Anlagenbau & Prozesstechnik

Reinraumbekleidung: Beeinflusst sie die Konzentrationsfähigkeit ?

20.12.2011 -

ReinRaumTechnik - Eine Vielzahl von Tätigkeiten in Reinräumen verlangt von den Mitarbeitern in der Regel eine hohe Konzentrationsfähigkeit, die auch über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten werden muss. Diffizile Arbeiten fordern stets einen hohen Grad an Genauigkeit, daher können Fehler nicht nur viel Geld kosten, sondern auch deutlich weitreichendere Folgen haben, wie beispielsweise bei einigen Tätigkeiten unter Reinraumbedingungen in der Pharmazeutischen Industrie.

Auch wenn das Bestreben nach immer höheren Automatisierungsgraden dazu beitragen soll, die „Fehlerquelle Mensch" zu reduzieren, sind es gerade diese komplexeren Arbeitsschritte, die den Menschen nach wie vor im Produktionsprozess unersetzlich machen. Fühlt sich nun eine Person in einem bestimmten Umfeld unwohl, so leidet hier sicherlich die Aufmerksamkeit. Die Konzentrationsfähigkeit wird abnehmen und somit die Fehlerhäufigkeit ansteigen. Die Herausforderung des Reinraumbetreibers besteht darin, das Arbeitsumfeld trotz aller reinheitstechnischen Anforderungen für die Mitarbeiter im Reinraum so angenehm wie möglich zu gestalten, um dem Risiko höherer Fehlerraten zu begegnen. Der Reinraumbekleidung kommt dabei eine mitentscheidende Rolle zu. Bisher beschränkten sich die meisten Untersuchungen zum Thema Tragekomfort und Reinraumbekleidung in erster Linie auf die thermophysiologischen Faktoren, also Wasserdampfdurchgangsfähigkeit, sowie die Wärmeleitfähigkeit. Hierbei bildet der Wasserdampfdurchgangswiderstand eine aussagekräftige Kennzahl zur Bestimmung / Definition der Atmungsaktivität eines Reinraumtextils. Entsprechende Untersuchungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Wasserdampfdurchgangswiderstandswerte zwischen verschiedenen Reinraumtextilien um 100% und mehr differieren können. Anders ausgedrückt: Es gibt Gewebe, die man ruhigen Gewissens als atmungsaktiv bezeichnen kann - andere sind eher als atmungsinaktiv einzustufen. Eine zweite wichtige Größe bei der Beurteilung des Tragekomforts eines Reinraumtextils ist sicherlich der Griff - die Weichheit - die Haptik eines Textils. Oftmals entscheidet der Mitarbeiter in den ersten fünf Sekunden nur durch das Ertasten des Textils, ob es sich angenehm trägt oder nicht. Dieses sehr subjektive Beurteilungsverfahren lässt sich messtechnisch nur äußerst schwer nachstellen. Auf Grund obiger Kriterien, also hautsensorische Merkmale in Kombination mit thermophysiologischen Faktoren und im Zusammenspiel mit ergonomischen Tragekomforteigenschaften (Passform, Schnitt, Design) werden sich die Mitarbeiter in unterschiedlicher Reinraumbekleidung mal mehr, mal weniger wohl fühlen. Nun stellt sich jedoch die Frage: Wie beeinflusst dieses Wohlfühlen die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter? Lassen sich Unterschiede zwischen verschiedenen Bekleidungssystemen erkennen und wenn ja, wie hoch fallen diese Unterschiede aus? Dass dies nicht nur wichtige Fragestellungen für die Mitarbeiter sind, die derartige Kleidung täglich tragen müssen, sondern auch entscheidungsrelevante Faktoren für ein Unternehmen sein sollten, ist leicht nachvollziehbar. Mit abnehmender Konzentrationsfähigkeit und gleichzeitiger Zunahme der Fehlerhäufigkeit entstehen Unternehmen höhere Kosten, die letztendlich unmittelbaren Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Produkte und Dienstleistungen haben werden. Da die Tätigkeiten unter Reinraumbedingungen sehr oft das Herzstück einer Produktion darstellen, wiegen Fehler in diesem Bereich meist besonders schwer. Dastex hat sich zusammen mit den Hohenstein Instituten in Bönnigheim obiger Fragestellung angenommen und in einer Untersuchungsreihe verschiedene Bekleidungssysteme dahingehend getestet, ob sie die Konzentrationsfähigkeit von Personen beeinflussen und wenn ja, in welchem Umfang. Die Grundlage für diese Untersuchungsreihe mit mehreren Probanden bildete hierbei ein in Hohenstein speziell entwickeltes Prüfverfahren, das auf international anerkannten und standardisierten Testsystemen der Arbeitspsychologie beruht. Dabei wurden Probanden unter definierten Bedingungen zunächst einer 10-minütigen Konzentrationsübung (Stressorphase) ausgesetzt.

Testdurchführung. In dieser Phase wurde die Konzentrationsfähigkeit der Probanden computerbasiert erfasst. Das System ermittelt dabei sowohl die Reaktionsgeschwindigkeit, als auch die Fehlerhäufigkeit (Anzahl Fehler). Überprüft wurden die Konzentrationsparameter Geteilte Aufmerksamkeit (Multitasking) und Selektive Daueraufmerksamkeit. Für die Untersuchungsreihe wurden folgende Bekleidungssysteme eingesetzt (vgl. auch Tab. 1):

  • normale, private Straßenkleidung
  • Reinraummehrwegbekleidung (waschbar), bestehend ebenfalls aus einer Haube, einem Overall und einem Paar Überziehstiefel, gefertigt aus einem Standardtextil (= Gewebe A) des Hauses Dastex.
  • Ein weiteres Set Reinraum-Mehrwegbekleidung (waschbar) bestehend aus Overall, Haube und Überziehstiefeln, allerdings aus einem etwas leichteren Gewebe (= Gewebe B) im Vergleich zu Gewebe A. Im Hinblick auf die Atmungsaktivität Wasserdampfdurchlässigkeit) weist das Gewebe der Testreihe 3 schlechtere Werte aus, als das Material aus Testreihe 2. Die Überziehstiefel wurden - da sie vermutlich kaum Einfluss auf das Gesamtmessergebnis haben - aus der Testreihe 2 übernommen.
  • Einwegbekleidung, bestehend aus Overall, Haube und Überziehstiefel aus einem Material, wie es zur Zeit meist als Einwegbekleidung (Typ 4) in der Reinraumindustrie eingesetzt wird.

Die Probanden führten die Tests an verschiedenen Tagen jeweils zur gleichen Uhrzeit unter definierten Bedingungen (20°C, 42-44% rel. Luftfeuchtigkeit) in einem Reinraum der ISO-Klasse 5 durch. So konnten die Störgrößen schwankende Raumtemperatur und persönlicher Tagesbiorhythmuseliminiert werden. Um einen Einfluss äußerer visueller Reize auszuschließen, fanden die Tests in einer geschlossenen Kabine, der sog. „Stressbox", statt.
Bei den Messungen ging es darum die Konzentrationsfähigkeit der Probanden über den definierten Zeitraum zu verfolgen. Bestimmt wurde die altersbereinigte mittlere Reaktionszeit (RZ) auf visuelle, bzw. auditive Reize, sowie die Anzahl der gemachten Fehler pro Versuchsmodul. Die Ergebnisse werden nun im Folgenden näher erläutert (Abb. 1 und 2).

Ergebnisse
Dass die private Straßenkleidung, in denen sich die Probanden wohlfühlen, bei diesen Untersuchungen nicht am besten abschneidet, ist sicherlich überraschend. Man sollte meinen, dass Reinraumkleidung als wichtiger und notwendiger Filter zwischen Mensch und Produkt das Wohlbefinden der Mitarbeiter im direkten Vergleich zur normalen privaten Alltagsbekleidung negativ beeinflusst. Die hier vorgestellten Untersuchungen zeigen hingegen, dass die Kombination aus reinraumtauglicher Zwischenbekleidung und Reinraumoberbekleidung aus Gewebe A tendenziell sogar besser abschnitt, als die gewöhnliche Straßenbekleidung - keinesfalls aber schlechter. Dagegen sind sowohl die Ergebnisse der Kombinationen aus Gewebe B als auch der Einwegvariante in der Summe schlechter, als die der Straßenbekleidung. Interessant sind auch die Unterschiede zwischen den verschiedenen Reinraumbekleidungssystemen. Signifikant schlechter schneidet das Einwegbekleidungssystem im Vergleich zu den beiden Mehrwegbekleidungsvarianten (Reinraum) ab. Sowohl bei der geteilten Aufmerksamkeit, als auch bei der Daueraufmerksamkeit sinkt das Reaktionsvermögen bei gleichzeitig steigender Fehlerhäufigkeit. Nicht ganz so signifikant sind die Unterschiede zwischen den beiden Reinraummehrwegbekleidungssystemen.
Hier zeigt zu Beginn der Prüfungen zunächst das leichtere, dichtere Gewebe die besseren Werte im Bereich der geteilten Aufmerksamkeit, während das etwas schwerere, dafür aber atmungsaktivere Gewebe bei der Daueraufmerksamkeit klar bessere Werte aufweist. Da die Tätigkeiten im Reinraum normalerweise eher langfristiger Art sind und somit auch die Konzentrationsfähigkeit über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten werden muss, ist der Daueraufmerksamkeit das entscheidendere Kriterium, was letztendlich bedeutet, dass das Material Gewebe A als bestes, in dieser Studie getestetes Reinraumbekleidungssystem bewertet werden kann. Ein möglicher Erklärungsansatz, warum das dichtere Gewebe (B) zu Beginn der Prüfungen (geteilte Aufmerksamkeit) etwas besser abgeschnitten hat, ist, dass sich die höhere Atmungsaktivität (sprich die geringere Wasserdampfbarriere) von Gewebe A erst bei längerer Versuchsdauer positiv auf die Konzentrationsfähigkeit der Versuchspersonen ausgewirkt hat, während zu Beginn das geringere Flächengewicht von Gewebe B vorteilhafter war.

Fazit
Das Tragen von Reinraumbekleidung kann die Konzentrationsfähigkeit der Mitarbeiter deutlich beeinflussen. Dies kann sowohl gesundheitliche, qualitative als auch ökonomische Folgen bei der Produktion nach sich ziehen. Mit dem Hohensteiner Testsystem lassen sich die relevanten Parameter erstmals messtechnisch verlässlich erfassen. Die hier getesteten Reinraumbekleidungssysteme auf Mehrwegbasis, hatten keinen oder nur einen geringen negativen Einfluss auf die mentale Leistungsfähigkeit der Versuchspersonen. Die pauschale Aussage, das Tragen von Reinraumbekleidung beeinflusse generell die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter negativ, ist aufgrund der Ergebnisse mit dem Gewebe A somit nicht mehr aufrechtzuerhalten. Bei der hier vorgestellten Studie wies die getestete Einwegbekleidung im klassischen Stil einen negativen Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter aus, im Vergleich zu den untersuchten waschbaren Reinraummehrwegbekleidungssystemen. Auch bei Mehrwegbekleidungssystemen gilt es in Bezug auf die Aufrechterhaltung der Konzentrationsfähigkeit über einen längeren Zeitraum genauer hinzuschauen, denn je nach Atmungsaktivität des Gewebes, konnten Unterschiede nachgewiesen werden. 

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