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Standortbestimmung Großanlagenbau

Wettbewerbsstudie von Management Engineers und VDMA zeigt: Konkurrenz aus China und Südkorea setzt Anlagenbauer unter Druck

09.06.2011 -

Der Wettbewerbsdruck im Großanlagenbau hat in den vergangenen drei Jahren deutlich zugenommen. Zu dieser Einschätzung kommen die Unternehmensberatung Management Engineers (ME) und die VDMA-Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) auf der Basis einer Umfrage unter 180 Top-Managern des deutschen und europäischen Großanlagenbaus: 93 % der Befragten sagen, der Konkurrenzdruck habe sich seit 2008 spürbar verschärft - und zwar vor allem aus China und Südko-rea, aber auch aus Westeuropa. „Verantwortlich hierfür ist nicht zuletzt ein deutli-cher Kapazitätsaufbau - zum einen vorgenommen durch die etablierten Anbieter unmittelbar vor dem Ausbruch der weltweiten Konjunkturkrise und zum anderen vorangetrieben durch die aufstrebenden Anbieter aus Ostasien," so die Einschät-zung von Helmut Knauthe, Sprecher der AGAB und Mitglied der Geschäftsführung von Uhde.

China tritt besonders offensiv auf

Der Umfrage zufolge sind die chinesischen Großanlagenbauer die derzeit auffälligs-ten Wettbewerber auf dem Weltmarkt. Sie treten nicht nur besonders offensiv im Preiswettbewerb auf, sondern zeigen sich auch ausgesprochen risikofreudig im Hinblick auf die Projektplanung und -realisierung. Auch wenn es um die Effizienz und Schnelligkeit in der Umsetzung geht, versuchen chinesische Unternehmen der-zeit - mehr als andere Anlagenbaunationen - neue Maßstäbe zu setzen. Dieses Ergebnis der Umfrage ist insofern besonders bemerkenswert, als diese Umset-zungsfähigkeit noch vor wenigen Jahren als ausgeprägte Schwäche des chinesi-schen Anlagenbaus gesehen wurde. Dies gilt allerdings weiterhin für die Innovati-onskraft dieser Anbieter, die weit hinter westeuropäischen Maßstäben zurück bleibt.

Südkorea agiert erfolgreich im Windschatten

Weniger auffällig, aber trotzdem überaus erfolgreich, sind die südkoreanischen An-bieter, die derzeit vor allem im Chemieanlagenbau arbeiten. Dabei soll es nicht blei-ben: Kooperationsanfragen sowie erste gemeinsame Projekte mit deutschen Unter-nehmen in Segmenten wie dem Hütten- und Walzwerks- sowie dem Kraftwerksbau zeigen, dass Südkorea auf Expansion setzt. „Wenn diese Strategie Früchte trägt, wird sich der Wettbewerbsdruck aus Asien nochmals verschärfen - und zwar in der gesamten Marktbreite", so die Einschätzung von Gerald Orendi, Anlagenbauexperte und Teilhaber der Unternehmensberatung ME. Dies gilt umso mehr, als die südko-reanischen Anlagenbauer schon heute in fast allen untersuchten Wettbewerbsfel-dern auf vorderen Plätzen gesehen werden. Im Hinblick auf ihre Fortschritte bei Qualitäts- und Termintreue nehmen sie in der Befragung sogar die Spitzenposition ein.

Westeuropa ist führend im Technologiewettbewerb - USA und Japan setzen kaum Akzente

Ungeachtet der zunehmenden Konkurrenz aus Asien dominiert Westeuropa in zahl-reichen Segmenten des Großanlagenbaus nach wie vor das Marktgeschehen. Nicht von ungefähr verspüren drei Viertel aller befragten Unternehmen erheblichen Wett-bewerbsdruck vor der eigenen Haustür. Dies ist umso bedeutsamer, als diese euro-päischen Wettbewerber ein ähnliches Stärken-Schwächen-Profil wie die deutschen Anlagenbauer aufweisen - mithin im gleichen, hochtechnologischen Marktsegment den Erfolg suchen. Westeuropa ist denn auch unangefochtener Spitzenreiter, wenn es darum geht, neue und marktgerechte Lösungen anzubieten. 83 % der Umfrage-teilnehmer beurteilen europäische Anlagenbauer als führenden Innovationstreiber. Aufstrebende Anbieter aus China und Südkorea, aber auch Unternehmen aus Ja-pan und den USA haben hier deutlich das Nachsehen. Generell wird der aktuell von japanischen und US-amerikanischen Anlagenbauern ausgehende Konkurrenzdruck in allen untersuchten Wettbewerbsfeldern als schwach beurteilt.

Deutschland: Technologieführerschaft wird sich auch künftig auszahlen

Der deutsche Anlagenbau - so zeigt es die Umfrage - sieht sich für die Herausfor-derungen eines neuen globalen Wettbewerbs insgesamt gut gerüstet. Die heimi-schen Unternehmen stellen sich der wachsenden Konkurrenz aus Ostasien mit gro-ßem Selbstbewusstsein, das auf ebenso großen Anstrengungen auf allen relevan-ten Wettbewerbsfeldern beruht. Preisliche Wettbewerbsfähigkeit und Technologie-führerschaft ragen allerdings mit jeweils deutlich über 90 % der Nennungen noch-mals heraus. „Um nachhaltig bestehen zu können, will und muss der heimische Großanlagenbau seine Kosteneffizienz weiter verbessern und gleichzeitig mit seiner Innovationskraft bis ans Limit gehen", betont Gerald Orendi, der zugleich auf die Chancen einer solchen Hochtechnologie-Strategie vor dem Hintergrund einer nach-haltigen CO2-Reduzierung hinweist: „Angesichts der künftig nochmals verschärften Anforderungen auf diesem Feld sehen wir für die heimischen Großanlagenbauer gute Chancen, neue Maßstäbe in Europa zu setzen - mit Lösungen, die zwar in der Anschaffung etwas teurer, dafür aber in der Betriebsphase deutlich verbrauchsär-mer sind."

OECD-Regelwerk darf Wettbewerb mit neuen Anbietern nicht erschweren

Deutlich erschwert werden die Wettbewerbsanstrengungen deutscher Anlagenbauer allerdings durch regulatorische Bestimmungen. Denn ebenso wie alle anderen An-bieter mit Sitz in OECD-Mitgliedsländern müssen sie bei ihren Angeboten umfang-reiche Vorgaben und Prüferfordernisse - der als Common Approaches bezeichne-ten Umweltleitlinien für Exportkreditversicherungen - erfüllen.

Gegenüber Wettbewerbern aus Schwellenländern oder neuen Industrieländern wie China, die davon nicht tangiert sind, wirkt sich das in Einzelfällen so negativ aus, dass der deutsche Großanlagenbau erst gar keine Angebote mehr abgibt. Helmut Knauthe mahnt daher: „Die Integration der Nicht-OECD-Länder in die OECD-Umweltleitlinien für staatliche Exportkreditgarantien ist eine drängende Gestaltungs-aufgabe der Politik."