Strategie & Management

Internationale Konzerne nur noch zweite Wahl?

Arbeitgeberattraktivität: multinationalen und staatlichen Chemieunternehmen als Arbeitgeber in China im Vergleich

11.08.2015 -

Chemiekonzerne betonen gern ihre Anstrengungen bei der Suche nach den besten Mitarbeitern. Lange Zeit war es daher ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil für multinationale Chemieunternehmen (MNCs) in China, zu den begehrtesten Arbeitgebern des Landes zu gehören. Doch in den vergangenen Jahren beobachten MNCs vermehrt, dass ein Teil ihrer chinesischen Angestellten zu Staatsunternehmen (SOEs) der Chemiebranche abwandern. Dieser Beitrag untersucht die Ursachen des Trends und prognostiziert künftige Entwicklungen. Basis dafür war die Befragung chinesischer Angestellte der Chemieindustrie zu den Vor- und Nachteilen der Arbeit für multinationale und staatliche Unternehmen.

Vor etwa zehn Jahren gab es in China in der chemischen Industrie noch eine starke Präferenz, für ein multinationales Unternehmen zu arbeiten. Zu dieser Zeit lagen die Gehälter in diesen Unternehmen durchschnittlich fünf- bis achtmal höher als bei staatlichen Unternehmen. Viele multinationale Chemieunternehmen führten große Projekte durch, wie die Investitionen in den Chemieparks in Nanjing und Schanghai, sodass Angestellte substanzielle praktische Erfahrungen sammeln konnten. Darüber hinaus stieg die Zahl der Beschäftigten in diesen Unternehmen kontinuierlich. Ein Arbeitsplatz in einem MNC wurde daher nicht nur als sicher empfunden, sondern galt auch als aussichtsreiche Position für die zukünftige Karriere.

Einige dieser Vorteile bestehen weiterhin; in einigen Punkten haben die MNCs jedoch an Attraktivität verloren.

Sichere Arbeitsplätze bei Staatsunternehmen

Der Arbeitsplatz in einem multinationalen Chemieunternehmen gilt heute als weniger sicher als in einem SOE. In Staatsbetrieben ist eine Entlassung aufgrund des Staatsbesitzes und dem damit verbundenen expliziten Unternehmensziel, zur Beschäftigungsquote beizutragen, sehr unwahrscheinlich. Im Gegensatz dazu durchlaufen MNCs in China gelegentlich Phasen des Personalabbaus, in denen selbst hoch qualifizierte lokale Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Als Konsequenz ist die höhere Arbeitsplatzsicherheit einer der wichtigsten Gründe für chinesische Angestellte, Staatsunternehmen zu bevorzugen.

Gehaltsunterschiede schrumpfen

Noch sind die Gehälter in multinationalen Unternehmen etwas höher, allerdings ist der Unterschied erheblich geschrumpft. Staatsunternehmen haben ihre Gehälter erhöht, während insbesondere auf den unteren Ebenen der MNCs die Gehaltserhöhungen nur noch moderat ausfallen. Für einzelne Positionen bieten Staatsunternehmen inzwischen sogar Gehälter auf dem Niveau der MNCs.

Hinzu kommt: Nach Ansicht der befragten Angestellten ist die Arbeitsbelastung in multinationalen Unternehmen im Durchschnitt höher als bei chinesichen Staatsunternehmen. In einem SOE ist es leichter, eine gute Work-Life-Balance aufrechtzuerhalten als in der Unternehmenskultur eines MNC, die durch höheren Leistungsdruck geprägt ist.

Erfolgsfaktor Unternehmenskultur

Die unterschiedliche Unternehmenskultur kommt SOEs noch in einem weiterem Punkt zu gute: In multinationalen Unternehmen ist die Arbeitsleistung bei Weitem das wichtigste Erfolgskriterium für die eigene Karriere. In Staatsbetrieben ist sie ebenfalls ein wichtiger Faktor, aber das Beziehungsnetzwerk zu einflussreichen Kollegen und Vorgesetzten hat eine mindestens ebenso hohe Bedeutung. Insbesondere Berufsanfänger fühlen sich häufig in dem ihnen vertrauteren Umfeld eines SOE wohler als in der offeneren, weniger hierarchischen Kultur eines MNC.

In Bezug auf das Arbeitsumfeld werden MNCs von den Befragten als weit strukturierter als Staatsunternehmen beschrieben. Dies bedeutet in der Regel einen effizienteren Arbeitsstil und damit eine Vereinfachung von Aufgaben, insbesondere für weniger erfahrene Angestellte. Es kann allerdings auch als eine Einschränkung der Entfaltungsmöglichkeiten gesehen werden. Chinesische Mitarbeiter in globalen Unternehmen haben oft nur sehr begrenzte Einflussmöglichkeit auf existierende und oft außerhalb Chinas festgelegte Strukturen. Nachteilig für SOEs sind die fehlenden Strukturen jedoch im Bereich von Personalentwicklungsplänen, über die SOEs in der Regel nicht verfügen.

Chinesische Unternehmen steigern Investitionen

In der Vergangenheit war die Chance, an großen Investitionsprojekten beteiligt zu sein, ein Grund für die Attraktivität von MNCs. Diese Chance ist inzwischen sehr viel geringer, da die Begeisterung der MNCs für große Investitionen in China abgenommen hat. Im Gegensatz dazu bieten nationale Staatsunternehmen und auch Privatunternehmen vermehrt solche Möglichkeiten, da viele von ihnen über genügend Kapital verfügen und dieses zum Bau neuer Anlagen nutzen.

Auslandserfahrung ist ein wichtiger Bestandteil eines attraktiven Curriculum Vitae und damit des Karrierewegs. Es immer noch einfacher, diese als Angestellter eines MNC zu verwirklichen, da für diese Unternehmen die globale Präsenz Teil der Unternehmensidentität ist. Allerdings bieten einige Staatsbetriebe inzwischen ebenfalls solche Optionen, da sie zunehmend Investitionen außerhalb Chinas tätigen.

Limitierte Karrierechancen für Chinesen

Viele chinesische Fachkräfte bewerten ihre beruflichen Perspektiven in MNCs als limitiert. Dies bedeutet nicht, dass sie aktiv diskriminiert werden. Vielmehr erfordern Führungspositionen in MNCs bestimmte Fähigkeiten, z.B. sehr gute Englischkenntnisse und Auslandserfahrungen, die für Festlandschinesen in der Vergangenheit nur sehr schwer zu erwerben waren. In der Tat sind viele der Chinesen, die in MNCs Führungspositionen erlangt haben, entweder im Ausland geboren oder haben zumindest eine längere Zeit im Ausland gelebt. Offensichtlich kann ein solcher Lebenslauf nicht einfach von einem auch noch so qualifizierten Festlandschinesen kopiert werden. Die Präsenz derartiger Chinesen in Führungspositionen eignet sich somit nicht als Beleg für lokale Mitarbeiter, dass ihr Arbeitgeber ihnen ebenfalls die Möglichkeit einer steilen Karriere bietet.

Einige der Befragten vermuten sogar die Existenz einer sogenannten gläsernen Decke, einer unsichtbaren Obergrenze für die von Festlandschinesen erreichbare Karrierestufe. Ein möglicher Grund ist die Schwierigkeit, eine ausreichende Vertrauensbasis zwischen einem chinesischen Manager in China und seinen ausländischen Vorgesetzten im Firmenhauptquartier zu schaffen. In SOEs mit überwiegend chinesischen Angestellten gibt es diese Schwierigkeit verständlicherweise nicht.

Zusammenfassend hat sich die Präferenz der chinesischen Fachkräfte etwas in Richtung der staatlichen Chemieunternehmen verschoben, doch MNCs bleiben immer noch die attraktivere Option für die Mehrheit der Angestellten. Im letzten Jahr gab es sogar eine leichte Gegenbewegung, denn Xi Jinpings Antikorruptionskampagne hat die Arbeit in einem SOE tendenziell etwas beschwerlicher, möglicherweise sogar riskanter gemacht.

Private chinesische Chemieunternehmen gewinnen an Attraktivität

Wie wird sich die Präferenz für die verschiedenen Arbeitgeber weiter entwickeln? Interessanterweise sind private Chemieunternehmen bisher mit wenigen Ausnahmen keine ernsthafte Option für die besten chinesische Fachkräfte gewesen. Dies wird sich ändern, da diese Chemieunternehmen schneller wachsen als SOEs und MNCs und damit einen hohen Bedarf an erfahrenen Mitarbeitern haben. Damit wird die Karriere in einem privaten chinesischen Chemieunternehmen zu einer attraktiven Option werden, während gleichzeitig die Aufstiegsmöglichkeiten in MNCs und SOEs durch das verlangsamte Wachstum dieser Unternehmen schrumpfen.

Die wirksamste Option für MNCs, um weiterhin im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter zu bestehen, sind vermutlich echte Schritte in Richtung Empowerment der lokalen Mitarbeiter. Denn MCNs werden weder mit der Stabilität der SOEs noch mit der Incentivierung chinesischer Privatunternehmen mithalten können.

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