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Bayer Materialscience testet Feldbustechnik

19.11.2012 -

Ohne Prüfung geht es nicht: Bayer Materialscience testet Feldbustechnik.

China zählt für Bayer Materialscience zu den größten Einzelmärkten in Asien. Das Reich der Mitte ist außerdem ein regionaler Investitionsschwerpunkt des Unternehmens.

Kernstück der Investitionen ist ein integrierter Standort für Polymerproduktion im „Shanghai Chemical Industry Park" (SCIP) in Caojing in der Nähe von Shanghai. Bis 2012 sollen acht Einzelprojekte in verschiedenen Bauphasen auf Basis modernster Technologien wie Foundation Fieldbus (FF) realisiert werden.

Damit die Inbetriebnahme vor Ort reibungslos funktioniert, hat sich der Kunststoffproduzent Verstärkung aus dem Industriepark Höchst als Verstärkung geholt.

CHEManager sprach mit Dr. Jens Heinrich, PCT Standards und Heinrich Schmedding, Leiter Systems Process Control Technology, beide von Bayer Materialscience, und Sven Seintsch, Mitarbeiter im Prüflabor von Bilfinger Berger Industrial Services (BIS), über das Ziel und den Nutzen der Tests.

 


CHEManager: Herr Schmedding, warum haben Sie ein externes Prüflabor vor der Inbetriebnahme Ihrer FF-Anlagen in China mit einbezogen?

H. Schmedding: Durch die Gerätetests wollten wir gewährleisten, dass wir sauber anfangen bzw. uns nicht mit Problemen mit der FF-Technik befassen müssen. Wir haben von verschiedenen Kollegen gehört, welche Schwierigkeiten sie hatten.

Das wollten wir vermeiden und sicherstellen, dass uns bei der Anfahrt nichts aufhält. Wir haben uns für das Prüflabor entschieden, weil es ein herstellerunabhängiges Testlabor und Center of Excellence für FF ist und die Mitarbeiter langjährige Erfahrung mit Feldbussystemen besitzen. Entscheidend für uns war, dass eine herstellerneutrale Beurteilung von Gerätetechnik für FF gewährleistet ist.

 


Wie ist die Anlage aufgebaut?

Dr. Heinrich: Als Leitsystem kommt Delta V von Emerson mit FF-H1 Anschaltung zum Einsatz. Wir haben unsere Anlagen in Shanghai weitestgehend in Ex-Zone 2 klassifizieren können und installieren auch dementsprechend.

Das vereinfacht die ganze Sache erheblich. Aus Zone 2 ergibt sich auch die Verteilertechnik für den Feldbus, nämlich der Segmentprotector von Pepperl + Fuchs, der speziell dafür konzipiert ist. In den Anlagen, die bisher in Betrieb sind, laufen ungefähr 4.000 FF-Geräte - Feldgeräte, Sensoren und Aktoren inklusive Positioner.

Dazu kommen etwa 1.000 konventionelle Geräte, 4-20 mA Hart. Die Sicherheitstechnik ist nach deutschem Standard konventionell verkabelt. Auf- Zu- Armaturen wurden im ersten Schritt ebenfalls konventionell angeschlossen.

 


Was genau hat das Prüflabor gemacht?

Dr. Heinrich: Das Projekt hatte mehrere Facetten, zum einen den Gerätetest, zum anderen wurden Inbetriebnahmeanleitungen für FF erarbeitet. Ziel war es, nicht hochgranular zu planen, wir wollten die örtlichen Normungsinstitute mit einbeziehen.

Bevor diese nicht alles abgestempelt haben, dürfen wir nicht installieren. Wir haben uns gemeinsam überlegt, wie wir eine Planung nach einfachen Regeln auf die Beine stellen können. Wir lassen z. B. nur noch acht Geräte pro Segment zu. Zwei davon bleiben in Reserve, also installieren wir in Wirklichkeit nur sechs, wovon wiederum maximal zwei Stellungsregler sein dürfen. Ab sofort gelten für Installation bei BMS zwei Regeln:

1. Maximale- Hauptleitungs- und Maximale- Stichleitungslängen sind fest vorgegeben und 2. dürfen die Geräte keinesfalls den spezifizierten Stromverbrauch überschreiten, nicht zeitlich überlastet sein, sondern installieren, was lokal zu diesem Controller gehört. Fertig. Einfache Regeln, die sich in der Praxis bewährt haben. Wir haben uns intern bei BMS beraten und fanden die Vorgehensweise praktikabel.

 


Haben Sie durch diese Vorgehensweise nicht Geld verschenkt?

H. Schmedding: Sicher nicht. Wir haben Geld im Vorfeld eingesetzt, das wir bei der Inbetriebsetzung mehrfach eingespart haben. Das erste FF Gerät war nach dem Zuschalten sofort in Betrieb. Wir haben schließlich die größte FF Installation in der Chemie realisiert und betreiben sie ohne Probleme.

Wir haben alles so geplant, dass wir immer auf der sicheren Seite sind. Es ging nicht darum, möglichst viele Geräte an ein Segment zu bekommen, sondern um maximale Flexibilität. Wenn wir Advanced Control anwenden wollen und dafür alle Knoten zusammenschalten, wollen wir nicht lange darüber nachdenken, wie es um die Geschwindigkeit, die Leitungsauslastung usw. bestellt ist.

 


Welche Vorteile bringt das im Anlagenalltag?

H. Schmedding: Wir denken, langfristig von der zentralen Datenverwaltung profitieren zu können. Wir setzen FF ein, um daraus für das Asset Management Gewinn zu ziehen. Das geht schon damit los, dass wir in unseren Anlagen in Asien zumindest Messbereiche zentral aus der Leitwarte heraus einstellen können. Dass wir zeitgleich den Status mit dem Nutzsignal bekommen und dann erweiterte Diagnosefunktionen ausnutzen können.

Die Streitfrage ist ja immer: Liegt es an der Messtechnik oder am Prozess? Um eindeutig sagen zu können, dass das Gerät o.k. ist und das Problem auf der Prozessseite besteht, brauchen wir Asset Management. Wir glauben, dass die Vorteile in der Maintenance die Investitionskosten übersteigen und sich damit der erhöhte Aufwand im Vorfeld lohnt.

 


Welche Tests hat das Prüflabor im Detail durchgeführt?

S. Seintsch: Es wurden der Einschaltstrom und die Energieaufnahme sowie die minimale Eingangsspannung der Geräte überprüft. Polarität und Modulation waren ebenfalls Gegenstand der Untersuchungen.

Die Überprüfung der Funktionsblock-Konfiguration und die Einhaltung von Messwertvorgaben gehörte auch dazu. Der EMV-Test nach NE21 mit entsprechendem Schirmungskonzept und der Upund Download der Geräteparameter erwiesen sich oft als Knackpunkte. Die Anforderungen und die daraus resultierenden Tests haben wir im Dialog mit dem Kunden entwickelt.

Bei den Segmenten kam es uns z. B. darauf an, den Ausfall und Wiederanlauf zu untersuchen. Außerdem musste sichergestellt sein, dass Geräte jederzeit an den laufenden Bus an- bzw. abgeklemmt und Kurzschlüsse der Spurs durch die Verteilertechnik sauber abgefangen werden können.

Dieser so genannte Hot-Swap muss auch beim Power-Conditioner gegeben sein. Kommunikationsprüfungen, Langzeitstabilität und Übertragungsverhalten sowie LAS Funktionalität machen das Testpaket zu einer runden Sache. Von den 17 Gerätetypen funktionierten acht von Anfang an einwandfrei.

Bei vier der Kandidaten mussten wir mit den Herstellern über die Testergebnisse sprechen. Diese haben dann aber die Geräte schnell und unkompliziert überarbeitet. drei der vier laufen heute ohne Probleme, nur eines der Geräte lässt sich bis heute nicht störungsfrei in den Bus einbinden. Bei weiteren fünf Geräten gab es kleinere Unstimmigkeiten, die entweder unkritisch waren oder schnell beseitigt werden konnten.

 


Können Sie auf die Probleme vielleicht noch etwas näher eingehen?

S. Seintsch: Ein Punkt war die Stromversorgung der Geräte. Wir haben während der Tests festgestellt, dass bei einigen der Einschaltstrom und die erforderliche Mindestspannung zu hoch sind.

Bei der Kommunikation über den Bus gab es das ein oder andere Timeout sowie Übertragungsfehler. Bestenfalls ließ sich der Fehler schon durch ein Update der Firmware ausbügeln. In Bezug auf die Geräteintegration fanden sich fehlerhafte Device- Descriptions (DDs), die so nicht integriert werden konnten.

Sie funktionierten trotz Zertifizierung nicht. Die Konsequenz: Es mussten angepasste DDs vom jeweiligen Hersteller organisiert werden. Gott sei Dank hat das aber den Zeitplan nicht negativ beeinflusst. Andere Geräte fielen durch mangelhafte Dokumentation auf, was die Inbetriebnahme am Host-System erschwerte. Ein weiteres Ärgernis ist, dass sich viele Geräte bei einseitiger Schirmung, wie sie der Leitsystemhersteller vorschreibt, nicht als EMVfest erwiesen.

 


Wie lautet Ihr Fazit in Bezug auf die FF-Technologie nach den ersten beiden Projektabschnitten?

S. Seintsch: Bei der Geräteintegration sind noch einige Hausaufgaben zu machen, die NE105 muss einfach erfüllt sein. Es kann nicht angehen, dass eine zertifizierte Gerätebeschreibung nicht auf Anhieb in jedem beliebigen Host funktioniert. Zu den Geräten selbst ist anzumerken, dass sie an der einen oder anderen Stelle einfach noch nicht zu Ende entwickelt sind.

Aber gibt es nicht immer etwas zu verbessern? Mit den getesteten Komponenten ließ sich auf jeden Fall eine robuste Kommunikation über FF aufbauen, die vor Ort dank der umfangreichen Vortests problemlos in Betrieb genommen werden konnte. Man muss aber fairerweise auch einige Aspekte positiv hervorheben. Der Gerätetausch im laufenden Betrieb, das Abfangen von Kurzschlüssen und der Hot-Swap des Power Conditioners funktionierte sehr gut. Außerdem können wir sagen, dass gute Geräte wirklich zuverlässig kommunizieren.

Für zukünftige Anwendungen dürfte es wichtig sein, dass die Interoperabilität zwischen den Feldgeräten durchaus gegeben ist.

H. Schmedding: Wir haben einige Überraschungen erlebt und viel gelernt. Unsere wichtigste Forderung aus Anwendersicht, die wir ja nach einigem Hin und Her durchgesetzt haben: Das Schirmungskonzept muss unabhängig vom Leitsystem je nach den örtlichen Gegebenheiten frei gewählt werden können.

Denn für uns war von Anfang an klar, dass wir unsere Anlagen, wo auch immer auf der Welt EMV-fest installieren wollen. Bis wir in dieser Angelegenheit auf einem Nenner waren, war es allerdings ein gutes Stück Arbeit. Leider läuft es mit der FF-Technologie noch nicht so glatt, wie es die Hersteller versprechen. Trotzdem wünsche ich mir als Anwender, dass die Technik endlich aus den Kinderschuhen
kommt.

 


Kontakt:
Sven Seintsch

Bilfinger Berger Industrial Services,
Frankfurt am Main
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