Anlagenbau & Prozesstechnik

Profinet - Lösungsplattform für die Prozessautomatisierung

Industrielle Kommunikation ist Schlüsseltechnologie für Industrie 4.0 und Modularisierung

03.11.2015 -

Die industrielle Kommunikation mit Profinet wird auch in der Prozessautomation immer größere Bedeutung ­erlangen und eine Enabler-Technologie für Industrie 4.0 sowie Modularisierung in der Prozessindustrie werden. Dafür sprechen der aktuelle Stand und die in Entwicklung bzw. Planung befindlichen Eigenschaften dieser Ethernet-basierten Kommunikationstechnologie.

Die industrielle Kommunikation ist eine der Schlüsseltechnologien für die moderne Automatisierungstechnik, in der Profibus in den vergangenen Jahren maßgeblich eine Vorreiterrolle übernommen hat. Profibus steuert und überwacht Anlagen, Maschinen bzw. Fertigungs- und Produktionsabläufe, verbindet Insellösungen und verknüpft den Hauptprozess mit Nebenprozessen wie Logistik, Qualitätssicherung oder Instandhaltung. Diese Technologie wird nun – derzeit vor allem in der Fabrikautomation – durch Profinet abgelöst. Hintergrund sind vor allem gestiegene Echtzeitanforderungen, ein Plus an Flexibilität und eine größere Performance, die zum Beispiel bessere Möglichkeiten für die Diagnose von Anlagen und Feldgeräten bietet.

Fortschritt mit Investitionsschutz
Die PNO (Profibus Nutzerorganisation) und deren weltweiter Dachverband PI (Profibus & Profinet International) arbeiten in Abstimmung mit namhaften Anwendern intensiv daran, Profinet als die Lösungsplattform für die Prozess­automatisierung zu etablieren. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist der Investitionsschutz bestehender Anlagen und Ausrüstungen. Um dies sicherzustellen, wird in der Prozess­industrie die Einführung von Profinet schrittweise eingeleitet.
Die Anlagen der Prozesstechnik zeichnen sich durch eine hohe Komplexität aus, viele Anlagen sind explosionsgeschützt und die Automatisierungslandschaft ist sehr heterogen. Der Wunsch der Betreiber und Anwender ist es, diese Vielschichtigkeit zu harmonisieren, die Anlagen für Daten bzw. Informationen voll durchgängig sowie leichter handhabbar und damit betriebssicherer zu machen.
Eine besonders herausfordernde Erwartung der Prozessindustrie ist das Zusammenwachsen der Automatisierungstechnik mit der IT-Welt mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Chemie­unternehmen auch für die Zukunft zu sichern.
Abweichend von den Großanlagen der Branchen Chemie, Petrochemie und Öl & Gas gibt es Industriebereiche mit deutlich geringeren Anforderungen bezüglich z. B. Kabelwege oder Explosionsschutz. Dazu gehören die Bereiche Lebensmittel, Umwelt, Wasser und Abwasser, Biowissenschaften, Pharmazie und andere.

Anforderungen der Prozessindustrie erfüllen
Die Prozessautomatisierung stellt im Vergleich zur Fertigungsautomatisierung andere Anforderungen an die Kommunikationstechnik. Die räumlich meist ausgedehnten Anlagen haben eine Lebensdauer von 15-40 Jahren; darin laufen häufig kontinuierliche Produktionsprozesse ab, deren Abbruch oder Störung ein hohes Gefährdungspotential für Mensch und Umwelt darstellen können. Ein ungeplanter Stillstand kann gleichzeitig hohe finanzielle Einbußen bedeuten. Wunsch der Betreiber ist es, einen durchgängigen horizontalen wie vertikalen Daten- bzw. Informationsfluss zu schaffen. Daraus ergeben sich an die Kommunikationstechnik deutliche Vorgaben:

  • die Installationstechnik und die Feldgeräte müssen einfach und durch einen Facharbeiter handhabbar sein
  • der Einsatz im Ex-Bereich, auch mit Zündschutzart „Eigensicherheit“ muss möglich sein lange Kabelwege (bis zu 1000 m) müssen bewältigt werden
  • eine flexible Topologiegestaltung muss realisierbar sein
  • Redundanzkonzepte für kritische Komponenten müssen zur Verfügung stehen.

Die Kommunikationsschnittstelle soll standardisiert sein, um das Zusammenwirken von Komponenten unterschiedlicher Hersteller sicherzustellen. Sie muss, ebenso wie die zugehörigen Planungs-, Asset Management- und Leittechniksysteme, über folgende Eigenschaften verfügen:

  • höchste Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit
  • Eingriffe müssen bei laufendem Anlagen­betrieb möglich sein, ohne diesen zu stören
  • der Gerätetausch muss einfach durchführbar sein
  • die Eignung für große Mengengerüste von 10.000 oder mehr Geräte muss gewährleistet sein
  • Investitionsschutz für Bestandsanlagen auch bei Technologiewechsel in der Leittechnik muss sichergestellt sein.

Die Kommunikationsplattform im Überblick
Profibus PA ist die heute etablierte, zeitgemäße und zukunftssichere Kommunikationslösung für die Prozessautomation. Digital bis zum letzten Meter, einsatzfähig im Ex-Bereich mit Energiespeisung über den Bus, mit dem die Belange der Prozesstechnik abbildenden Profil 3.02, der Implementierung der NAMUR NE 107 und mit der Unterstützung von FDI ist Profibus PA auf der Höhe der Zeit.
In einigen Branchen wie Lebensmittel, Umwelt oder Life Sciences finden sich Hybrid-Installationen, in welchen Technologien der Fertigungs- und Prozessautomatisierung parallel eingesetzt werden. Häufig bestehen keine besonderen Anforderungen an den Explosionsschutz oder lange Leitungslängen, sodass die in der Fabrikautomation etablierte Schnittstelle und Installationstechnik eingesetzt werden kann. Bei den hier eingesetzten Prozessgeräten wird Profinet schrittweise den bisher üblichen Profibus DP ersetzen können mit der Option einer Speisung über PoE (Power over Ethernet). Diese Lösung ermöglicht es dem Anwender, sich einen durchgängigen Informationsfluss, eine nahtlose Integration der Automatisierungssysteme und den offenen Zugang für Gerätekonfiguration und Diagnose über Ethernet zu erschließen.
Durch den Einsatz von Proxies wird es möglich, die Stärken zweier bereits seit Jahren in der Praxis bewährter Technologien zu kombinieren und damit auch für andere etablierte Technologien langfristig einen Investi­tionsschutz zu gewährleisten. PI sieht deshalb im kurzen und mittelfristigen Zeitrahmen diese zwei Technologien als Schlüssel für die Prozessautomation: Profibus PA für Anlagen mit langen Kabelwegen und explosionsgefährdeten Bereichen sowie Profinet mit den heute bereits verfügbaren Geräten in kompakten Anlagen und ausgewählten Branchen.

Nutzen für die Prozessautomation
Bei der sich immer mehr verschärfenden Wettbewerbssituation der globalen Märkte Chemie,  Pharma und Food spielen Anlageneffizienz, Ressourcenoptimierung und Time to Market – sowohl bei Neuanlagen als auch bei Anlagen­erneuerungen oder Routineabschaltungen – eine wichtige Rolle für die Wirtschaftlichkeit der Produktion. Zu allen Punkten kann eine Kommunikationsplattform mit Profibus und Profinet beitragen.
Beim Einsatz von Profinet in der Prozess­technik haben sich die einfachen Prozeduren für Netzaufbau, Verbindungs- und Anschlusstechnik, Netzwerkdiagnose, Topologiedarstellung oder die Nachbarschaftserkennung der Geräte immer wieder bewährt. Die ständige Visualisierung des Netzwerkes und das damit mögliche sofortige Erkennen von z.B. Adresskonflikten unterstützten die Inbetriebsetzung einer Anlage ebenso wie Umbauten oder Erweiterungen; eine erhebliche Zeiteinsparung gegenüber früheren Abläufen ist die Folge. Das automatische Erstellen und Überprüfen der Topologie wird sich besonders auch bei modularen Anlagenkonzepten positiv auswirken und die Handhabung gegenüber der 4-20 mA-Technologie deutlich vereinfachen.
Die Feldgeräte-Diagnose gemäß NAMUR NE 107 ermöglicht vorausschauende Wartung und Condition Monitoring. Ist ein Gerätetausch unvermeidlich, vereinfachen die Profinet-Automatismen die korrekte Durchführung dieser Maßnahme. Basis dafür ist der zyklische Austausch der Nachbarschaftsinformationen der Geräte. Fällt ein Gerät aus, so ist dessen Nachbarschaft bekannt. Ein vorerst noch „namenloses“ Ersatzgerät wird eingesetzt und die Steuerung sucht das eindeutig identifizierbare Nachbarschaftsgerät des defekten Gerätes. Dadurch kann das Austauschgerät die gleiche Position im Netzwerk, die gleiche Adresse und den gleichen Parametersatz wie das ausgefallene Gerät zugewiesen bekommen. Zusätzlich werden Adresse und Positionierung des Gerätes auch im Diagramm der Anlagentopologie dargestellt und können dort überprüft werden. Das zusammen macht einen Gerätetausch sicher und schnell realisierbar, auch ohne Engineering-Tool.

Profinet für die Prozessautomatisierung
Das „PA Profil“(aktuelle Version PA 3.02) ist das generische Geräteprofil von PI für Prozess-Feldgeräte. Es sorgt für ein gleichartiges Verhalten von PA-Geräten verschiedener Typen und von verschiedenen Herstellern beim Engineering und Betrieb an Profibus PA.
Anforderungen und Erfahrungen von Herstellern und Anwendern (u.a. die Berücksichtigung der „Core Parameter“ für den einfachen Gerätetausch) werden aktuell in eine überarbeitete Profilversion eingebracht. Diese wird alle Nutzenelemente der Version 3.02 enthalten und zusätzlich unabhängig von Physical Layer und Protokoll sein. Damit entsteht ein an Profibus- und Profinet-Systemen einheitlich einsetzbares PA-Geräteprofil 4.0.
Die durch Industrial Ethernet mögliche Übertragung großer Datenmengen erweitert den bisherigen Datenaustausch zu einem Informationsaustausch, wodurch dem Betreiber nicht nur Daten und Stichworte, sondern aussagekräftige Informationen aus der gesamten Anlage verfügbar gemacht werden.
PI hat in einem kürzlich erschienenen White­paper dargestellt, welche Funktionen und Fähigkeiten von Profinet bereits heute die Anforderungen der Prozessautomation erfüllen. Das Whitepaper steht zum kostenlosen Download auf der Profibus Homepage zur Verfügung.

Fazit
Profinet als Lösungsplattform für die Prozess­automatisierung stellt zeitlich gestuft alle Technologien und Tools bereit, welche die Prozess­technik für die durchgängige Automatisierung ihrer Anlagen auf der Basis von Industrial Ethernet benötigt. Die wichtige erste Stufe ist dabei der umfassend gesicherte Einsatz von Profinet in neuen PA-Anlagen mit Werkzeugen zur Integration der installierten Basis von 4-20 mA, Profibus PA und anderen Bussystemen. Im weiteren Verlauf entstehen Technologien zu einer horizontal und vertikal durchgängigen Profinet-Automatisierungslösung für die Prozesstechnik. Beide Schritte werden zu weiterer Effizienzsteigerung der Unternehmen und damit zu ihrer Wettbewerbsposition im Umfeld von Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge beitragen.

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