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Nachfolge vom 4-20mA-Signal

15.11.2011 -

Was kommt nach dem 4-20mA-Signal? Lange galt das elektrische 4-20mA-Einheitssignal als das Maß aller Dinge in der Kommunikation von automatisierungstechnischen Anwendungen. IT-basierte Kommunikationstechnologien auf SOA-Basis sind aktuell dabei, sich zu etablieren und die Vorreiterrolle zu übernehmen. Wie wird dies konkret vonstatten gehen, worauf kommt es an und was werden die Folgen sein?

Über mehrere Jahrzehnte war in der Prozessautomatisierung nach Ablösung von pneumatischen Systemen das elektrische 4-20mA Einheitssignal die kommunikationstechnische Basis für fast alle automatisierungstechnischen Anwendungen. Der große Erfolg des 4-20 mA Signals lag und liegt in seiner Einfachheit und Klarheit. Denn die Aufgabenstellung war einfach: Jeder Prozesswert sollte standardisiert und normiert für weitere Prozessführungsaufgaben zur Verfügung gestellt werden. Und dies eigensicher, so dass eine einfache Anwendung in den explosionsgefährdeten Bereich der chemischen Industrie möglich war.

Die Standards, die sich in der IT und Kommunikationstechnik durchsetzen, sind es und werden es sein, die auch die Trends in der Prozessautomatisierung setzen. So wird man in der klassischen Kommunikationstechnik in den nächsten Jahren erleben, dass analoge Systeme und Technologien mehr und mehr verschwinden werden, während IT-basierte Kommunikationstechnologien die Marktführerschaft übernehmen. Dies wird weit über die bekannte Nutzung des Internets hinaus gehen.
Die Sprachübertragung (VOice over IP) oder Videoapplikationen sollen hier nur ein Beispiel sein. Im Bereich der netzwerkbasierten Anwendung werden Portale, wie wir sie vom Einkauf im Internet kennen, einen immer größeren Raum einnehmen. Die technische Grundlage bilden serviceorientierte Architekturen, die es ermöglichen, die notwendigen Dienste je nach Bedarf mit hoher oder besser mit geeigneter Qualität zu nutzen: Produktbewertungen und -analysen, Einkaufen und gleichzeitig Verkaufen, Bezahlen und Versand inklusive Produktverfolgung, die Bezahlung und sogar die Personalisierung von Leistungen (Geschenkservice und Postkarten) sind bereits Alltag.

Auswirkungen

Fest steht: IT und Automatisierungstechnik werden zukünftig die gleichen Infrastrukturen nutzen. Insellösungen in Produktionsbetrieben sind ein Auslaufmodell. Die Hersteller in der Automatisierungstechnik setzen sowohl bei Hardware, als auch bei der Software und Kommunikationstechnik verstärkt auf diese Entwicklungen, die auch in der IT erfolgreich eingesetzt werden. So ist es selbstverständlich, dass die Plattformen moderner Prozessleitsysteme auf modernen Standard PCs aufsetzen und sich Windows Technologien bedienen. Die einzelnen Systemkomponenten kommunizieren wiederum über Standard Technologien (z. B. TCP/IP ...) miteinander.
Sogar internetbasierte Dienstleistungen sind auf dem Markt verfügbar. Automatisierungssysteme, die bislang in den Produktionsbetrieben als Inseln betrieben wurden, sind und werden in die IT Infrastruktur der Unternehmen integriert. Da nun Automatisierungstechnik und IT auf die gleichen Plattformtechnologien aufsetzen, ist es nur logisch, dass diese auch über die gleichen Kommunikationsmechanismen miteinander vernetzt und integriert werden. Die Bereitstellung neuartiger Dienste, Anwendungen und eine höhere Systemflexibilität ermöglichen damit die Steigerung der Wirtschaftlichkeit.

Erfolgsfaktoren

Die Potentiale für den Einsatz von modernen Kommunikationstechnologien liegen eindeutig dort, wo konventionelle Lösungen bislang unwirtschaftlich oder ungeeignet waren. So ist z. B beim Einsatz von Wireless Technologien der alleinige Ersatz von kabelgebundenen Anwendungen für typische verfahrenstechnische Anlagen in der Prozessindustrie bis auf Ausnahmefälle eher uninteressant. Mag es auch hierfür im Einzelfall Beispiele für sinnvolle Einsatzfelder geben, so liegen vor allem dort, wo Flexibilität oder Mobilität gefordert sind, die wirklichen Potentiale. Hierunter können transportable Messsysteme, mobile Lösungsansätze zur Prozessführung oder -diagnose und vieles mehr fallen.
Der Nutzen für den Anwender muss dabei stets im Mittelpunkt stehen. Es sind also neue, wertschöpfende Anwendungen und es ist nicht allein der störungsfreie Betrieb von Systemen, die den Einsatz und die Weiterentwicklung von kommunikationstechnischen Strukturen in der Automatisierungstechnik rechtfertigen. Die Erfolgsfaktoren und Chancen für die Kommunikationstechnik in der Prozessautomatisierung liegen in der Selbsterkenntnis, nicht Kerntechnologie zu sein.

Um die geforderte Nachhaltigkeit zu gewährleisten, benötigt man einheitliche, konsistente und überprüfbare Standards und Kriterien, damit sich moderne Kommunikationstechnologien in der Prozessautomatisierung etablieren können. Dazu zählen die Definition und Spezifikation der bereits mehrfach genannten Kriterien wie Verfügbarkeit etc. genauso, wie diese über Kennzahlen beschreibbar und messbar zu machen. Aber auch die Anwender selbst müssen genügend Beurteilungskompetenz haben, um zu erkennen, wo die Grenzen der verschiedenen Technologien liegen und welche Rahmenbedingungen sie beisteuern müssen.

Ganz sicher ist, dass eine Variantenvielfalt nicht zu Lasten der Kernfunktionen in der Automatisierungstechnik führen darf. Unabhängig, ob die neue Technologie Wireless oder Ethernet heißt, die Anwender erwarten klare Strategien. Denn auch für diese Technologien gelten die Anforderungen, die seit jeher in der Automatisierungstechnik gelten: Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit, Nachhaltigkeit und Investitionssicherheit. Die Verfügbarkeit von moderner Kommunikationstechnik, die in der Automatisierungstechnik eingesetzt wird, darf die Kernfunktionen der Prozessführung nicht beeinträchtigen.
In der IT liegen garantierte Verfügbarkeitskennzahlen oft maximal bei 99 %: das sind unter Umständen vier Tage Stillstand im Jahr oder sieben Stunden im Monat oder 10 Minuten am Tag. Für Anwendungen in der Prozessindustrie würde jedoch eine Kommunikationsunterbrechung meist zu einem Ausfall eines Systems oder von Teilanlagen führen. Dies ist für Sekundärtechnologien der Kommunikationstechnik, die zuverlässig im Hintergrund arbeiten sollen, nicht akzeptabel. Denn die in der IT oft garantierte 99%ige Verfügbarkeit bedeutet in der Prozessautomatisierung 4 Tage pro Jahr oder 7 Stunden pro Monat keine Kommunikationsverbindung und gegebenenfalls Anlagenstillstand. Und dies ist in der Regel nicht tolerierbar. Kommunikationstechnik ist in der Prozessautomatisierung vor allem eine Enablertechnologie, die der Anwender am liebsten nicht wahrnehmen möchte, sondern die zuverlässig und stabil im Hintergrund ihren Dienst tut.

Kontakt:
Martin Schwibach
BASF, Ludwigshafen
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