Strategie & Management

Ohne Risiken und Nebenwirkungen

Pflanzenarzneimittelhersteller Schwabe implementiert zentrales Produktionscontrolling

16.03.2015 -

Pharmazie und IT haben mehr gemeinsam, als man denkt: Zusammensetzung und Dosierung müssen stimmen, unerwartete Nebenwirkungen sollen ausbleiben. Vitalität und Widerstandskraft sind das Ziel. Last but not least gelten höchste Ansprüche an die Qualität. Die Schwabe-Unternehmensgruppe hat ihren Controllingprozessen, genauer gesagt dem Produktionscontrolling, eine Frischzellenkur verordnet. Geholfen hat ein Experten-Blick von außen, der IT und Prozesse mit Betriebswirtschaft und Branchenanforderungen optimal verbindet.

Ginkgo und Weißdorn, Johanniskraut und Rosskastanie, Brennnessel und Baldrian: Die Schwabe-Unternehmensgruppe setzt seit fast 150 Jahren auf die heilende Wirkung von Pflanzen. Gegründet durch den Apotheker Dr. Willmar Schwabe ist das Karlsruher Familienunternehmen heute führend im Phytogeschäft und produziert apothekenpflichtige Arzneimittel zur Behandlung von Gedächtnisproblemen, Herzschwäche, Harndrang, depressiven Verstimmungen, Venenschwäche oder Erkältungen. Insgesamt ist der Phyto- und Homöopathiemarkt international enorm heterogen - und die Herausforderungen steigen. Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel? Verschreibungspflichtig, apothekenpflichtig, „over the counter" (OTC)? Manche deutsche OTC-Produkte sind in anderen Ländern bei gleicher Zusammensetzung verschreibungspflichtig, in China sogar nur in Krankenhäusern erhältlich, in USA dagegen in Drugstores käuflich. Schwabe versucht in jedem Land den höchstmöglichen regulatorischen Standard zu erreichen. Die Anforderungen an Studien und Pharmazeutischen Dokumentationen sind bei Phytopharmaka übrigens die gleichen wie bei synthetischen Arzneimitteln. Doch nicht nur unterschiedliche gesetzliche Auflagen sowie behördliche Zulassungs- und Überwachungsverfahren sorgen für erheblichen Aufwand. Auch die Bereitstellung qualitativ hochwertiger Pflanzenauszüge und Rohstoffe wird durch zunehmende Umweltprobleme immer schwieriger.

International - aber manuell

Schwabe verfolgt eine besondere Qualitätsstrategie bei der Gewinnung der pflanzlichen Extrakte: Alles in einer Hand - und alles in eigener Hand. Angebaut werden die Pflanzen zum Beispiel in Südfrankreich, den USA, China oder Osteuropa in eigenen Anbauplantagen oder bei Vertragsbauern. Die jeweiligen Pflanzenextrakte werden dann an den drei Standorten Karlsruhe, Irland und Schweiz hergestellt. Daraus entstehen schließlich an verschiedenen Standorten weltweit die fertigen Produkte.

Zwei Drittel des Umsatzes generiert Schwabe im Ausland. Die internationale Tätigkeit soll noch weiter verstärkt werden, in erster Linie mit strukturellen Anpassungen und Prozessoptimierungen - zur Kräftebündelung und für mehr Flexibilität. Ein zentraler Schritt war in der jüngsten Vergangenheit die Fusion des Tochterunternehmens Spitzner mit der Muttergesellschaft, die z.B. ein gemeinsames SAP-System zur Folge hatte. Aber auch ein Schlüsselprojekt im Bereich Controlling wird einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit leisten. Denn: Die produzierenden Unternehmen innerhalb der Schwabe-Gruppe trugen unterschiedlichste Produktionskennzahlen in unterschiedlichen Systemplattformen zusammen, zum Teil sogar von Hand, um sie unterschiedlich auszuwerten. Auf Dauer ein zu heterogenes und zeitintensives Verfahren, das automatisiert werden sollte.

Einheitlich und übersichtlich

Gesamtbetriebswirtschaftlich sollte das „Working Capital" optimiert und die Liquidität erhöht werden. Außerdem benötigte das Unternehmen einen genaueren Überblick über die Auslastung der Anlagen bzw. Rüstzeitenanteile, um den Output steigern und die Produktionskosten reduzieren zu können. Abhilfe vom unübersichtlichen bisherigen Vorgehen sollte ein harmonisiertes Produktionscontrolling innerhalb der Schwabe-Gruppe schaffen, das dem oberen Management ein neues Steuerungscockpit an die Hand gibt. Herzstück: der Aufbau eines gruppenweit einheitlichen und SAP-basierten Produktionskennzahlensystems, um „Gleiches mit Gleichem vergleichen" zu können. Erfolgsfaktoren: eine passgenaue Lösung und ein gut abgemischtes Projektteam aus internen und externen Kräften.

„You get what you measure" - Diesen Grundsatz kennen alle Controller. Und so galt es auch hier zunächst einmal die Kennzahlen zu identifizieren, die innerhalb der Schwabe-Gruppe zu Steuerungszwecken benötigt werden. Weitere zentrale Fragestellungen zum Start des Projekts: Aus welchen Datenquellen können diese Produktionskennzahlen nach welchen Regeln in welcher Periodizität abgeleitet werden? Welche funktionalen Anpassungen bzw. Erweiterungen sind erforderlich, um fehlende Produktionskennzahlen im SAP ERP-Umfeld zur Verfügung zu stellen? Und wie kann das Ganze im SAP Business Warehouse umgesetzt werden? Mit Abschluss der ersten Projektphase im Mai 2013 konnte zumindest ein Teil hier bereits beantwortet werden. So beinhaltete das vom Projektteam erarbeitete Fachkonzept die gewünschten einheitlichen Kennzahlendefinitionen - etwa für Rüstzeiten / Fertigungszeiten (Maschine, Personal), Störzeiten / Störcodes, nicht auftragsbezogene Personalzeiten, Personal- und Maschinenkapazität, Auslastung sowie Auftragskosten.

In der anschließenden Blueprint-Phase, die im Februar 2014 abgeschlossen wurde, drehte sich alles um die Definition der technischen Umsetzung. Bestandteile waren das logistische Datenmodell im SAP ERP, der Datenfluss vom SAP ERP nach SAP Business Warehouse und SAP Business Objects sowie ein priorisierter Umsetzungsplan für die verschiedenen Produktionsbereiche bzw. Kennzahlen. Betrachtet wurden dafür die Produktionsbereiche der Muttergesellschaft - inklusive der fusionierten ehemaligen Tochter Spitzner Arzneimittel, heute Betriebsstätte Ettlingen - sowie die Unternehmensteile Deutsche Homöopathie-Union und Schwabe Extracta. Nach erfolgreichem Abschluss des Blueprints läuft seit Anfang 2014 die eigentliche Umsetzungsphase mit der schrittweisen technischen Implementierung der priorisierten Kennzahlen: bereichsbezogen und zunächst beginnend mit Sales-Forecast-Genauigkeit, Bestandskennzahlen, Auftragskosten in der Konfektionierung.

Zentral Richtung Zukunft

Bereits vor Projektende war das Fazit, dass sich die Migration gelohnt hat. Und zwar für die gesamte Unternehmensgruppe. Denn nur für das Mutterhaus hätten sich Aufwand und Investment nicht gerechnet. Das Projektteam hat die Hürden, die ein Projekt dieser Größenordnung und Komplexität immer mit sich bringt, gut genommen, dem Termindruck neben dem laufenden Betrieb getrotzt und „in time" geliefert. Dabei konnten nicht nur heterogene Prozess- und IT-Landschaften, sondern auch heterogene betriebliche Interessen  und unterschiedliche Menschen unter einen Hut gebracht werden. Wichtige Voraussetzungen: Eine professionelle und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen internen und externen Kräften - und ein ganzheitlicher Beratungsansatz, der IT, Prozesse, Betriebswirtschaft und Branchenanforderungen optimal verknüpfte.

Die Schwabe-Gruppe verfügt jetzt über eine Basis für ein Reporting der Produktionskennzahlen, zentral angesiedelt auf der strategischen Plattform SAP Business Warehouse. Unter dem Begriff ‚Kennzahl' verstehen künftig alle damit befassten Mitarbeiter weltweit das Gleiche. Damit sind die Weichen richtig gestellt für künftige Unternehmensschritte.

 

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