Standorte & Services

Wachstum oder stetiges Schrumpfen

Kolumne: Perspektivenwechsel

18.06.2013 -

Die Definition des relevanten Marktes aus Sicht eines Chemiestandortes ist eine ganz besonders heikle Aufgabe.

Mit der Festlegung des relevanten Marktes entscheidet das Unternehmen ganz subjektiv, welches Marktsegment für die weitere unternehmerische Entwicklung der nächsten drei bis sieben Jahre im Fokus ist. Zur Abgrenzung eines Marktsegmentes werden Kriterien wie Raum/Region, Branche oder Wertschöpfungsstufe/ Leistungen genutzt.

Die Ausprägungen des relevanten Marktes für Chemiestandorte reichen dann von einer Leistungserbringung ausschließlich am Standort bis Europaweit, von Petrochemie über Spezialchemie bis Anlagenbau und von Versorgung/Entsorgung über Instandhaltung oder Logistik bis Schulungen und Forschung & Entwicklung.

Allerdings ist ein Chemiestandort auch keine klare Perspektive, aus derer ein relevanter Markt definiert werden kann. Es ist vorab festzulegen, ob die Abgrenzung eines Marktsegmentes aus Sicht der Flächenvermarktung (Eigentümer des Standortes), der Dienstleistungsvermarktung (Betreiber des Standortes) oder der Langfristsicherung des Chemiestandortes (Manager des Standortes) erfolgen soll.

Positiv gesehen, fokussiert man die weitere Unternehmensentwicklung über den relevanten Markt auf das abgegrenzte Marktsegment. Die Analyse potentieller Kunden ist um vieles einfacher und kann sehr konzentriert durchgeführt werden.

Das Leistungsangebot kann spezifisch für das abgegrenzte Marktsegment entwickelt werden; damit können bspw. branchespezifische Entsorgungs- oder Instandhaltungsleistungen für eine Region mit mittelständischen Chemieunternehmen entwickelt werden. Die Bestimmung von Kapazitäten und Ressourcenangebot kann sehr spezifisch auf den Bedarf des Marktsegmentes ausgelegt werden und bspw. können Überkapazitäten abgebaut werden.

Die negativen Auswirkungen einer Marktabgrenzung können zu einer völligen Fehlsteuerung der mittel- bis langfristigen Unternehmensentwicklung führen. Denn wenn der Markt sich ausschließlich auf den Chemiestandort beziehen würde, hängt eine erfolgreiche Entwicklung extrem von der Entwicklung der am Standort ansässigen Unternehmen ab.

Ein mit Gewinnerzielungsabsicht aufgestelltes Unternehmen benötigt Wachstumsmöglichkeiten, da das existierende Kunden- und Leistungsportfolio ohne Neukunden und Neugeschäft sich mittelfristig reduziert. Das hätte für den Standortbetreiber ein stetiges Schrumpfen zur Folge und die Hinterfragung des Geschäftszwecks. Neben der fallenden Mitarbeitermotivation wird sich eine Abwicklungskultur ohne Drang zur Erneuerung ergeben. Mittel- bis langfristig wird der Wandel der Steuerungskennzahlen notwendig sein - vom Profitorientierten zum Kostengetriebenen Unternehmen.

Aus Sicht des Betreiber-Eigentümers kann also eine sehr enge Grenze des relevanten Marktes Sinn machen, um die Fokussierung zu treiben.

Vollziehen wir den Perspektivenwechsel und versetzen uns in den mit Gewinnerzielungsabsicht aufgestellten Standortbetreiber sind weitere strategische relevante Entwicklungsmärkte ein Muss, um das Positivum von Wachstum und Erfolg als Treiber der Geschäftstätigkeit erleben zu können. 

Autor:
Prof. Dr. Carsten Suntrop, CMC2