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Höhere Virussicherheit für Biopharmazeutika

08.09.2011 -

Kooperation von Bayer Technology Services und Sartorius Stedim Biotech erweitert das Produktportfolio zur Virusinaktivierung mit UV-C-Strahlen. Sartorius Stedim Biotech in Göttingen und Bayer Technology Services (BTS) in Leverkusen haben eine exklusive Kooperationsvereinbarung über die Herstellung und weltweite Vermarktung von UVivatec-Produkten getroffen. Mit dieser von BTS entwickelten Technologie werden Viren in biopharmazeutischen Medien durch UVC-Strahlung inaktiviert. Typische Einsatzgebiete sind die Virusinaktivierung von Zellkulturmedien, von Antikörperlösungen und Lösungen von rekombinanten Proteinen sowie die Bestrahlung von Impfstofflösungen und therapeutischen Produkten aus Blut und Plasma.

CHEManager befragte Dr. Martin Poggel von der Division Process Technology bei Bayer Technology Services, Dr. Uwe Gottschalk, Vice President Purification Technologies und Daniela Winzker-Demes, Director Purification Technologies Europe bei Sartorius Stedim Biotech über diese Kooperation. Das Gespräch führte Dr. Dieter Wirth.

CHEManager: Herr Dr. Poggel, warum ist Bayer Technology Services eine Kooperation zur Vermarktung der UVivatec-Technologie eingegangen?

Dr. M. Poggel: Mit UVivatec haben wir eine sehr viel versprechende Technologie zur Vireninaktivierung – speziell von kleinen, nicht umhüllten Viren – zur Marktreife einwickelt. Derzeit sehen wir eine große Nachfrage bezüglich der Technologie. Wir selbst sehen uns aber in erster Linie als Verfahrensentwickler und nicht als Vertriebsorganisation. Um dennoch diese Technologie möglichst vielen Anwendern, ganz im Sinne der Bayer-Firmenphilosophie „Science for a better Life“, zugänglich machen zu können, haben wir nach einem etablierten Vertriebspartner gesucht. Mit Sartorius Stedim Biotech haben wir einen starken Partner für diese Technologie gefunden, mit dem wir auch schon lange zusammenarbeiten.

Herr Dr. Gottschalk, was fordert der Gesetzgeber von den Herstellern von Biopharmazeutika in Bezug auf die Virensicherheit von biotechnologischen Produkten?

Dr. U. Gottschalk: Bei der Herstellung biotechnologischer Medikamente kann es zur Kontamination durch Viren kommen, die aus der biologischen Quelle stammen, also endogen sind, oder von außen in den Prozess eingetragen werden. Die Arzneimittel-zulassenden Behörden fordern daher von den Herstellern solcher Wirkstoffe den Nachweis, dass potentiell vorhandene Viren im Rahmen des Produktionsverfahrens abgetrennt werden. Diese Virusabreicherungs- Validierung wird bereits für die frühe klinische Entwicklung erwartet und muss auf mindestens zwei komplementären Technologien basieren. Näheres regelt die Guideline Q5A der International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use, ICH. In einem modernen Aufarbeitungsprozess finden Sie heute die Kombination aus Virusfiltration d. h. Abtrennung durch Größenausschluss, Chromatographie d. h. adsorptive Entfernung und Virus-Inaktivierung.

Für welche Arten von Viren ist die UVivatec-Technologie besonders gut geeignet?

Dr. U. Gottschalk: Die größte Herausforderung stellen kleine, nicht-umhüllte Viren dar, wie z. B. Parvoviren, weil sie nur wenig größer sind als die eigentlichen Proteinwirkstoffe und gleichzeitig eine hohe Resistenz gegenüber chemischen und physikalischen Inaktivierungsmethoden aufweisen. Parvoviren sind eine bekannte Gefahr für Produkte, die aus Zellkultur und Blutplasma gewonnen werden. Glücklicherweise lassen sich gerade diese Viren effektiv durch den Einsatz von UV-C-Bestrahlung inaktivieren, obwohl alle üblichen Verfahren wie niedrige pHWerte, Kurzzeiterhitzung oder Gammasterilisierung versagen oder zu hoher Produktschädigung führen. Bayer Technology Services war der ideale Partner, diese Eigenschaft in eine prozesstaugliche Anwendung zu bringen.

Dr. M. Poggel: Die UV-C-Strahlen, und zwar speziell das Licht der eingesetzten Strahler bei 254 Nanometern Wellenlänge, wirken direkt auf das Genom der Viren. Der Wirkmechanismus beruht nach bisherigem Wissen vor allem auf der Bildung von Dimeren benachbarter Thymin- Basen in der DNA. Proteine haben im Übrigen bei dieser Wellenlänge ein Absorptionsminimum, so dass eine hohe Aktivität des Produktes erhalten bleibt. Die schonende Bestrahlung liegt in der engen Dosisverteilung, welche auf die günstige Strömungsführung im UVivatec- Modul zurückzuführen ist. Um den zentral liegenden UV-CStrahler ist der helikal geformte Strömungskanal angeordnet. Auf diese Weise werden während der Passage des Produktes durch das Modul so genannte Dean-Wirbel ausgelöst, welche für eine intensive aber dennoch schonende Durchmischung der Flüssigkeit sorgen und damit eine einheitliche Bestrahlung garantiert wird. Wir sprechen hier von dem Dosiskonzept, welches unabhängig von der Modulgröße anwendbar ist und so einen klaren Scale up garantiert. Das Ergebnis ist eine sehr gute Viren- Inaktivierung bei minimaler Produktschädigung.

Welche weiteren Verfahren zur Vireninaktivierung bietet Sartorius Stedim Biotech an?

D. Winzker-Demes: Durch die Kooperation mit Bayer Technology Services verfügt Sartorius Stedim Biotech jetzt über ein drittes Verfahren zur Virenabreicherung und damit über eine orthogonale Technologieplattform zur Virussicherheit. Dazu gehören die Virusentfernung durch Nanofiltration mit Virosart CPV, die Virusadsorption mittels Membranchromatografie mit Sartobind sowie die Virusinaktivierung durch UV-C-Strahlung mit UVivatec. Diese drei Technologien sind miteinander kombinierbar und ermöglichen dadurch ein besonders effektives Vorgehen gegen ein breites Spektrum verschiedener Viren.

Gibt es bereits Referenzen für die UVivatec-Technologie?

Dr. M. Poggel: Bei Bayer Healthcare in Wuppertal wird UVivatec zur Herstellung eines Produktes aus Gewebeextrakten von Blutegeln verwendet. Der Wirkstoff hier ist das Hirudin. Dann wird die UVivatec-Technologie auch in der klinischen Phase 1 zur Produktion eines Immunglobulins bei der Biotest AG eingesetzt. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Evaluierungen dieser Technologie bei Unternehmen in unterschiedlichen Einsatzfeldern und klinischen Phasen, mit Geräten vom Labor- bis zum Produktionsmaßstab. Aus Gründen der Geheimhaltung kann ich hier leider nicht in die technischen Details gehen.

Können Sie noch etwas Näheres über das Referenzprojekt bei Bayer Healthcare sagen?

Dr. M. Poggel: Bei der Evaluierung der Prozessalternativen für die Applikation bei Bayer HealthCare hat sich gezeigt, dass ein Gewebeextrakt ein sehr anspruchsvolles Medium ist. Virenfilter sind bei dieser Anwendung, wegen der raschen Verblockung, gescheitert. Mit einem frei durchströmten Modul, wie dem UVivatec, kann man im Gegensatz zum Virenfilter auch partikelbeladene Prozessströme verarbeiten. Mit dieser Referenzanlage können wir darüber hinaus zeigen, dass die behördlichen Anforderungen mit dem UVivatec-System erfüllt werden. Inzwischen sind diese Anlagenteile in die Produktion integriert.

Wie wird diese Technologie jetzt von Sartorius Stedim Biotech vermarktet?

D. Winzker-Demes: Die gut skalierbare UVivatec-Technologie wird von Sartorius Stedim Biotech in Form von Einweg- Modulen, Labortischgeräten sowie Prozessanlagen vermarktet. Die Module gibt es in verschiedenen Baugrößen. Die Labormodule sind für den Einsatz bis zu 20 l/h geeignet, die Prozessmodule für den Maßstab bis 120 l/h, wobei auch mehrere Module parallel betrieben werden können. Volumenströme im Kubikmeterbereich pro Stunde sind beispielsweise bei der Bestrahlung von Zellkulturmedien erforderlich. Hier arbeiten wir zusammen mit BTS an sogenannten Maxi-Modulen, die sich derzeit in einer späten Entwicklungsphase befinden. Grundsätzlich bieten wir den Kunden eine ganzheitliche Betreuung im Sinne des zu lösenden Problems an. Dazu gehört neben der Lieferung der Technologie auch die Beratung, die Applikationsunterstützung und die Unterstützung von Virusstudien. Derzeit bauen wir ein eigenes Viruslabor auf, in dem wir unseren Kunden auf Non-GLP Basis zeigen können, welche Virenabreicherung sie mit ihrem Virussicherheitskonzept erreichen können. Dies führt zu einer erheblichen Zeit- und Kostenersparnis auf Kundenseite im Hinblick auf die folgenden GMP-Virusstudien. Darüber hinaus bieten wir in Zusammenarbeit mit BTS weitere Prozessentwicklungs- und Engineering- Dienstleistungen an.

Wie hoch werden die Kosten für die UV-C-Geräte sein im Vergleich zu den anderen Verfahren?

Dr. U. Gottschalk: Generell sind Verfahren zur Virusabreicherung aufgrund der hohen regulatorischen Anforderung aufwändig und teuer. Daher sollte man durch den Einsatz effizienter Einzelschritte und eines holistischen Konzeptes die Gesamtkosten minimieren. Die Batch-Kosten für die Inaktivierung mit UVivatech sind mit der Virusfiltration vergleichbar. Durch den Einsatz von Einweg- Modulen entfallen Reinigung und deren Validierung sowie „Carry over Effekte“, d. h. Übertragung von Kontaminationen von einer Charge auf die nächste, die bei wieder verwendbaren Systemen untersucht werden muss.

Welche Aufgaben fallen BTS während dieser Kooperation zu?

Dr. M. Poggel: Wir bei Bayer Technology Services werden die Technologie weiter entwickeln und auf dem neuesten Stand halten. Derzeit arbeiten wir an der Entwicklung von Modulen für den großtechnischen Maßstab, so dass auch Bestrahlungen im m³/h-Scale möglich werden. Wir werden auch zukünftig ein verlässlicher Ansprechpartner für unsere Kunden sein, wenn es darum geht, technische Lösungen für herausfordernde Applikationen zu finden.

Funktionsweise UV-Vivatec

Um eine homogene UV-C- Bestrahlung auch in optisch trüben Medien zu erreichen, muss sichergestellt werden, dass alle Flüssigkeitselemente die gleiche Strahlendosis erfahren. Dies gelingt beispielsweise bei der Bestrahlung von sehr dünnen Flüssigkeitsfilmen. Solche Dünnfilmapparate sind aber nur schwer im Scale up zu kontrollieren. UVivatec ermöglicht nun genau dieses durch eine innovative und skalierbare Strömungsführung, welche auf eine intensive Durchmischung der Bestrahlungszone setzt. Kern der neuen Technologie ist ein Bestrahlungsmodul, in dem die Flüssigkeit helikal um eine UV-C-Lampe geführt wird. Durch diese Strömungsführung werden Sekundärwirbel, die so genannten Dean-Wirbeln, ausgebildet. Diese Wirbel sorgen auch bei laminarer Strömung für eine ausreichende Quervermischung der Flüssigkeit. Dadurch wird jedes Flüssigkeitselement in die durch die Trübung begrenzte Bestrahlungszone befördert. Das Resultat ist eine enge Dosisverteilung. Die Dosis kann so eingestellt werden, dass Viren inaktiviert werden, ohne dass das Produkt zu sehr geschädigt wird.

 

Kontakt:
Sartorius Stedim Biotech GmbH, Göttingen
Daniela Winzker-Demes, Director Purification
Technologies Europe
Tel.: 0551/308-3879
daniela.winzker-demes@sartorius-stedim.com
www.sartorius-stedim.com


Bayer Technology Services GmbH, Leverkusen
Dr. Martin Poggel, Division Process Technology
Tel.: 0214/30-52290
martin.poggel@bayertechnology.com
www.bayertechnology.com