Anlagenbau & Prozesstechnik

Biokontamination & Qualitätsmanagement

Die Aufbereitung von Textilien für den Reinraumbereich

19.04.2012 -

ReinRaumTechnik - An die Aufbereitung von Textilien für den Reinraumbereich sind hohe Anforderungen gestellt. Allerdings sind nur wenige evidenzbasierte Informationen verfügbar, was „anforderungsgerechte Aufbereitung" bedeutet. Generell wird zwischen unbelebten Partikeln und Mikro­organismen unterschieden.

Während unbelebte Partikel eine berechenbare Größe zu sein scheinen, ist aufgrund der exponentiellen Vermehrungsfähigkeit von Mikroorganismen stets ein enormer Unsicherheitsfaktor gegeben. Um die mikrobiologische Qualität der Textilien bei der Aufbereitung zu lenken, gibt es mehrere Möglichkeiten, wobei normative Empfehlungen zur Biokontaminationskontrolle wie bspw. die Validierung von Waschverfahren mit Reduktionsfaktoren von 5 Log-Stufen (Bakterien) und 4 Log-Stufen (Hefen und Pilzsporen) ihr Ziel deutlich verfehlen. Grundsätzlich lassen sich Erkenntnisse hinsichtlich Infektionsprävention aus dem medizinischen Bereich nicht in den Reinraumbereich übertragen. Während es im medizinischen Bereich bei der chemothermischen Wäschedesinfektion darum geht, die Infektionserreger auf ein nichtinfektiöses Maß zu reduzieren, müssen Reinraumtextilien jenseits der Infektionsdosen partikelarm zum Einsatz kommen. Um dies zu erreichen, müssen Qualitätsmanagementsysteme in Textil-Serviceunternehmen installiert sein, die entlang der Aufbereitungsschritte ganzheitliche Konzepte ermöglichen.

Reinraumbekleidung
Reinraumkleidung wird bspw. im Bereich der Mikroelektronik, der Pharmazie, im Operations-bereich und der Lebensmittelindustrie getragen und schützt Produkte vor partikulärer Kontamination. VDI 2083 Blatt 5.1 lautet dazu: „Die Hauptaufgabe der Reinraumbekleidung besteht im Schutz eines Produkts oder Prozesses vor Kontaminationen, die vom Menschen und seiner persönlichen Bekleidung ausgehen. Hierbei darf die Reinraumbekleidung selbst weder alterungsbedingt noch auf Grund mangelhafter Produkteigenschaften zu einer zusätzlichen Partikelquelle werden. Sie hat in der Hauptsache die Funktion eines Filters und muss entsprechend behandelt, gewartet und gegebenenfalls ausgetauscht werden. Die Reinraumbekleidung ist als System zu betrachten, in dem sich die einzelnen Parameter, wie Materialeigenschaften, Konfektion, Umgebungsbedingungen, Unterbekleidung, besondere Arbeitsplatzbedingungen, Pflege etc., gegenseitig beeinflussen können."
Waschverfahren für den Reinraum und chemothermische Wäschedesinfektion
Um eine Aussage zur Reduktion und Inaktivierung von Mikroorganismen bei der Wäsche-aufbereitung treffen zu können, werden in der Praxis überwiegend 1. Bioindikatoren eingesetzt, 2. mikrobiologische Wasseranalysen (z.B. des letzten Spülbades der Waschverfahren) durchgeführt und 3. das RODAC-Verfahren angewendet.

Bioindikatoren
Geeignete Bioindikatoren sind in der Regel Textilien, die mit einer ausreichenden Menge von Mikroorganismen kontaminiert und anschließend getrocknet werden (Einzelheiten zur Her-stellung und Verwendung der Bioindikatoren sind in der DIN EN ISO 14698-1:2004 [B] sowie in den Richtlinien des RKI [C] und den Methoden des VAH [D] beschrieben). Nach dem Einsatz der Bioindikatoren in der Waschmaschine wird mit entsprechenden Kontrollen bestimmt, wie hoch der Reduktionsfaktor (RF) des Waschverfahrens ist. Von einer erfolgreichen Validierung der Waschverfahren für Reinraumtextilien darf nach der DIN EN ISO 14698-1:2004 bei erreichtem RF von 5 Log-Stufen (Bakterien) und 4 Log-Stufen (Hefen und Pilzsporen) ausgegangen werden. Für die Desinfektionsvalidierung von Waschverfahren für den Gesundheitsbereich werden RF von größer 7 Log-Stufen (Bakterien) und 6 Log-Stufen (Hefen) gefordert [E]. Von einem Einsatz von Bioindikatoren, die in eine semipermeable Membran eingeschlossen sind, ist abzuraten, da innerhalb des Biomonitorkompartimentes in Abhängigkeit der Zeit andere Bedingungen herrschen, als außerhalb [F].

Mikrobiologische Wasseranalyse
Zur Beurteilung der mikrobiologischen Qualität des Wassers orientiert man sich im Allgemeinen an der Trinkwasserverordnung [G]. Gängige Wasserproben zur mikrobiologischen Analyse sind Weichwasser (nach der Enthärtungsanlage) oder die letzten Spülbäder. Auf eine geeignete Probennahmemöglichkeit und fachmännische Entnahmen des Wassers ist zu achten, damit repräsentative Ergebnisse erzielt werden können.

Das RODAC-Verfahren
Das RODAC-Verfahren (Replicate Organism Detection And Counting, synonym zum Abklatschverfahren) ist trotz möglicher Ergebnisschwankungen ein geeignetes Verfahren, um eine Abschätzung der Anzahl von Mikroorganismen auf Oberflächen vorzunehmen. Gemäß den Richtlinien des RKI dürfen nach der Probennahme von trockener Krankenhauswäsche, die für den Gebrauch keimarm zur Anwendung kommen soll, auf Nährboden nach entsprechender Bebrütung in neun von zehn Proben nicht mehr als zwei Kolonien je 10 cm2 nachgewiesen werden (bei gleichzeitiger Abwesenheit humanpathogener Mikroorgansimen) [B]. Bei Arbeitsbekleidung für den Lebensmittelbereich dürfen gemäß der DIN 10524 nicht mehr als fünf Kolonien je 10 cm2
auf den Nährböden wachsen (bei gleichzeitiger Abwesenheit humanpathogener Mikroorgansimen) [H]). In der DIN EN ISO 14698-1:2004 bzw. der DIN EN ISO 14698-2:2003 sind keine Empfehlungen für die Oberflächenkontamination von Textilien gegeben [B,I].

Sterilisation von Reinraumtextilien
Wiederholt verwendbare Reinraumtextilien, welche steril zur Anwendung kommen, müssen bezüglich ihres hygienischen Zustandes besondere Anforderungen erfüllen. Den Zustand „steril" herzustellen und bis zur Anwendung aufrecht zu erhalten, erfordert den Einsatz validierter Verfahren und Qualitätssicherungsmaßnahmen entlang des gesamten Wiederaufarbeitungsprozesses.
Ein steriles Produkt ist frei von lebensfähigen Mikroorganismen. Daraus folgt, dass nicht wie weit verbreitet angenommen, der Sterilisationsprozess eine Reduktion von Mikroorganismen um 6 Log-Stufen erreichen muss. Vielmehr gilt als Maß für den Sterilisationsprozess, dass die Wahrscheinlichkeit des Überlebens von Mikroorganismen angegeben wird.
Für ein in der Endverpackung sterilisiertes Textil muss die theoretische Wahrscheinlichkeit, dass sich ein lebensfähiger Mikroorganismus auf oder in dem Produkt befindet, kleiner oder gleich 1 × 10-6 sein. Gleichbedeutend kann man sagen, dass die Sicherheit des Sterilisationsprozesses so hoch sein muss, dass von einer Millionen (mit dem gleichen Verfahren) sterilisierter Produkte nur ein Produkt unsteril sein darf.
Das für Textilien gängigste Sterilisationsverfahren ist die Dampfsterilisation z. B. bei 121°C für 15 -20 oder bei 134°C für 5 -10 Minuten. Um zu überprüfen, ob eine anforderungsgerechte Dampfdurchdringung der Textilien gegeben ist, sollten regelmäßig Tests bspw. nach Bowie und Dick durchgeführt werden [J, K].
Generell gilt: für eine sichere Sterilisation müssen die Textilien zuvor adäquat gereinigt und desinfiziert werden.

Risikoanalyse und Biokontaminationskontrolle für Wäschereien
Die Bereitstellung anforderungsgerechter Reinraumtextilien durch ein Textil-Serviceunternehmen erfordert eine detaillierte Prozessanalyse beginnend bei der Schmutzwäscheannahme bis hin zur Expedition und Logistik. Dabei müssen alle notwendigen Bearbeitungsprozesse (z.B. Waschen, Trocknen, Vakuumisieren) sowie Sonderbehandlungen (Nähen, Detachur, Vorwäsche) beschrieben werden. Ebenso müssen geeignete Methoden für die notwendige Reinraum-Reinigung sowie geeignete Mess- und Prüfverfahren (Textilprüfungen und Partikel-Monitoring) im Textil-Serviceunternehmen etabliert sein.
In der Technischen Regel VDI 2083 Blatt 18 wird unter dem Punkt „Textilien" empfohlen: „Textilien (z. B. Arbeitskleidung) werden regelmäßig und gründlich gereinigt. Auf der Basis einer prozess- und produktorientierten Risikoanalyse werden die Textilien beispielsweise durch eine Vertragswäscherei gereinigt, desinfiziert und keimarm oder ggf. steril wieder zur Verfügung gestellt (das Reinigen im Privathaushalt ist dazu nicht geeignet). Einschlägige Normen wie das RABC-System (DIN EN 14065) zur Qualitätssicherung und zur guten Bearbeitungspraxis hinsichtlich Biokontamination sind zu beachten." [L].
Das RABC-System = Risk Analysis and Biocontamination Control-System ist ein Sicherheitssystem zur Kontrolle der mikrobiologischen Qualität von Textilien nach Europäischer Norm DIN EN 14065, die in gewerblichen Wäschereien aufbereitet werden [M]. Das RABC-System ist das Pendant zum weltweit sehr erfolgreichen HACCP-Konzept in der Lebensmittelindustrie. Um mit Hilfe des RABC-Systems nach EN 14065 eine gleichbleibende mikrobiologische Qualität der Textilien zu gewährleisten, muss zuerst eine Risikoanalyse durchgeführt werden. Die Anleitung zur Risikoanalyse ist ein Hauptbestandteil der EN 14065. Für eine Zertifizierung des RABC-Systems nach einem vom Industrieverband Textil Service (intex e.V.) vorgegebenen Anforderungskatalog werden konkrete Forderungen hinsichtlich Wäschereibegehungen und mikrobiologischer Probennahme gestellt. Neben der jährlichen Auditierung des Hygiene-Management-Systems sind auch interne Monitorings notwendig.
Die mikrobiologische Sicherheit kann letztendlich nur durch ein wirksames Hygiene- und HACCP-Konzept gewährleistet werden, das systematisch mikrobiologisch verifiziert und unabhängig auditiert wird.
Textil-Serviceunternehmen mit „RABC-Zertifikat", welches die Umsetzung der Inhalte gemäß EN 14065 bestätigt, müssen die folgenden Grundsätze beachtet, verstanden und im Betrieb umgesetzt haben (s. Abb. 1):

  • Grundsatz 1: Auflistung mikrobiologischer Gefahren und Kontrollmaßnahmen
    - Prozessorientierte Risikoanalyse
  • Grundsatz 2: Bestimmung der Kontrollpunkte (CP)
    - Bestimmung der Punkte, Verfahren, Prozessschritte, Umgebungsbedingungen, die kontrolliert werden können, um das Risiko (die Risiken) zu beseitigen oder zu verringern
  • Grundsatz 3: Zielgrenzwert und Toleranzen
    - Festlegung von Ziel-, Warn-, Maßnahmen- und Grenzwerten, welche die mikrobiologische Qualität von Textilien sicherstellen
  • Grundsatz 4: Überwachungssystem
    - Festlegung der Art, Zeit und Frequenz eines Überwachungssystems
  • Grundsatz 5: Korrekturmaßnahmen
    - Festlegung von Korrekturmaßnahmen, die durchzuführen sind, wenn die Überwachung anzeigt, dass ein spezieller Punkt, ein spezielles Verfahren, ein spezieller Prozessschritt oder spezielle Umgebungsbedingung nicht unter Kontrolle ist.
  • Grundsatz 6: Überprüfungsverfahren für das RABC-System
    - Festlegung von Verfahren, um zu überprüfen, dass das System wirkungsvoll arbeitet (Validierung, Re-Validierung, Überwachungsprogramm, interne Audits etc.)
  • Grundsatz 7: Dokumentation
    - Festlegung und Führung einer anforderungsgerechten Dokumentation

Da in der EN 14065 keine Grenzwerte für mikrobiologische Kontaminationen genannt werden, ist die Umsetzung der Norm für alle hygienisch anspruchsvollen Bereiche möglich (Lebensmittel-, Gesundheits- und Reinraumbereich). Vor allem der Reinraumbereich profitiert von der „Abwesenheit" der mikrobiologischen Grenzwerte, denn das Qualitätsmanagementsystem kann dadurch beliebig an die Kundenanforderung bzw. die Reinraumbedingungen angepasst werden und bildet somit die Basis für eine sichere und garantierte Qualität der Textilien.

Welche Punkte sind im Textil-Dienstleistungsunternehmen besonders zu beachten?
Sortierung
Es sollte eine Sortierung der Textilien nach Verschmutzungsgrad, Art der Artikel und der weiteren Bearbeitungsart erfolgen.
Erfassung der Waschzyklen
Um eine Waschzyklengrenze einhalten zu können, müssen die Textilien zur Identifizierung bspw. mit einem Barcode oder einem RFID-Chip ausgestattet sein. Außerdem sollten Sonderbehandlungen wie Vorwäsche, Detachur und Näharbeiten registriert werden.
Innerbetrieblicher Transport der Textilien
Um das Risiko einer Rekontamination sauberer Wäsche mit Partikeln und Mikroorganismen auf ein Minimum zu reduzieren, sollte eine verwechselungsfreie Zuordnung der unterschiedlichen Wäscheposten vorgenommen werden (z. B. durch farbliche Kennzeichnung von Transportbehältern). Die regelmäßige Reinigung der Transportbehälter sollte nach dem Hygieneplan (gemäß RABC-System) geregelt und entsprechend dokumentiert werden.
Reparatur / Nähen von Reinraumartikeln
Beim Nähen oder Reparieren von Reinraumbekleidung dürfen die technischen Eigenschaften der Textilien nicht geändert werden: Hierzu zählen Nähgarn, Reparaturgewebe, modell- und designtechnische Veränderungen (z. B. Aufnähen von zusätzlichen Taschen oder Entfernen von Kragen u. ä.).
„Die Nähte sind so auszuführen, dass keine unversiegelten Gewebekanten offen liegen und so Fasern und Partikel abgeben. Jede offene Gewebekante ist durch Reinraumgewebe oder durch ein synthetisches Einfassband bzw. Reinraumgewebe aus Filamentgarn abzudecken.
Nahtkräuselung ist zu vermeiden, um eine optimale Dekontamination der Reinraumbekleidung sicherzustellen" [A].
Reinraum-Monitoring
Das Reinraum-Monitoring dient der kontinuierlichen Überwachung der Raumluft-Partikel-konzentration im Reinraum des Textil-Serviceunternehmen gemäß DIN EN ISO 14644-1 [N]. Die fortlaufende Übereinstimmung mit ISO 14644-1 mit den für die Anlage festgelegten Anforderungen an die Luftreinheit wird durch festgelegte Prüfungen und durch Aufzeichnung der Ergebnisse nachgewiesen, wobei die Überwachung üblicherweise erfolgt, während sich die Anlage im Betrieb befindet [O]. Die Messergebnisse des fortlaufenden Reinraum-Monitorings sollten dokumentiert und archiviert werden.

Literaturstellen auf Anfrage vom Autoren erhältlich.
Dieser Beitrag ist bereits in „VDI-Berichte" Nr. 2125, (2011), ISBN: 978-3-18-092125-9 erschienen.

 

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