Chemie & Life Sciences

Kunststoff-Innovationen im Namen der Medizin

Styrolkunststoffe helfen bei der Bewältigung aktueller und künftiger Herausforderungen im Gesundheitssektor

11.10.2016 -

In kaum einem anderen Sektor vollzieht sich der technische Fortschritt so schnell wie im Gesundheitswesen – und kein anderer wirkt sich so stark auf unser Leben aus. Polymerkunststoffe gehören zu den verbreitetsten Materialien in diesem Bereich und spielen eine Schlüsselrolle in der Bewältigung einiger der größten Herausforderungen im Gesundheitswesen.

Ampullen für Impfstoffe, Infusionssets, Transfusionsgeräte oder Vernebler sind nur einige wenige Beispiele für die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten für Styrolkunststoffe im Gesundheitssektor. Sie sind stabil, belastbar, leicht zu verarbeiten und in opaken (z.B. ABS, ASA) sowie hochtransparenten (z.B. MABS, SMMA, SBC) Varianten verfügbar. Styrolkunststoffe, die in spezialisierten Anlagen für den medizinischen Bereich produziert werden, erfüllen höchste Qualitätsstandards. Ihr unübertroffenes Preis-Leistungs-Verhältnis macht Styrolkunststoffe besonders attraktiv für Anbieter von Systemlösungen im Gesundheitsbereich.

Hygiene, Sterilisation und chemische Beständigkeit

Hygiene stellt einen zentralen Aspekt des Gesundheitswesens dar. Jedes Jahr ziehen sich allein in Europa geschätzte 4,1 Mio. Patienten bei der Behandlung eine Infektion zu. Wo der Einsatz von Einwegprodukten nicht möglich ist, verlagert sich das Hauptaugenmerk bei der Hygiene auf die Eliminierung von Krankheitserregern. Effektive Sterilisationsmethoden wie Gamma- oder Elektronenbestrahlung, Ethylenoxid, Dampf oder NO2 helfen dabei, Hygieneprobleme in den Griff zu bekommen, können die zu sterilisierenden Gegenstände aber durch deutliche Farbveränderungen und Materialschwächung beschädigen.

Medizinische Bauteile aus bestimmten Styrolkunststoffen zeigen vergleichsweise wenig Reaktion auf die meisten Sterilisationsmethoden. Insbesondere die Kunststoffe Zylar und Stryolux erweisen sich in der Praxis als extrem resistent gegen Gamma- oder Elektronenbestrahlung. In der Entwicklung befindet sich ein neuer Novodur-Typ aus der Produktfamilie der ABS-Polymere, der sich durch eine besonders hohe Beständigkeit gegen Krankenhausreiniger und Alkohole wie Isopropanol, Melsept SF und Hexaquart Forte auszeichnet. Die hierfür verantwortliche Verbesserung der Spannungsrissbeständigkeit (ESCR) von Novodur konnte bei diesem neuen Typ noch weiter verbessert werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Sterilisierbarkeit in Verbindung mit ausgezeichneten mechanischen Eigenschaften, guter Verarbeitbarkeit und Spannungsrissbeständigkeit heben Styrolkunststoffe von vielen anderen, im Gesundheitssektor verwendeten Materialien, ab.

Für künftige Anwendungen arbeiten die Hersteller von Styrolpolymeren derzeit an einer Reihe von Entwicklungen, die technische Vorzüge wie eine verbesserte Haftfähigkeit oder antimikrobielle Eigenschaften bei gleichbleibender Verarbeitbarkeit und mechanischem Eigenschaftsprofil aufweisen. Hierzu zählt die Grundlagenforschung zu antimikrobiellen Oberflächenlösungen, die das Risiko einer Übertragung potenziell schädlicher Verbindungen aus dem Polymer in den menschlichen Körper minimieren.

Compliance

Sich ständig weiterentwickelnde, gesetzliche Vorgaben gehören zu den großen Herausforderungen im Gesundheitssektor. So stellen wir den verstärkten Einsatz von Materialien fest, die vom Hersteller nach den wichtigsten Normen des Gesundheitswesens, etwa Biokompatibilität, geprüft werden. Im Vergleich zu vielen anderen gebräuchlichen Materialien bieten die speziellen HD-Typen unter den Styrolkunststoffen langfristige Lösungen und verlängerte Fristen bei Änderungsmitteilungen. Sie entsprechen einer ganzen Reihe von Regularien, angefangen bei der US-FDA und EU-Lebensmittelkontakt-Regulierung, bis hin zu Biokompatibilitätstests wie ISO 10993/USP Class VI. Als flächendeckender Trend lässt sich die Forderung von OEM aus dem Medizinbereich nach gleichbleibender Zusammensetzung (Recipe Consistency) für die meisten ihrer Anwendungen identifizieren.

Full-Service-HD-Pakete können dabei helfen, Zeit, Geld und Ressourcen bei der Vorauswahl von Materialien zu sparen, sodass sich die Kunden ganz auf ihre Produkte konzentrieren können. So können die Komplettpakete eine Änderungsmitteilung mit einer Frist von 36 Monaten (Notification of Change, NOC) beinhalten und darüber hinaus die umfassende Einhaltung behördlicher Auflagen (USP-Klasse VI, ISO 10993, FDA und Verordnung für Lebensmittelkontakt, DMF, Genehmigungsschreiben) bieten. Verstärkte technische Unterstützung (Farb- und Anwendungsentwicklung, Design-Unterstützung) sowie langfristige, weltweite Versorgungssicherheit sind weitere besondere Vorteile des HD-Komplettpakets.

Gängige Beispiele für Anwendungen von Styrolpolymeren im Gesundheitsbereich sind transparente Styrolux- und Zylar-Produkte, die etwa in Geräten für Diabetiker, Verpackungen, Infusionssystemen und Verbindungen zum Einsatz kommen. Durch ihre ausgezeichnete Fließfähigkeit und Verarbeitbarkeit eignen sich Zylar und Styrolux ideal für den Mehrfachspritzguss - die, im Vergleich zu herkömmlichen Materialien, niedrigeren Temperaturen ermöglichen eine Energieersparnis und kürzere Produktionszyklen. Die HD-Materialien Zylar, Terlux HD, Styrolux, NAS und Luran bieten genau die Eigenschaften, die für transparente, medizinische Anwendungen gebraucht werden.

3D-Druck bietet immenses Innovationspotenzial

Wie in vielen anderen Bereichen stellt der 3D-Druck auch im Gesundheitssektor einen wichtigen Trend dar. Zahnärzte und -techniker nutzen 3D-Druckverfahren mit Keramik-/Acrylpulvern zur Fertigung von passgenauem Zahnersatz schon seit über zehn Jahren. Noch vor kurzem hätte sich niemand eine Welt vorstellen können, in der Knochenimplantate, individuell an die Anatomie eines Patienten angepasst, hergestellt werden oder Chirurgen komplexe Eingriffe an einer exakten Nachbildung des jeweiligen Patientenorgans proben können.

Der 3D-Druck macht all dies heute möglich und bietet der Gesundheitsindustrie ein immenses Innovationspotenzial. Dass dieses derzeit noch nicht voll ausgeschöpft wird, liegt zum Teil daran, dass 3D-Druckverfahen bisher noch recht langsam und nicht immer kostengünstig sind.

Andererseits entwickelt sich die Technologie stetig weiter. Ein Beispiel sind transparente Schädeldecken, die neue Möglichkeiten in der Neurologie eröffnen. Auch die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Ineos Styrolution arbeitet aktuell an Verbesserungen für 3D-Druckverfahren und effizienterem Materialeinsatz. Beim am häufigsten eingesetzten FDM-Verfahren (Fused Deposition Modeling”) werden bspw. vielversprechende Ergebnisse mit Styrolkunststoffen erzielt. Bei einem anderen Forschungsprojekt geht es um die Potenziale von Styrolkunststoffen und Mischungen mit anderen technischen Kunststoffen bei pulverbasierten Verfahren, wie etwa dem Laser-Sintern.

Fortschritte bei medizinischen Verpackungen

Während die Zukunftstechnologie des 3D-Drucks das Potenzial für neue technische Möglichkeiten bietet, gibt es aktuell auch beachtliche Fortschritte im Bereich medizinischer Verpackungen. Moderne Verpackungslösungen für den Gesundheitssektor tragen zur Bewältigung ständig zunehmender Herausforderungen bei, wie etwa Materialeinsparung bei gleichbleibendem Leistungsniveau, verbesserte Verarbeitbarkeit und Sicherheit.

Verpackungen im Gesundheitsbereich lassen sich in pharmazeutische Verpackungen (z.B. Inhalatoren) und Behälter wie bspw. Instrumententabletts einteilen – wobei ersterer zwei- bis viermal so schnell wächst wie der zuletzt genannte. Ineos Styrolution bietet Lösungen für den pharmazeutischen Verpackungsbereich an und deckt etwa zwei Drittel des europäischen Inhalatorenmarktes mit seinen Novodur-Produkten ab, während sich NAS und Zylar für Spritzen eignen. Daneben sind Styrolux SBC-Typen ausgezeichnete Alternativen für nicht-pharmazeutische Anwendungen wie Instrumententabletts und bieten hier technische Vorteile wie etwa eine geringere Dichte als herkömmliche Materialien.

Styrolkunststoffe sind insofern ideal für medizinische Verpackungen geeignet, weil sie eine hohe Transparenz mit ausgezeichneter Chemikalienbeständigkeit, Widerstandsfähigkeit, guter Verarbeitbarkeit und hervorragender Kompatibilität mit den wichtigsten Sterilisationsverfahren kombinieren.

Dies sind nur einige Beispiele der Herausforderungen, Lösungen und Trends des sich ständig verändernden Gesundheitssektors. Styrolpolymere haben diese Entwicklungen seit langem begleitet. Durch Innovationen geht die Entwicklung jedoch stetig weiter, sodass diese Kunststoffe auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei der rasanten Veränderung des Gesundheitsbereichs spielen werden.