach OECD-Richtlinien durchführen. Für Nano gibt es das noch nicht. Seit sieben Jahren arbeiten wir in verschiedenen Gremien daran, solche Plattformen für die Nanotechnologie aufzustellen, damit wir alle die gleichen Werkzeuge benutzen.

Brauchen wir eigene Gesetze für die Zulassung von Nanomaterialien?

Harald Krug: Nein, das wäre Unsinn. Nanotechnologie passt sowieso nicht in eine einzige Verordnung, weil die Materialien viel zu unterschiedlich sind. Wir müssen vielmehr die bestehenden Gesetze anpassen, den einen oder anderen Paragraphen ändern. Außerdem ist Nano nicht neu. Industrieruß steckt seit über 60 Jahren in Autoreifen und anderen Produkten. Nanoskaliges Titandioxid und pyrogene Kieselsäure werden seit 50 Jahren produziert. Die Produkte, die auf dem Markt sind, wurden ausreichend getestet, auch im Tierversuch. Das schreiben die Gesetze vor. Die völlig neuen Materialien - die Quantum Dots, die Carbon Nanotubes, die vielen Nanokeramiken und Eisenoxidpartikel - müssen aber noch untersucht werden. Da reichen die Daten noch nicht aus. Und dafür müssen wir die Testsysteme aktualisieren.

Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit der Industrie aus?

Harald Krug: Sehr gut, wir arbeiten in vielen Projekten mit der Industrie zusammen. Gemeinsam mit Unternehmen aus Deutschland und der Schweiz, darunter Novartis, erstellen wir z.B. gerade eine standardisierte Analytik-Plattform.
Für bestimmte Förderprogramme suchen wir aktiv Industriepartner. Manchmal kommen Unternehmen auch auf uns zu, weil sie vielleicht selbst keine Möglichkeit haben, ein neues Produkt zu testen. Die Industrie könnte aber noch proaktiver sein und den Kontakt zu uns Toxikologen öfter suchen. Wir arbeiten nicht gegen die Industrie, wir sind vielmehr ihre Absicherung. Wir werden schon dafür sorgen, dass die Nanotechnologie anerkannt wird. Es gibt weltweit so viele Toxikologen, die sich mit Nano beschäftigen, und keiner von ihnen hat jemals gesagt, dass Nanomaterialien zu toxisch seien. Unsere Ergebnisse deuten eher daraufhin, dass viele Bedenken unbegründet sind.

In welchen Bereichen wird der Nanotechnologie am ehesten der Durchbruch gelingen?

Harald Krug: Neuerungen und Wertschöpfung erwarte ich vor allem in drei Gebieten: in der Nanomedizin, der Energietechnologie und der Umwelttechnologie. In der Medizin z.B. könnten Nanocontainer ein Medikament direkt an den Wirkort im Körper bringen. In der Energietechnologie setze ich auf neue Materialien für die Energiespeicherung und -gewinnung, etwa um leichtere Flügel für Windkraftwerke herzustellen, die die Energieausbeute erhöhen. Und im Umweltbereich ließen sich Wasser, Boden und Luft mit nanostrukturierten Filtern oder Katalysatoren besser reinigen. Außerdem könnte man mit Nanokatalysatoren ressourcenschonender produzieren und Abfälle vermeiden.

Behindert die Risikodiskussion die kommerzielle Nutzung der Nanotechnologie?

Harald Krug: Eine Risikodiskussion „behindert" die Entwicklung einer Technologie immer, aber sie ist wichtig. Deswegen betreibe ich sie aktiv und bin froh, dass sie angenommen wird. Von verschiedenen Projekten aus organisieren wir auch Bürgerversammlungen. Dass solche Diskussionen ab und zu zum Negativen ausschlagen, muss man einkalkulieren. Das gehört dazu. 

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