Strategie & Management

Innovation in der Chemieindustrie

Systematische Bearbeitung, Priorisierung und Implementierung neuer Ideen erhöht Innovationspotential

16.07.2014 -

Der erste Teil der Beitragsserie „Innovation in der Chemieindustrie" befasste sich mit dem Aspekt Innovationsstrategie, der zweite Teil behandelte die wertorientierte Steuerung der kreativen Aktivitäten im Innovationsprozess. In diesem dritten Artikel werden nun die Möglichkeiten und Herausforderungen am Beispiel der Produktinnovation beleuchtet.

Den Kern eines erfolgreichen Innovationsmanagements bildet ein strukturierter Innovationsprozess, der aus einer Vielzahl von Ideen die besten selektiert und sie in marktfähige Produkte, implementierbare Prozesse oder Geschäftsmodelle umwandelt.

Ideengenerierung

Die meisten Unternehmen sind sich der großen Bedeutung der Ideengenerierung bewusst. Dennoch liegt erfahrungsgemäß der Fokus der Innovationsanstrengungen auf den Phasen Filterung und Priorisierung sowie Implementierung. Insbesondere die schwierige Steuerbarkeit der Ideengenerierung schreckt Unternehmen davon ab, die Aufgabe zielgerichtet in Angriff zu nehmen. Daher wird diese Phase oft auch als „fuzzy front end" von Innovation bezeichnet. Weitverbreitet ist die Meinung, dass Ideengenerierung zufällig passiert und nicht zu managen ist.

Es ist zwar richtig, dass man die Ideenfindung nicht in einem strengen Prozess steuern kann. Dennoch gibt es wirkungsvolle Stellschrauben, ein positives Umfeld zu schaffen, das die Kreativität der Mitarbeiter stimuliert und ihre Motivation fördert, aktiv am Innovationsprozess teilzunehmen:

  • Top-Management steht hinter Innovation: Das Top-Management unterstützt geschlossen die Innovationsinitiativen und agiert als Vorbild und Multiplikator im Unternehmen.
  • Prozesse bilden den Rahmen: Die Mitarbeiter können z. B. ihre Ideen und Vorschläge unkompliziert in einem Online-Netzwerk einreichen und dort virtuell diskutieren und bewerten.
  • Ideengenerierungs-Tools als direkte Quelle von Ideen: Beispiele für Ideengenerierungs-Tools sind die systematische Auswertung von Kundenbeschwerden, Ideengenerierungs-Workshops oder die Analyse von sozialen Netzwerken mit Big-Data-Technologien. Die Auswahl und Implementierung dieser Tools hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab: Zum einen von den Fähigkeiten und den Kapazitäten des Unternehmens, zum anderen von der Innovationsstrategie und dem darin beschriebenen Fokus der Ideengenerierung: marktgetriebene Ideengenerierung (pull) vs. technologiegetriebene Ideengenerierung (push).
  • Wissensmanagement verteilt Wissen: Oft kommen neue Ideen durch die Verknüpfung oder die Weiterentwicklung von vorhandenen zustande. Ein Ideen- bzw. Wissensmanagement sorgt für die organisationsweite Verteilung aller jemals generierten Ideen bzw. der „Ideenfragmente".
  • Jeder darf innovieren: In vielen chemischen Unternehmen herrscht noch die Auffassung, dass nur die F&E-Abteilung Ideen generiert - manchmal unterstützt durch das Marketing bzw. Technische Marketing. Erfahrungsgemäß sind aber auch Mitarbeiter, die nicht direkt mit den chemischen Produkten arbeiten (wie z.B. Controlling oder Produktion), oder Personen außerhalb der Organisation (z.B. Open Innovation) gute Ideengeber für Produktinnovationen, da sie einen „frischen" Blick haben und eine neue Perspektive einnehmen.

Trotz dieser scheinbaren Steuerbarkeit von Ideengenerierung mit Hilfe von Methoden und Prozessen ist letztlich jede Idee das Produkt der Kreativität der Mitarbeiter, die wiederum stark durch die Unternehmenskultur beeinflusst wird. Die beschriebenen Maßnahmen bilden jedoch ein stabiles Fundament für die Ideengenerierung.

Filterung und Priorisierung

Die Filterung und Priorisierung der generierten Ideen geschieht in einem mehrstufigen Prozess, bei dem typischerweise eine Analyse und anschließende Bewertung zwei- bis dreimal - mit steigendender Genauigkeit - wiederholt werden. Wie bereits in dem ersten Teil dieser Artikelserie erwähnt, ist für diesen Schritt eine klar beschriebene Innovationsstrategie unentbehrlich, da hiervon u.a. die Filterkriterien abgeleitet werden.

Jede Idee wird anhand verschiedener Dimensionen analysiert und idealerweise durch ein eigens für das Unternehmen entwickeltes Ranking-Modell bewertet. Typische Dimensionen sind z.B. technische Umsetzbarkeit, Ressourcenaufwand und Übereinstimmung mit der Unternehmensidentität. Zudem sollten K.O.-Kriterien vorhanden sein. Damit können Ideen, die z. B. gegen Markenwerte, Regularien oder die soziale Verantwortung verstoßen, sofort erkannt werden.

Die größte Schwierigkeit in dieser Phase ist für viele Unternehmen, die richtige Balance zwischen Aufwand und Nutzen zu finden. Erst diese Balance ermöglicht eine optimale Ressourcenallokation und eine geringe Entwicklungszeit für maximalen Innovationserfolg: Analyse und Ranking sollten „so genau wie nötig, aber so schnell wie möglich" sein.

Das Resultat dieser Phase sind priorisierte Ideen. Die Dokumentation erfolgt in einem Business Case für jede Idee, der an dieser Stelle jedoch ebenfalls eine sinnvolle Balance zwischen Aufwand und Nutzen bieten sollte. Abhängig von der Verfügbarkeit der Ressourcen und der Unternehmensstrategie kommen ausgewählte, hoch priorisierte Ideen in die Implementierungsphase. Die restlichen Ideen werden in einer Datenbank gespeichert, um sie in regelmäßigen Abständen zu prüfen oder um daraus neue Ideen zu entwickeln.

Implementierung

Während der Implementierungsphase „reifen" Ideen zu Innovationen heran. Für die Implementierung wird in der Regel ein Projekt aufgesetzt, da diese Phase unterschiedliche Personen aus der ganzen Organisation bindet und viele finanzielle Ressourcen benötigt. Die Implementierung kann einige Monate (bei Produktverbesserungen) oder auch mehrere Jahre (bei der Neuentwicklung von Produkten) dauern.

Erfolgsfaktor in dieser Phase ist ein effizienter und effektiver Prozess mit klaren Verantwortlichkeiten. Nur so sind eine schnelle Markteinführung und die frühe Einbindung von potentiellen Kunden des Produkts möglich. Die Zusammenarbeit mit dem Kunden kann z.B. bei der Definition der Value Proposition helfen oder die Entwicklung von technischen Parametern unterstützen.

Unsere Erfahrung zeigt, dass das Konzept des „rückwärtsintegrierten" Produktmanagers als Projektleiter in der Lage ist, diese Erfolgsfaktoren sicherzustellen. Aus Sicht der Unternehmensorganisation bedeutet das, dass die Phasen Ideengenerierung und Filterung und Priorisierung zum zentralen Innovationsmanagement gehören, die Phase Implementierung jedoch beim Produktmanagement verankert ist. Dieses Konzept erzeugt eine konsequente Marktausrichtung und verhindert einen „Bruch" zwischen der Implementierungsphase und dem Tagesgeschäft, was eine schnellere und leichtere Markteinführung ermöglicht.

Besonders wichtig sind klare Zieldefinitionen und ihre kontinuierliche Überprüfung. Nur so lassen sich die notwendigen Maßnahmen und die Grenzen des Aufwands definieren. Es ist normal, dass nur wenige Ideen bis zur erfolgreichen Produkteinführung reifen. Ein Abbruch des Projektes darf nicht mit dem Scheitern des Projektteams gleichgesetzt werden, sondern soll von den Mitarbeitern - genau wie der Projekterfolg - als Ergebnis konsequenten Managements bewertet werden. Das funktioniert nur mit der richtigen Innovationskultur.

Fazit

Die erfolgreiche Einführung einer Innovation ist eine der herausforderndsten Aufgaben im Innovationsmanagegement. Wir sehen die folgenden kritischen Erfolgsfaktoren in den Phasen:

- Ideengenerierung: Auswahl von Konzepten und Methoden

- Filterung und Priorisierung: Abwägen von Aufwand und Nutzen sowie Anpassen der Filterkriterien an die Innovationsstrategie

- Implementierung des Entwicklungsprojektes: Anwendung des Konzepts des „rückwärtsintegrierten" Produktmanagers

Ohne eine zum Unternehmen passende und von den Mitarbeitern gelebte Innovationskultur ist es jedoch in allen drei Phasen schwierig, das volle Innovationspotential des Unternehmens zu hebeln. Im nächsten Artikel dieser Serie werden wir darauf eingehen, wie mit der richtigen Kultur der Innovationserfolg eines chemischen Unternehmens gesteigert werden kann.

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