Anlagenbau & Prozesstechnik

Optimierung von Turnaround-Terminplänen

Monte-Carlo-Simulation hilft bei der Bewertung und Quantifizierung von Zeit- und Kostenrisiken

11.11.2014 -

Die große Herausforderung bei Turnarounds in der Großindustrie besteht in der richtigen Abstimmung von Ressourcen, Zeit und dem geplanten Umfang des Projekts. Möglichst kurz soll der Stillstand sein, um die entgehenden Deckungsbeiträge gering zu halten. Gleichzeitig müssen alle notwendigen Arbeiten abgeschlossen sein. Monte-Carlo-Simulationen der Terminplanung können hierbei helfen.

Turnarounds sind Mammutprojekte und daher immer Ausnahmezustand für den Anlagenbetreiber. Oft sind tausende Arbeiter an Tanks, Kolonnen, Rohrleitungen und vielen weiteren Equipments tätig, teils dutzende Schwerlastkräne heben tonnenschwere Anlagenteile und Container dienen als zusätzliche Büro-, Besprechungs- und Sanitärräume. Außerdem ist die Umgebung betroffen: Ein Pendelverkehr mit Bussen transportiert die zusätzlichen Arbeiter zum Werksgelände, Freiflächen dienen als Parkplätze und Stellplatz für Wohn- und Schlafcontainer und Zufahrtsstraßen müssen für die Lieferung von vorgefertigten Reaktoren oder anderen Teilen abgesperrt werden.

Mit hohem Aufwand wird versucht, den Turnaround so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen. Denn jeder Tag, an dem eine Anlage nicht produziert, kostet viel Geld in Form von verlorenen Deckungsbeiträgen. Ist die Zeit allerdings zu knapp bemessen, drohen Zusatzkosten, Produktionsausfälle und Lieferengpässe. Doch die Erfahrung zeigt: Kaum ein Projekt verläuft zu hundert Prozent nach Plan. Eine verlässliche und realistische Terminplanung, die den dynamischen Charakter eines Stillstands reflektiert, ist deshalb für einen erfolgreichen Turnaround unerlässlich.

Der Unsicherheit mit Stochastik begegnen

Wann genau ist der Terminplan in der richtigen Balance zwischen notwendiger Stillstandsdauer und ausreichenden Reserven, um auf Unvorhergesehenes und eintretende Risiken zu reagieren? Immer mehr Turnaround-Verantwortliche wenden hierfür die so genannte Monte-Carlo-Simulation an. Das stochastische Verfahren basiert auf Zufallszahlen und wurde daher nach dem bekannten Stadtteil von Monaco mit den zahlreichen Kasinos benannt. Es hat sich als wichtiges Instrument im Risiko- und Projektmanagement zur Bewertung und Quantifizierung von Zeit- und Kostenrisiken bewährt. Basierend auf einem bestehenden Terminplan und den im Simulationsmodell erfassten Projektrisiken wird deren Einfluss auf den kritischen Pfad und den Endtermin berechnet. Durch klassische Zeitpläne kann man in der Regel lediglich Aussagen über eine gewisse Anzahl von Szenarien treffen, z.B. über die kürzeste und längste anzunehmende Stillstandsdauer. Doch diese Aussagen sind immer deterministisch, da Termine meist statisch angelegt sind. Aber Termine verschieben sich, wenn Arbeiten länger als geplant dauern und die daraus resultierenden Folgen können nicht erfasst werden. Eine Monte-Carlo-Simulation kann hier Abhilfe schaffen - indem sie sämtliche Projektszenarien durchrechnet und dabei die erfassten Risiken betrachtet. Allen voran die Unsicherheit, dass eine Arbeit länger oder kürzer dauern kann als im Terminplan vorgesehen. Typische Risiken werden ebenfalls einkalkuliert, beispielsweise Unwetter. Oft können bestimmte Tätigkeiten, etwa Schweißarbeiten, nämlich dann nicht durchgeführt werden und Anschlussarbeiten verzögern sich.

Mit Zufallsszenarien zu validen Aussagen

Die Simulation entscheidet für jede Position zufällig, ob ein Risiko eintritt und welche Auswirkungen es auf nachfolgende Termine und den Endtermin hat. Anschließend wird für jeden Durchlauf ein Einzelszenario gebildet, das einen möglichen Projektausgang beschreibt. Das kann beliebig oft wiederholt werden, bevor die Szenarien auf der Skala zwischen Best Case und Worst Case statistisch ausgewertet werden. Im Ergebnis erhalten Planer eine Aussage darüber, wie wahrscheinlich die Erreichung von Einzelterminen und des Projektendtermins ist. So kann z.B. die Wahrscheinlichkeit, dass der Projektendtermin erreicht wird, bei nur 20 Prozent liegen. Um die angestrebte 80%ige Wahrscheinlichkeit zu erreichen, wären fünf zusätzliche Tage nötig. Das Ergebnis ermöglicht außerdem die Identifizierung der Risiken, die den größten Einfluss auf den angestrebten Endtermin haben.

Entscheidend für einen hohen Nutzen der Simulation ist die Qualität der Eingabewerte. Basis für die Monte- Carlo-Simulation ist deshalb eine detaillierte Terminplanung des Stillstands, in der die Verteilung der zu erwartenden Arbeitszeit je Arbeitsschritt berücksichtigt wird, das heißt dessen optimistische, realistische und pessimistische Dauer. Kaum ein Betreiber hat diese Daten vorrätig, daher müssen diese Informationen im Vorfeld durch entsprechende Interviews mit den beteiligten Personen erhoben werden. Die einzelnen Arbeitspakete werden in einem dynamischen Plan verknüpft, damit deutlich wird, wie stark sich der Endtermin ändert, wenn sich einzelne Arbeitspakete zeitlich verschieben. Dieses Vorgehen erfordert Zeit und Ressourceneinsatz, doch zahlt sich am Ende aus. Denn ausgestattet mit diesen Informationen, können Manager die vorhandenen Strategien prüfen und gegebenenfalls anpassen. Die zentrale Frage ist: Plant man mehr Zeit oder wendet man mehr Ressourcen auf, um Arbeiten schneller erledigen zu können?

Risiken aktiv managen

Ein Beispiel: Durch eine Monte-Carlo-Simulation wird identifiziert, dass die verzögerte Fertigstellung einer Kolonne dazu führen kann, dass der vorgesehene Termin für das Wiederanfahren der Anlage mit einer Wahrscheinlichkeit von 30% erreicht wird. Die Ursachen sind Probleme bei der Demontage, die geplante Dauer von Schweißaktivitäten und der mögliche Umfang unerwarteter Reparaturarbeiten. Das Risiko kann aktiv gemanagt werden: Werden die Schweißarbeiten an der Kolonne auch nachts ausgeführt, reduziert sich die Durchlaufzeit entscheidend. Die Wahrscheinlichkeit, den Projektendtermin zu erreichen, steigt auf 75%.

Aber die Simulation kann auch ungenutzte Reserven aufdecken. In den meisten Turnarounds werden vorhandene Puffer nicht produktiv genutzt. Wenn der zuständige Manager im Vorfeld des Projekts bereits optionale Aufgaben listet und plant, können Arbeiten erledigt werden, die zwar sinnvoll, aber nicht unbedingt notwendig oder gar gesetzlich vorgeschrieben sind. Das kann sich z.B. auf das Reinigen bestimmter Komponenten einer Anlage beziehen.

Eine Langfassung dieses Beitrags erschien in INSITE 01/2014, dem Kundenmagazin von T.A. Cook

 

Fachtagung TAR 2015
Am 28. und 29. Januar 2015 trifft sich die Stillstands-Community auf der Fachtagung „TAR 2015 - Turnarounds, Anlagenabstellungen, Revisionen" in Potsdam, um sich über Trends, Herausforderungen und Best Practices auszutauschen. Neben Themen wie Optimierung von Stillstandszyklen, Sicherheitsmanagement und Einsatz innovativer Technologien greifen Experten auch Fragestellungen zu Kontraktorenmanagement, Turnaroundplanung und effizienter Materiallogistik auf. Darunter auch Gert Müller mit seinem Vortrag „Terminpläne - Alles andere als Glücksspiel".
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