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Das REACh- Zulassungsverfahren im Blick

Komplexe Regelungen und große Hürden steigern Risiken für Unternehmen

09.07.2014 -

Chemieunternehmen, die auch künftig besonders besorgniserregende Stoffe in Verkehr bringen, importieren oder verwenden, müssen laut REACh-Verordnung dafür unter Umständen eine Zulassung beantragen. Der Antrag wird bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) gestellt. Durch strategisches, sach- und fristgerechtes Handeln werden Unternehmensrisiken minimiert.

Das Zulassungsverfahren unter REACh betrifft die Gruppe der sog. besonders besorgniserregenden Stoffe (SVHC-Stoffe = substances of very high concern). Nach einem mehrstufigen Prozess können sie in Anhang XIV der REACh-Verordnung aufgenommen werden und sind dann mit einem genauen Antragsschluss versehen. Nur Unternehmen, die eine Zulassung fristgerecht beantragt haben, dürfen die betreffenden Stoffe auch nach dem Ablauftermin, dem sog. Sunset Date, weiterhin in Verkehr bringen (inkl. Import) oder verwenden. Ein fristgerecht eingereichter Antrag stellt allerdings keine Gewähr für eine spätere Zulassung dar. Zudem ist die Antragstellung komplex und mit großen Hürden verbunden.

Unternehmen in der Pflicht

Für Unternehmen, die auf eine Zulassung angewiesen sind, kann dies teils erhebliche wirtschaftliche Risiken mit sich bringen. Das größte Risiko besteht darin, dass ein Unternehmen keine Zulassung erhält oder sich nicht um eine solche bemüht. Zudem sind Fehler bei der Antragstellung möglich. Schlimmstenfalls kann das bis zum Verlust der Geschäftsgrundlage führen. Darüber hinaus ergeben sich haftungs- und strafrechtliche Konsequenzen, sollte ein Unternehmen einen zulassungspflichtigen Stoff auch ohne die erforderliche Zulassung herstellen oder verwenden. Unternehmen der chemischen Industrie und nachgeschaltete Anwender stehen in der Pflicht. Sie müssen feststellen, ob und in welchem Maße sie vom Zulassungsverfahren betroffen sind, und sach- und fristgerecht handeln.

Zurzeit sind 22 SVHC-Stoffe in Anhang XIV der REACh-Verordnung gelistet. Für 14 zulassungspflichtige Stoffe sind die Antragsfristen abgelaufen. Ein weiterer Antragsschluss ist im Oktober 2014 terminiert. Die Kandidatenliste der in Anhang XIV aufzunehmenden Stoffe zählt aktuell 151 Substanzen.

Ziele der Zulassung

Ziel des Zulassungsverfahrens im Besonderen und von REACh im Allgemeinen ist es, den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor schädigenden Wirkungen von Chemikalien zu verbessern. Zudem soll die Wettbewerbsfähigkeit in der EU erhöht und die Verwendung von Alternativmethoden und -technologien gefördert werden. So sollen im Zulassungsverfahren nur solche Herstellungs- und Verwendungsarten zugelassen werden, die hinsichtlich ihrer Risiken ausreichend beherrscht werden.

Zu beachten ist, dass eine Zulassung zeitlich begrenzt gilt. Zugelassen wird nicht pauschal ein Stoff, sondern nur die beantragte und genehmigte Verwendung des jeweiligen Stoffs. Dies gilt unabhängig von der Menge; eine Mengenschwelle kennt die Zulassung nicht.

Sonderregelung für Erzeugnisse

Das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die in Anhang XIV gelistete Stoffe enthalten, unterliegt keiner Zulassungspflicht. Allerdings ist die Einarbeitung eines in Anhang XIV aufgenommenen Stoffes in ein Erzeugnis zulassungspflichtig.
Dies wird häufig verwechselt mit der Pflicht zur Weitergabe von Informationen über SVHC in Erzeugnissen gemäß REACh Art. 33, also einer reinen Kommunikationspflicht.

Besonders besorgniserregende Stoffe

Bis ein SVHC-Stoff in Anhang XIV gelistet ist, müssen im Grunde zwei Schritte erfolgen:

1. Der Stoff muss nach Artikel 57 als besonders besorgniserregend identifiziert und nach dem Verfahren in Artikel 59 in die Kandidatenliste aufgenommen werden.

2. Der Ausschuss der Mitgliedsstaaten (MSC) und die ECHA priorisieren ausgewählte Chemikalien der Kandidatenliste. Diese werden schließlich im Rahmen des Ausschussverfahrens nach Artikel 133 Abs. 4 in den Anhang XIV aufgenommen.

Dabei sind SVHC-Stoffe in vier Kategorien unterteilbar:

  • CMR-Stoffe (Carcinogenic, Mutagenic and toxic to Reproduction): krebserzeugende, erbgutverändernde und fortpflanzungsgefährdende Stoffe;
  • PBT-Stoffe (PBT = persistent, bioaccumulative and toxic): Stoffe, die sich im Körper anreichern, schwer abbaubar und toxisch sind;
  • vPvB-Stoffe (vPvB = very persistent and very bioaccumulative): Stoffe, die sehr schwer abbaubar sind und sich sehr stark im Körper anreichern;
  • ELOC-Stoffe (Equivalent Level of Concern): Stoffe, die ebenso besorgniserregend sind, weil sie z. B. endokrin wirken.

Wege im Verfahren

Die Europäische Chemikalienagentur gibt Vorschläge für aufzunehmende Stoffe in Anhang XIV ab. Dabei besteht die Möglichkeit, Verwendungen, die in Zukunft untersagt werden sollen, zu kommentieren. Befindet sich ein Stoff auf der Kandidatenliste, sollten Geschäftsrisiken analysiert werden. Es kann ein Kommentar abgegeben werden, den die ECHA bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entgegennimmt. Wurde der Stoff in Anhang XIV aufgenommen, muss das Unternehmen prüfen, ob eine Zulassung benötigt wird. Anträge können durch Hersteller, Importeure oder Verwender erfolgen. Eine Alternative zur Zulassung bietet der Austausch gegen einen weniger bedenklichen Stoff. Ist ein Zulassungsantrag unumgänglich, muss über den Weg der Zulassung entschieden werden. Folgende Möglichkeiten stehen zur Wahl:

1. Den Antrag einzeln stellen
2. Gründung eines Zulassungskonsortiums
3. Beteiligung an einem Zulassungskonsortium
4. Kauf eines Letter of Access vom Zulassungskonsortium

Antrag: komplexe Anforderungen

Der Zulassungsantrag muss eine Analyse der Alternativstoffe und/oder -technologien enthalten, die mögliche Entwicklungs- und Forschungstätigkeiten und Risiken beschreibt. Zudem muss der Antrag die Identität des Stoffs, den Namen und die Kontaktdaten des Antragstellers, einen Substitutionsplan und ein Ersuchen um Zulassung mit Angabe der Verwendungen beinhalten. Wird das Risiko bei der Verwendung des Stoffes nicht ausreichend beherrscht, ist eine - sehr aufwendige - sozioökonomische Analyse im Zulassungsantrag erforderlich. Der Zulassungsantrag muss fristgerecht abgeben werden und wird durch unterschiedliche Gremien geprüft. Die Stellungnahmen aller Gremien werden an den Antragsteller übergeben. Dieser muss innerhalb eines Monats der Europäischen Chemikalienagentur mitteilen, ob das Unternehmen dazu Stellung nimmt. Durch das Kommentieren kann die endgültige Stellungnahme gegebenenfalls beeinflusst werden. In der öffentlich zugänglichen Datenbank der ECHA und im EU-Amtsblatt werden die Kommissionsentscheidungen veröffentlicht. Es besteht jedoch keine Garantie auf eine Annahme des Antrags. Wird eine Zulassung erteilt, muss der Inhaber die Zulassungsnummer im Etikett angeben und Sicherheitsdatenblätter und Registrierungsdossiers aktualisieren. Zu beachten ist, dass eine Zulassung zeitlich begrenzt ist. Sie ist an eine Überwachung und an bestimmte Auflagen geknüpft. Meist erfolgt eine befristete Überprüfung, deren erneute Terminierung im Einzelfall festgelegt wird.

Strategische und wirtschaftliche Aspekte

Die Europäische Chemikalienagentur erhebt eine Gebühr für die Zulassung, wie das schon bei der Registrierung unter REACh der Fall ist. Diese ist jedoch nicht unerheblich und wird mit dem Einreichen des Antrags fällig. Sonderregelungen gelten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Je nach Größe des Unternehmens, der Stoffe und der Anzahl der Verwendungen fällt die Höhe der zu zahlenden Summe unterschiedlich aus. Zu überlegen ist beispielsweise die Gründung eines Konsortiums oder eine Beteiligung daran, um so Kosten zu teilen und damit zu senken. Alternativ kann ein Unternehmen auch eigenständig einen Zulassungsantrag stellen. Dies ist dann sinnvoll, wenn andernfalls etwaige Geschäftsgeheimnisse offenkundig würden. In Falle eines eigenständigen Antrags trägt das Unternehmen die Kosten für den Zulassungsantrag allein. Für welche Möglichkeit sich ein Unternehmen entscheidet, ist letztlich sehr individuell. Kosten und strategische Aspekte spielen eine Rolle und sind abzuwägen. Eine sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Thema Zulassung unter REACh ist daher unerlässlich.

Kontakt:
Dr. Dieter Reiml
TÜV Süd Industrie Service GmbH, München
Tel.: 089/5791-1004
dieter.reiml@tuev-sued.de
www.tuev-sued.de/is

Dr. Daniel Mauder
TÜV Süd Industrie Service GmbH, München
Tel.: 089/5791-3934
daniel.mauder@tuev-sued.de
www.tuev-sued.de/is