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Accenture-Studie: Chemiekonzerne verschenken Marge

Interview mit Götz Erhardt, Geschäftsführer, bei Accenture zur "Global Customer Preference Study for Chemicals"

26.04.2011 -

Eine aktuelle Accenture-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die chemische Industrie in vielen Fällen an ihren Kunden vorbei wirtschaftet. Sie setze zwar auf Service und Innovation - aber oft an der falschen Stelle. In Folge blieben erhebliche Umsatzpotentiale unausgeschöpft. Die Ursache, so der Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleister, seien meist strukturelle Schwächen in Marketing, Vertrieb und Kundenmanagement. Zudem hemme eine mangelnde Kenntnis der Kundenbedürfnisse Chemieunternehmen bei der differenzierten Erschließung ihrer Zielgruppen. Für die Studie "Global Customer Preference Study for Chemicals" hat Accenture gemeinsam mit dem American Chemistry Council (ACC) weltweit mehr als 1.200 Anbieter und Abnehmer von Chemiegütern befragt. Götz Erhardt, Geschäftsführer im Bereich Chemieindustrie bei Accenture, erläutert die Studienergebnisse.

CHEManager: Herr Erhardt, laut der Studie verfügen Chemieunternehmen über mangelnde Kenntnis der Bedürfnisse ihrer Kunden. Wie wirkt sich das aus?

Götz Erhardt: Viele Chemiehersteller kennen in der tat die Bedürfnisse ihrer Kunden nicht gut genug, um Umsatzpotentiale und Zahlungsbereitschaft differenziert auszuschöpfen. In Folge wird an den falschen Stellen Aufwand betrieben, z. B. gemeinsamer Produktentwicklung oder beim Kundendienst für Standardprodukte wie Basischemikalien. Kein Kunde ist bereit, hier einen Aufschlag für den Außendienst zu zahlen. Eine intelligente Online-Abwicklung würde völlig ausreichen.

Könnten Sie die Diskrepanzen konkretisieren?

Götz Erhardt: Ja. Bereits, was den Stellenwert von Produkteigenschaften und -qualität betrifft, geht die Einschätzung von Anbietern und Kunden weit auseinander: Zwar halten beide diese Kriterien für wichtig. Wie kaufentscheidend ihre Rolle jedoch letztendlich ist, darüber herrschen gegensätzliche Ansichten: Die Chemieunternehmen schätzen den Stellenwert dieser Merkmale um ganze 40 % höher ein als ihre Kunden. Die Bedeutung von technischem Know-how und Kundenservice wird von der Industrie gar um fast 45 % höher bewertet als von ihren Abnehmern.

Und wie bewerten die Kunden den Service der Chemieproduzenten?

Götz Erhardt: Offenbar schlagen sich die Schwächen im Account-Management in der Kundenzufriedenheit nieder: Obwohl viele Anbieter ihre Serviceleistungen stark ausgebaut haben, sind nur rund ein Viertel aller Einkäufer sehr zufrieden mit ihren Lieferanten. Tatsächlich kann mehr als ein Drittel der Befragten Einkäufer keinen Unterschied zwischen den Angeboten der verschiedenen Chemiehersteller feststellen und vermisst eine individuelle Ansprache.

Vieles von dem, was Chemiekonzerne für Ihre Kunden tun, ist also - salopp ausgedrückt - vergebene Liebesmühe?

Götz Erhardt: Ja, denn wenn Chemieunternehmen nicht wissen, was den eigenen Kunden wichtig ist, verschwenden sie unweigerlich Ressourcen in Service, Marketing und Forschung & Entwicklung und vergeuden zugleich Gewinnmarge. Denn Kunden werden nur für solche Produkte und Entwicklungen einen Aufpreis zu zahlen bereit sein, die einen echten Mehrwert für sie bedeuten.

Wofür sind Kunden denn bereit zu zahlen, und wofür nicht?

Götz Erhardt: Die Kunden sind vor allem an Innovationen interessiert, die ihnen helfen, Kosten zu senken oder die Qualität und Zuverlässigkeit zu erhöhen. Innovation wird nur dann einen Aufpreis erzielen, wenn sie nachweislich einen messbaren Mehrwert bietet. Unsere Studie zeigt etwa, dass das Thema Energieeffizienz hohe Priorität genießt - insbesondere in Europa. Wenn ein neues oder verbessertes Produkt also die Energieeffizienz erhöht, dann sind die Abnehmer auch bereit, einen höheren Preis zu zahlen.
Nachhaltigkeit per se ist Chemieeinkäufern hingegen keinen Aufpreis wert. Die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards wird kundenseitig als Selbstverständlichkeit wahrgenommen, nicht als eine Premium-Leistung. Schlichtweg erwartet wird die Einhaltung von Standards und gesetzlichen Auflagen wie z. B. beim Umweltschutz. Aber es besteht keine Bereitschaft, darüber hinausgehendes Engagement für besonders nachhaltige Produktionsbedingungen durch höhere Preise zu honorieren. Chemieunternehmen indes überschätzen die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit für ihre Kunden um 39 %.

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