Chemie & Life Sciences

Pflanzenbiotechnologie im 21. Jahrhundert

Potenziale gentechnisch veränderter Pflanzen

27.02.2017 -

Die Pflanzenbiotechnologie ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Sie wird eine zunehmende Rolle bei der Bewältigung der globalen Herausforderungen in den Bereichen Ernährung, nachwachsende Rohstoffe, Energie, Gesundheit und Umwelt spielen. Die Pflanzenbiotechnologie umfasst die Entwicklung, Optimierung und Nutzung biotechnologischer Verfahren zur Innovation und Effizienzsteigerung pflanzlicher Produktion. Zudem eröffnet sie neue Möglichkeiten einer verbesserten Nachhaltigkeit der Produktion.

Bis weit ins 20. Jahrhundert erfolgte die Pflanzenzüchtung mit Hilfe konventioneller Methoden wie klassische Kreuzungszüchtung und klassische Mutagenese, unterstützt durch einen konventionell integrierten Pflanzenschutz mit kontrolliertem Einsatz von Dünger und Pestiziden. Diese Strategie war lange erfolgreich, gerät aber aufgrund der rasant wachsenden Weltbevölkerung und den damit verbundenen Anforderungen an die Landwirtschaft an ihre Grenzen. Die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen sind begrenzt und die natürlichen Ressourcen (wie z.B. Wasser) knapp, dennoch müssen die Erträge steigen, um eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Und das alles in den Zeiten des Klimawandels mit Wetterextremen in vielen Regionen.

Um den wachsenden Nahrungsbedarf in 2050 zu decken, wäre ein jährlicher Produktionszuwachs von 2,4% notwendig, davon sind wir jedoch weit entfernt. Die Wachstumsraten liegen bei Hauptnahrungspflanzen wie Mais, Reis, Weizen und Soja mit 1,6%, 1,0%, 0,9% und 1,3% weit darunter.

Konventionelle Züchtung

Die klassische Kreuzungszüchtung (Grafik 1) ist zeitaufwendig; sie erfordert die Kreuzung zweier „Eltern“, wobei es sich bei dem einen Elter um eine Kulturpflanze mit bereits einigen positiven Eigenschaften (z.B. Ertrag oder Fruchtgröße) handelt und einen zweiten Elter, der eine weitere gewünschte Eigenschaft, z.B. eine Resistenz, in die Kreuzungsnachkommenschaft einbringen soll. Nicht selten handelt es sich bei dem zweiten Elter um eine Wildpflanze. Die Nachkommenschaft enthält nun das gemischte Genom beider Eltern, auch unerwünschte Merkmale aus dem zweiten Elter, der Wildpflanze. Diese müssen durch zahlreiche Rückkreuzungsschritte mit der ursprünglichen Kulturpflanze rückgekreuzt werden, um die unerwünschten Eigenschaften – unter Beibehalt der erwünschten – wieder zu eliminieren. Dies ist ein sehr zeitaufwendiges Vorgehen. Bei holzigen Pflanzen, wie z.B. Wein, kann die Züchtung einer neuen Sorte daher mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Darüber hinaus sind dieser Art der Züchtung auch dadurch Barrieren gesetzt, dass nur Pflanzen derselben Art oder nahe verwandter Arten kreuzungskompatibel sind.

Moderne Züchtungsmethoden

Hier kann der Einsatz moderner Züchtungstechniken zu einem schnelleren Erreichen der Züchtungsziele wie Resistenz gegenüber biotischem und abiotischem Stress und verbesserter Effizienz in der Nutzung von Wachstumsfaktoren beitragen. Die verwendeten Methoden sind vielfältig: angefangen von Smart Breeding (Selection with Markers and Advanced Reproductive Technologies) – der Beschleunigung konventioneller Züchtung durch den Einsatz von molekularen Markern zur Detektion von züchtungsrelevanten Eigenschaften in der Nachkommenschaft – über klassische Gentechnik mittels Agrobakterientransfer oder Einsatz der „Partikelkanone“ bis hin zu den „New Breeding“-Technologien mit CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats)/Cas9 als populärsten Vertreter, die u.a. punktuelle Veränderungen der DNA (Genome Editing) ermöglichen.

Bei der Transformation von Pflanzenzellen mit der Partikelkanone wird DNA an winzige Partikel Gold oder Wolfram gebunden und anschließend mit hohem Druck in pflanzliches Gewebe oder einzelne Pflanzenzellen geschossen. Die beschleunigten Partikel durchdringen die Zellwände und -membranen und werden im Zellinnern abgebremst. Die DNA löst sich ab und kann in das Erbmaterial im Zellkern eingebaut werden. In vielen Fällen wird auch der indirekte Weg über Agrobakterium tumefaciens als „Genfähre“ angewendet. A. tumefaciens ist ein weitverbreitetes Bodenbakterium, das Teile seine Erbguts natürlicherweise während des Infektionsvorgangs auf seine Wirtspflanzen überträgt. Durch diese Umprogrammierung erzeugen diese dann Metaboliten, die das Bakterium für sein Wachstum benötigt. Dieser natürliche Gentransfer wird bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen nachgeahmt. Dabei wird der Teil der Erbinformation, den das Bakterium normalerweise aus „egoistischen“ Gründen in die Pflanze überträgt, durch das jeweilige Gen von Interesse im Labor ersetzt.

Diese Methoden der Gentechnik ersparen die zeitaufwendigen Schritte der Rückkreuzung, da lediglich die gewünschte Eigenschaft/das gewünschte Gen direkt eingebracht wird. Darüber hinaus ist der Genpool, auf den diese gentechnischen Züchtungsmethoden zugreifen können, viel größer als in der klassischen Züchtung: Es können Gene aus beliebigen Spenderorganismen übertragen werden.

Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen

In Europa findet der Anbau von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen lediglich in Spanien auf größeren Flächen statt. Auf konstant mehr als 100.000 ha wird gentechnisch veränderter, insektenresistenter (Futter)Mais angebaut – das entspricht etwa 80% der gesamten spanischen Maisanbaufläche. In allen anderen Ländern Europas findet dieser Anbau nicht oder nur auf kleinen Flächen statt. Dies ist einer Verunsicherung der Bevölkerung geschuldet, die von der Politik aufgenommen wird, erzeugt und befeuert vor allem von in der Öffentlichkeit hoch angesehenen Nicht-Regierungsorganisationen. Weltweit sieht die Situation ganz anders aus: In 2015 wurden auf etwa 180 Mio. ha gentechnisch veränderte Sorten angebaut. Diese enorme Fläche entspricht ca. 10% der weltweiten landwirtschaftlichen Fläche und war verteilt auf 28 Länder, davon viele Entwicklungsländer in Südamerika und Asien (Grafik 2). Weltweit nutzen 18 Mio. Landwirte gentechnisch veränderte Nutzpflanzen. Bei den am häufigsten angebauten gentechnisch veränderten Kulturpflanzenarten handelt es sich um Soja, Mais und Baumwolle. In den USA werden diese gentechnisch veränderten Sorten auf über 90% der jeweiligen Gesamtfläche angebaut. Die dominanten Eigenschaften sind Herbizidresistenz und Insektenresistenz, in letzterem Fall hervorgerufen durch Produktion von Bacillus thuringiensis (Bt)-Proteinen. Das Bodenbakterium B. thuringensis produziert kristalline Proteine (Bt-Toxine), die spezifisch auf verschiedene Fraßinsekten toxisch wirken.

Nachhaltigkeit und Effizienz

Der Anbau von Bt-Pflanzen bringt in der Regel höhere Erträge und höhere Nettogewinne für die Landwirte mit sich, vor allem bei hohem Schädlingsdruck. Darüber hinaus ist der Verbrauch von Insektiziden vor allem bei Mais und Baumwolle stark zurückgegangen. Der Anbau herbizidtoleranter Pflanzen hingegen steigert nicht unbedingt die Erträge und Nettogewinne. Dennoch ist das Haushaltseinkommen der Landwirte, die herbizidtolerante Pflanzen anbauen, im Vergleich zu konventionellen Betrieben häufig höher. Durch die vereinfachte Unkrautbekämpfung sparen die Landwirte Zeit. Sie können daher mit ihren Maschinen zusätzliche Aufträge annehmen oder größere Flächen bewirtschaften.

Fast alle herbizidtoleranten gv-Pflanzen, die anfangs auf den Markt kamen, waren unempfindlich gegen das Breitbandherbizid Glyphosat. Ihr Anbau ermöglichte es den Landwirten, auf eine Reihe älterer und deutlich gesundheitsschädlicherer Herbizide zu verzichten. Der jahrelange einseitige Einsatz von Glyphosat hat jedoch dazu geführt, dass eine Reihe von Unkräutern ebenfalls tolerant geworden ist, weshalb viele Landwirte inzwischen größere Mengen des Herbizids ausbringen. Zum Teil wird auch wieder auf ältere Herbizide zurückgegriffen, denn neue Wirkstoffe sind seit 25 Jahren nicht mehr entwickelt worden.

Positive Auswirkungen haben herbizidtolerante Nutzpflanzen auf die Bodenbearbeitung: Landwirte, die solche Pflanzen anbauen, pflügen deutlich weniger als konventionell anbauende Landwirte. Dadurch wird die Erosion des Bodens aufgehalten und der Ausstoß von Treibhausgasen durch Landmaschinen verringert.

Inzwischen kommen jedoch auch gentechnisch veränderte Kulturpflanzensorten mit „neuen“ Eigenschaften auf den Markt: So steht der 2013 erstmals in den USA versuchsweise angebaute, durch gentechnische Veränderung trockentolerante Mais (die von Monsanto und BASF entwickelte Sorte DroughtGard) nun zwei Jahre später bereits auf einer Anbaufläche von 810.000 ha.

Gentechnische Produkte im Alltag

Zwar ist der Anbau von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen in Europa nahezu ohne Bedeutung. Jährlich werden jedoch rund 35 Mio. t Sojabohnen und -schrot aus Nord- und Südamerika in die Europäische Union importiert. Größtenteils handelt es sich dabei um Produkte von gentechnisch veränderten Sorten. Ohne diese Importe wäre die Erzeugung tierischer Lebensmittel auf dem derzeitigen Niveau nicht möglich. In der Schweineproduktion werden nahezu 100% gentechnisch veränderte Futtermittel eingesetzt, bei Milchkühen 90% und bei Legehennen immerhin 60%. Und vergessen Sie nicht: Wenn Sie Ihre neue Jeans anziehen, enthält diese mit hoher Wahrscheinlichkeit Bestandteile gentechnisch veränderter Baumwolle, genauso wie die Geldscheine in Ihrem Portemonnaie!