Chemie & Life Sciences

Fracking: Chemikalien für mehr Öl und Gas

Allessa gründet Tochtergesellschaft TouGas für internationales Geschäft mit Fracking-Chemikalien

25.09.2013 -

Im Alter von 66 Jahren gründete Dr. Karl-Gerhard Seifert, Inhaber und Aufsichtsratsvorsitzender der Allessa und ehemaliges Vorstandsmitglied von Hoechst, ein neues Unternehmen: Das Allessa-Geschäft mit Chemikalien für die Erdgas- und Erdölförderung wurde in die TouGas Oilfield Solutions ausgelagert.

Dr. Andrea Gruß sprach mit Dr. Horst-Tore Land, CEO und Mitinhaber der TouGas, über die Wachstumsstrategie des jungen Spin-offs.

CHEManager: Sie wurden zum 1. Mai 2013 als Geschäftsführer der TouGas bestellt. Was umfasst das Geschäft der TouGas?

Dr. Horst-Tore Land: TouGas entwickelt und vermarktet Chemikalien und Technologien für die Öl- und Gasförderung. Unsere Chemikalien werden zur Optimierung der Ausbeute von Öl- und Gasfeldern eingesetzt, z.B. beim sog. Fracking-Prozess.

Der Weltmarkt für Fracking-Chemikalien ist derzeit etwa zu 85-90% in den USA und in Kanada angesiedelt, verfügt aber über ein großes Wachstumspotential in Märkten wie China, Russland, Südafrika oder Argentinien. Diese Märkte lassen sich nur durch eine lokale Präsenz erschließen. Doch die ist für ein mittelständisches Unternehmen wie Allessa schwierig aufzubauen. Deswegen wurde TouGas als eigenständiges Unternehmen ausgegründet.

Der Fokus auf Erdölchemikalien und internationale Märkte - kombiniert mit dem Know-How und der Produktionskapazität von Allessa als Muttergesellschaft - bietet sehr gute Wachstumsmöglichkeiten und macht das Unternehmen attraktiv für Investoren.

Herr Dr. Seifert und Sie selbst haben in die Gründung von TouGas investiert. Gibt es weitere Investoren?

Dr. Horst-Tore Land: Ja, Anfang September haben sich zwei namhafte Investoren jeweils mit einem einstelligen Millionenbetrag an TouGas beteiligt. Das ist zum einen der Londoner Wagniskapitalfonds Conduit Ventures, der weltweit in Unternehmen im Energie- und Kraftwerkssektor investiert und zu dessen Geldgebern u.a. Shell, Solvay und Danfoss zählen.

Der zweite ist Investor ist Enertech, eine Tochtergesellschaft der Kuwait Investment Authority, die Projekte im Bereich Energie, Clean Tech, Recycling, Wasser, Entsorgung und Erneuerbare Energien fördert. Dieser Staatsfonds aus Kuwait steht uns nicht nur finanziell zur Seite, sondern unterstützt uns auch beim Ausbau unserer Geschäfte im Nahen und Mittleren Osten.

Seit wann gewinnt man Erdgas durch Fracking?

Dr. Horst-Tore Land: Fracking ist keine neue Technologie. Sie wird bereits seit über 60 Jahren zur Gewinnung von Erdöl oder Erdgas eingesetzt. Dabei wird ein Gemisch, das zu 99,5% aus Wasser und Sand besteht, mit 0,5% Verdickungsmittel und Additiven versetzt. Es entsteht ein Gel, das unter hohem Druck in einer Röhre in 2.000-3.000 m Tiefe gepresst wird und dort Risse im Gestein erzeugt. Nachdem das Gel aufgelöst und das Wasser abgepumpt wurde, halten die Sandpartikel die Ritzen im Gestein geöffnet und es wird Erdgas oder Erdöl frei. Dieses Verfahren nennt man unkonventionelle Förderung.

Als Verdickungsmittel wird heute vor allem Guar genutzt, ein Naturprodukt, das auch als Lebensmittelzusatzstoff, z.B. in Pudding oder Eiscreme, dient. Guar wird aus der Guarbohne gewonnen, die vor allem Indien oder Pakistan angebaut wird. Pro Jahr werden etwa 300.000 t Guar aus Indien exportiert.
Über viele Jahre war das Verhältnis zwischen den Ernteerträge und dem Verbrauch in der westlichen Welt stabil. Doch durch die Ausweitung des Frackings in den USA entstand ein großer zusätzlicher Bedarf, sodass der Preis zeitweise - nach nur einer Missernte in Indien - bis auf das Dreißigfache anstieg.

Der Weltmarkt für Verdickungsmittel für Fracking wird auf 3 Mrd. US-$ geschätzt. Er wächst um etwa 8% pro Jahr. Zu etwa 95% werden Guarprodukte eingesetzt, nur 5% entfallen auf alternative Materialien. Aufgrund der Versorgungskrise in den vergangenen Jahren suchen viele Unternehmen nach Alternativen zu dem Naturprodukt.

In Deutschland wird der Einsatz der Fracking-Technologie kontrovers diskutiert. Zu Recht?

Dr. Horst-Tore Land: Die Fracking-Technologie birgt vergleichbare Risiken wie andere industrielle Bergbaumethoden, wenn sie in sehr dicht besiedelten Gebieten eingesetzt wird. Es sollte daher in einem nationalen Kontext diskutiert werden, ob und wo der Einsatz von Fracking sinnvoll ist. Ich bin der Auffassung, es ist legitim z.B. für Deutschland oder für Frankreich zu sagen: ‚Wir möchten kein Fracking. Wir setzen auf andere Methoden der Energieerzeugung.‘

Andere Länder oder Regionen - mit einem stark wachsenden Bedarf an Energie - haben jedoch gar nicht die Möglichkeit, so eine ‚entspannte‘ Diskussion darüber zu führen. Sie müssen Energie möglichst sauber erzeugen und können dabei auf saubere Kraftwerke, betrieben mit Erdgas, gar nicht verzichten. Denn preiswertes Erdgas ist der Schlüssel zur Reduktion von CO2-Emissionen.

Denken Sie hierbei an China?

Dr. Horst-Tore Land: Zum Beispiel. Wenn dort mehr Kohlekraftwerke zur Deckung des steigenden Energiebedarfs gebaut werden, steigert dies nachhaltig den CO2-Ausstoß. Den umgekehrten Trend beobachten wir in den USA. Noch vor zehn Jahren ging die Erdgasproduktion dort zurück, es musste Erdgas importiert werden. Durch die Entwicklung der Fracking-Technologie basieren heute bereits 35-40% der US-Erdgasproduktion auf unkonventionellen Vorkommen und man rechnet damit, dass die Produktion in den kommenden 15-20 Jahren weiter steigen wird.

Die höhere Produktion ließ die Gaspreise sinken und die USA haben sich zum Erdgasexporteur entwickelt. Das hat auch einen positiven Effekt auf die Umwelt: Aufgrund des preiswerten Erdgases wurden in den USA viele Kohlekraftwerke abgeschaltet und durch Gaskraftwerke ersetzt. So ging der CO2-Ausstoß in den vergangenen sieben bis acht Jahren um 400 Mio. t/a zurück. Eine bemerkenswerte Entwicklung.

Trotz der positiven Effekte auf Gaspreis und Klimaschutz wird die Technologie auch in Fracking-Wachstumsmärkten wie den USA, Südafrika oder Argentinien teilweise in Frage gestellt. Warum?

Dr. Horst-Tore Land: Die Kritik bezieht sich insbesondere auf den hohen Verbrauch von Frischwasser: Pro Fracking-Vorgang werden 5.000 bis 10.000 cm3 Frischwasser benötigt. In Argentinien z.B. steht der Wasserverbrauch für Fracking in Konkurrenz mit dem Wasserverbrauch für die Sojaproduktion in der Landwirtschaft. Und in den Fördergebieten in Südafrika und China gibt es insgesamt nur wenig Trinkwasser.

Unseren Chemikalien tragen zur Lösung dieser Konflikte bei. Sie sind beständiger gegen Säuren oder salzhaltigem Wasser als das Guar-Produkt und können daher auch mit dem bei der Erdgas- oder Erdölförderung als Nebenprodukt anfallenden Gesteinswasser verarbeitet werden.

Die Säurebeständigkeit ist so hoch, dass eine mögliche Weiterentwicklung der Fracking-Technologie, bei der statt Wasser überkritisches CO2 eingesetzt wird, denkbar ist. Dies würde nicht nur den Wasserverbrauch beim Fracking weiter reduzieren, sondern könnte auch die Ausbeute erhöhen, da sich das flüssige Kohlenstoffdioxid besser mit Öl oder Gas vermischt. Das CO2-System ist jedoch noch Zukunftsmusik und frühestens in zehn Jahren marktreif.
Einen Vorteil, den wir unseren Kunden schon heute bieten können, ist die hohe Temperaturbeständigkeit unserer Produkte. Während die Guar-Verbindung nur bis etwa 120°C eingesetzt werden kann, weil sich die Zuckerverbindung bei höheren Temperaturen zersetzt, kann unser Produkt UTF bei Temperaturen bis zu 230°C angewendet werden und eignen sich damit auch für Fracking in sehr tiefen Erdschichten. Hier gibt es derzeit kein vergleichbar leistungsfähiges Produkt am Markt.

Welche Chemie steckt hinter Ihren Produkten?

Dr. Horst-Tore Land: Unser UTF Produkt ist ein Polymer auf Basis der Acrylsäure, dessen Molekulargewichts- und Monomerverteilungen sowie Konzentrationen wir sehr genau kontrollieren können. Die Verbindung ist der Struktur von Superabsorber verwandt, der im Übrigen hier am Standort der Cassella vor vielen Jahren erfunden wurde. Der 81-jährige Miterfinder Dr. Fritz Engelhardt steht uns noch heute beratend zur Seite.


Wer zählt zu den Kunden von TouGas? Werden Sie diese auch in Zukunft von Frankfurt aus bedienen?

Dr. Horst-Tore Land: Mit unserem gerade gewonnen Wachstumskapital planen wir die Eröffnung einer US-Niederlassung in Houston, um potentielle Kunden wie Halliburton, Baker Hughes, Shell oder BP besser bedienen zu können. Darüber hinaus haben wir Kontakt zu Interessenten aus China, Russland und Südafrika und in der Ukraine und im arabischen Raum stehen wir kurz vor einem Vertragsabschluss.

Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten zwei bis drei Jahren etwa einige Tausend Tonnen an Chemikalien verkaufen werden. Produzieren werden wir diese auch weiterhin in Frankfurt, um die Erfahrung am Allessa-Standort und dessen Infrastruktur zu nutzen.

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