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Singapur will Mittelstand für Zusammenarbeit bei Industrie 4.0-Technologien gewinnen

6. Singapur-Konferenz in Frankfurt: Top-Manager diskutierten Expansionsstrategien für Märkte in Fernos

04.10.2017 -

Industrie 4.0 oder Advanced Manufacturing gehört die Zukunft – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Asien und insbesondere in Singapur. Die Fertigungsindustrie macht im Stadtstaat 20% des Bruttoinlandsproduktes aus. „Wir setzen uns mit allen Kräften dafür ein, die Wettbewerbsfähigkeit dieses für uns so wichtigen Wirtschaftszweiges zu stärken. Deshalb transformieren wir unseren Industrie-Bestand im Richtung Automatisierung und digitale Technologien und fördern entsprechend Innovation, Talente und Infrastruktur“, betonte Terence Gan, Regional President, Europe, des Singapore Economic Development Board, kurz EDB, im Rahmen der 6. Singapur-Konferenz in Frankfurt am Main vor wenigen Tagen. Für Hightech-Mittelstand-Champions aus dem deutschsprachigen Raum bieten sich dadurch große Chancen. Die dynamische Entwicklung in den neuen Technologien, aber auch der wachsende asiatische Verbrauchermarkt mit einer steigenden Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen eröffnen ihnen neue Märkte und Geschäftsmöglichkeiten. Wie der Einstieg oder der Ausbau der Aktivitäten in Asien und speziell in Singapur gelingt, war Thema der Tagung.

Eingeladen zu der Veranstaltung hatten das EDB und der Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement der WHU – Otto Beisheim School of Management, Vallendar nahe Koblenz. Die circa 70 teilnehmenden Führungskräfte aus Unternehmen unterschiedlicher Branchen erfuhren anhand von Best-Practices, welche aktuellen Trends die asiatischen Märkte prägen. Internationale Player wie Freudenberg, Trumpf, TÜV Süd und Schott gewährten Einblicke in ihren umfangreichen Erfahrungsschatz. Zudem gaben zwei interaktive Workshops Aufschluss über Innovationen im E-Commerce und über Strategien für die Implementierung von Industrie 4.0.

Singapur als wichtiger Brückenkopf für die Expansion in Asien
„Asien-Pazifik gilt als Zukunftsmarkt für Hightech-Mittelstand-Champions im deutschsprachigen Raum“, betonte Prof. Dr. Holger Ernst, Inhaber des Lehrstuhls für Technologie- und Innovationsmanagement an der WHU, der die Singapur-Konferenz in Frankfurt moderierte. Dies habe nicht zuletzt mit der dortigen anhaltend positiven ökonomischen Entwicklung zu tun. Die südostasiatischen Staaten etwa zeichnen sich durch ein Wachstum von durchschnittlich 5% pro Jahr sowie eine stark steigende gutverdienende Mittelschicht aus, die im Jahr 2020 etwa 400 Millionen Menschen zählen wird. Deshalb ist davon auszugehen, dass sich Südostasien bereits 2030 zur viertgrößten Wirtschaftsregion der Welt entwickelt haben wird – nach USA, EU und China.

„Jedoch unterscheiden sich die einzelnen Länder der Region stark voneinander. Deswegen ist es essentiell, sie genauer kennenzulernen und zu verstehen, um erfolgreich zu sein“, so Prof. Dr. Ernst. „Singapur dient als wichtiger Brückenkopf. Der Stadtstaat punktet nicht nur durch seine logistisch günstige zentrale Lage innerhalb der Region, sondern auch durch eine hervorragende Infrastruktur, niedrige Sprachbarrieren, Zugang zu hochausgebildeten Arbeitskräften, wenig Bürokratie sowie stabile politische Verhältnisse.“ Singapur gehöre zudem zu den innovationsfreundlichsten Ländern weltweit und bietet auch zum Schutz von geistigem Eigentum eine hohe Rechtssicherheit. Laut aktuellem „Global Innovation Index 2017“, welcher in einem jährlichen Intervall von der UN-Organisation für geistiges Eigentum (WIPO), der Cornell University und der französischen Wirtschaftsuniversität INSEAD erhoben wird, liegt der Stadtstaat klar auf Platz 1 der innovativsten Länder in Asien und auf Rang 7 weltweit.

Mehr als 3.000 Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum in Singapur
„Singapur und der Mittelstand in Deutschland, Österreich und der Schweiz teilen insbesondere vier Grundprinzipien miteinander: Erstens legen wir beide großen Wert auf Vertrauen und Verlässlichkeit. Zweitens gilt für uns gleichermaßen, dass wir bei Investitionen eine langfristig tragfähige Perspektive im Blick haben. Drittens ist uns gemein, dass wir in die kontinuierliche Optimierung und stetige Innovation investieren, um in den jeweiligen Branchen und Wirtschaftszweigen führend zu sein. Und viertens investieren wir in Menschen“, erklärte Gastgeber Terence Gan. „Nicht zuletzt diese große Vereinbarkeit in den Grundprinzipien hat dazu geführt, dass bereits mehr als 3.000 Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum regionale Standorte in Singapur eröffnet haben.“

Sechs Billionen Euro fließen in den nächsten 20 Jahren in die Urbanisierung
Der wachsende Wohlstand in der Region gehe laut Gan Hand in Hand mit steigenden Konsumentenansprüchen sowie einem hohen Bedarf an Produkten, Bildung und Finanzdienstleistungen. Auch würden durch die damit einhergehende Urbanisierung in den kommenden zwei Jahrzehnten etwa 6. Bio. EUR allein für neue Infrastruktur und Wohnungsbau in Südostasien aufgewendet. Gan: „Die Möglichkeiten für Fertigungsbetriebe, Innovation und Dienstleistungen sind also enorm.“

Freudenberg: „Kundennähe verlangt lokale Nähe“
Das bestätigte Hanno D. Wentzler, Mitglied des Executive Councils des Multi-Technologie-Unternehmens Freudenberg in Weinheim (Baden-Württemberg), in seiner Keynote. „ASEAN wird sich für uns zu einem strategisch bedeutsamen Markt entwickeln“, so Wentzler. Freudenberg ist seit 1980 in Südostasien präsent – mit Singapur als Dreh- und Angelpunkt. Im ASEAN-Wirtschaftsraum, der von zehn südostasiatischen Staaten gebildet wird, sind mittlerweile 800 Mitarbeiter von Freudenberg beschäftigt. Der Umsatz lag hier 2016 bei 112 Mio. EUR, was einem Plus von knapp 10% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Präsenz in der Region sei laut Wentzler unabdingbar: „Man kann nicht erfolgreich Geschäfte machen aus 10.000 Kilometern Entfernung, in einer fremden Sprache und in einer anderen Zeitzone.“ Wenn Freudenberg als Lieferant ernst genommen werden wolle, müsse das Unternehmen die Anliegen der Kunden dort verstehen und ihnen gerecht werden. Sein Credo: „Kundennähe verlangt lokale Nähe“, so Wentzler. Um ein anerkanntes, vollwertiges Mitglied der lokalen Wirtschaftssysteme sein zu können, habe Freudenberg deshalb nicht nur die Produktion, sondern auch den Bereich Forschung und Entwicklung in der Region angesiedelt.

Trumpf: „Als Marktöffner auch Einstiegslösungen entwickeln“
Der asiatische Markt hat eigene Bedürfnisse, die berücksichtigt werden müssen. Auch das Hochtechnologieunternehmen Trumpf in Ditzingen nahe Stuttgart, das Fertigungslösungen in den Bereichen Werkzeugmaschinen, Lasertechnik, Elektronik und Industrie 4.0 bietet, hat sich dem angepasst. „Als Premiumanbieter sind wir im Einstiegssegment eigentlich nicht vertreten“, erklärte Dr. Gang Yang, Leiter internationaler Vertrieb der Trumpf Werkzeugmaschinen. Doch gebe es in der Region viele Kunden, die neu in den Markt eintreten und sich dafür Low-end-Lösungen wünschen. „Überlassen wir diese Kunden anderen Anbietern, wird es schwer, sie auf unsere Seite zu ziehen, wenn sie die Stufe zum High-end-Segment erreichen. Deshalb müssen wir auch in das Low-end-Segment investieren und hierfür entsprechende Lösungen entwickeln.“

EBM-Papst: „Die Sensibilität für bessere Technologie wird immer größer“
Das Gleiche gilt für die EBM-Papst Group, Mulfingen (Baden-Württemberg), Hersteller von Elektromotoren und Ventilatoren. „Wir müssen in Südostasien einige unserer Produkte abspecken“, berichtete Thomas Borst, Managing Director Sales und Marketing des Unternehmens. Aber verwässert das dann nicht die Marke? „Wir haben das Glück, dass wir einen modularen Aufbau haben mit unseren Produkten. Und ein großes Portfolio. Wir haben weit über 10.000 Produkte, die wir verkaufen“, so Borst. Man müsse flexibel und kreativ sein. Außerdem entwickele sich der Markt weiter. Borst: „Das Bewusstsein, die Sensibilität für bessere Technologie wird immer größer in Südostasien und macht es uns leichter, unsere Produkte, so wie sie in Europa eingesetzt werden, auch in Südostasien einzusetzen.“

Duale Hochschule Baden-Württemberg: „Duales Studium in Singapur und Deutschland schlägt Brücken“
Doch nicht nur auf den jeweiligen Markt zugeschnittene Produkte und Prozesse entscheiden über den Erfolg in Südostasien, sondern auch, ob es gelingt, geeignete qualifizierte Fachkräfte für das Unternehmen zu finden. Um Talente bei ihrer Karriere sowie den akademischen Perspektiven zu fördern, wurde deshalb von deutschen Unternehmen zusammen mit dem EDB vor drei Jahren die Initiative Poly-goes-UAS (UAS = Universities of Applied Science) ins Leben gerufen. Die Initiative ermöglicht Studenten der führenden singapurischen Polytechnics (Fachhochschulen) Nanyang Polytechnic (NYP) und Singapore Polytechnic (SP) ein Studium an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Stuttgart oder an der Hochschule München (HM). Auch Praxisphasen in den jeweiligen Unternehmen in Deutschland und Singapur gehören dazu. „Zehn bis zwölf deutsche Unternehmen nehmen daran teil. Pro Jahr werden etwa zehn bis 15 Studierende aufgenommen. Das Studium dauert drei bis vier Jahre“, berichtete Prof. Dr. Andreas Föhrenbach, Dekan Engineering an der DHBW. Er appellierte an weitere Mittelständler, die in Singapur aktiv sind, sich ebenfalls dem Programm anzuschließen. Denn es schlage Brücken im kulturellen Verständnis füreinander und diene dem Kompetenz-Transfer. Darüber hinaus stärke es die Loyalität der Fachkräfte zum Unternehmen.

Den Maßstab des Möglichen neu definieren
In Menschen zu investieren ist auch eines der Hauptanliegen von Singapur. Das hob Terence Gan von EDB hervor. „Als Land mit begrenzten natürlichen Ressourcen sind wir besonders bestrebt zu innovieren und die Leidenschaft der Menschen anzufachen und zu nutzen, um den Maßstab des Möglichen neu zu definieren”, sagte er.

Zu welchen weiteren spannenden Entwicklungen dieser Anspruch führt, das wird Gegenstand der 7. Singapur-Konferenz sein. Sie findet am 13. September 2018 in Frankfurt statt. Die Keynote hält dann Dr. Eberhard Veit, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Festo, einer Unternehmensgruppe der Steuerungs- und Automatisierungstechnik mit Stammsitz in Esslingen am Neckar.