Anlagenbau & Prozesstechnik

KVP in Zeiten von Industrie 4.0

Lean Challenge nimmt Menschen mit auf dem Weg zur Operational Excellence

20.03.2017 -

Als Qualitätszirkel und Kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts in deutschen Firmen so richtig Fahrt aufnahmen, war die Welt noch eine andere: Man steckte mitten in der dritten industriellen Revolution. In der Automatisierungstechnik wurden pneumatische und auf Analogtechnik beruhende elektrische Geräte und Systeme ausgemustert und durch Digitaltechnik mit konfigurierbarer Firmware ersetzt. Das Internet in der heutigen Form, mobile Kommunikation und die allumfassende Vernetzung waren aber noch weit entfernt.

Mit den rasanten technologischen Weiterentwicklungen der letzten 25 Jahre – genau die Zeitspanne, in der der CHEManager seine Leser in den Prozessindustrien begleitet und informiert – haben sich parallel zu Technik und Produktion in allen Zweigen der Wirtschaft auch besonders Kundenanforderungen gewandelt. Deshalb müssen die Methoden und Zielsetzungen für KVP als Enabler für Operational Excellence immer wieder neu überdacht und angepasst werden -  nach dem Motto „Improving Continuous Improvement“.

Gesamtprozess im Fokus

Der ursprüngliche Fokus von Operational Excellence, nämlich das eigene Unternehmen exzellent zu machen, hatte sich immer mehr zur Optimierung der Produktion entwickelt. Gingen in den 90er Jahren noch etliche Vorstände mittelständischer Unternehmen ein Mal pro Woche zum Warenausgang ihres Unternehmens und öffneten ein versandbereites Paket, um die Lieferung im Hinblick auf Qualitäts- und Produktstandards zu prüfen, so fokussierte der OpEx-Gedanke in den folgenden Jahren oft ausschließlich auf Kostenoptimierung der eigenen Produktion – nicht immer zum Wohle des gesamten Unternehmens. „OpEx muss über die gesamte Supply Chain betrachtet werden“ betont Conor Troy, Chef der gleichnamigen Unternehmensberatung und verweist auf das Beispiel „from farm to fork“, das in der Nahrungsmittelindustrie – nicht nur aus regulatorischen Gründen – konzeptionell verfolgt wird. Ähnlich äußert sich Stefan Oestreich, Senior Manager beim Operational Management Counsel Department von Daimler: „Der ganzheitliche Ansatz, die komplette Supply Chain vom Lieferanten bis zum Kunden zu optimieren, führt zu den tatsächlich niedrigsten Gesamtkosten und damit dem Gesamtprozessoptimum.“ Conor Troy bringt es auf den Punkt: „Entscheidend für den Erfolg von OpEx-Programmen ist zunächst die Bestimmung des Status quo von Prozessen und Organisation und auf dieser Grundlage der Ermittlung einer unternehmensspezifischen Lösung. Besonderen Wert legen wir hier auf das Bewusstsein, dass Silodenken, also die Optimierung der eigenen Insel, überholt ist und stattdessen Programme über die verschiedenen Bereiche Logistik / Einkauf / Vertrieb / Produktion / Instandhaltung im Zusammenhang gesehen und ausgelegt werden müssen.“

Vorne bleiben in stürmischen Zeiten

Die deutsche Industrie findet sich in vielen Branchen weltweit in Spitzenpositionen wieder – und das sollte so bleiben, resümiert der Ire Conor Troy, der seit vielen Jahren mit seinen Ideen Firmen der Prozessindustrie auf dem Weg zu Excellence unterstützt: „Viele Lösungen bei KVP sind Lösungen für Probleme, die es weitgehend nicht mehr gibt. Wir dürfen nicht rückwärtsgewandt, sondern müssen vorwärtsgewandt denken! Bei unserer Methodik steht der Mensch im Mittelpunkt, wir verwirklichen mit den Menschen Potentiale und Visionen, um Unternehmen zu verbessern.“ Dass der Blick von außen auf ein Unternehmen bei der Erarbeitung von OpEx-Maßnahmen hilfreich ist, zeigt die Tatsache, dass er häufig Projekte gecoacht hat, bei denen Probleme an ganz anderen Stellen vermutet wurden als da, wo sie bei näherer Betrachtung lokalisiert werden konnten.

Damit Operational Excellence Programme und Maßnahmen erfolgreich sind, müssen sich diese wandeln vom Expertenprogramm zur Firmenkultur. Conor Troy dazu: „OpEx ist keine Aufgabe nur der OpEx-Experten, sondern aller Unternehmensmitarbeiter vom Vorstand bis zum Werker. OpEx ist kein Sonderthema, das man mal macht, sondern Teil der täglichen, normalen Arbeit. Wir müssen den Mindset ändern, sodass OpEx Teil der täglichen Arbeit wird – das ändert dann auch die Firmenkultur.“

Realität in vielen Firmen ist allerdings die immer noch häufig anzutreffende Meinung: „Six Sigma- und Belt-Ausbilder und ihre Themen sind weit weg vom Arbeitsplatz und seinen täglichen Herausforderungen“.

Stabilität und Veränderung

Auf den Konflikt zwischen dem Wunsch nach Stabilität und der Notwendigkeit für mit Veränderungen verbundenen Verbesserungen weist  Dr. Peter Böttcher, Plant Manager bei der BASF in Ludwigshafen. In Böttchers Anlage werden Pigmente für Farben, Lacke, Kunststoffe, Verpackungen, Agro und Kosmetik herstellt. „Eine Organisation ist primär dafür da, Dinge zu stabilisieren. Änderungen beginnen also mit Destabilisierung. Wenn man einen Veränderungsprozess in Gang setzen will, muss man Gewohnheiten verlassen – wer macht das schon gerne?“ Dafür benötigt man das passende Umfeld von Führungskräften und Mitarbeitern: „Die Ausbildung und Qualifikation der Mitarbeiter muss den Technologiesprüngen, die durch Automation und OpEx-Ziele kommen, angemessen sein. Die Mitarbeiter müssen verstärkt einerseits Spezialisten in ihrem Gebiet sein, aber auch Generalisten, die die gesamte Anlage - und damit die gesamte Wertschöpfung - verstehen.“ Auch Böttcher weist darauf hin, dass OpEx und Effizienzsteigerung verstärkt unter der Sicht des Kunden gesehen werden müssen und nicht nur unter dem Blickwinkel der eigenen Fertigung und stellt fest: „Die intensivste Kommunikation ist dabei an den Schnittstellen zwischen den Bereichen der gesamten Supply Chain erforderlich. Perfektion an einer Stelle bringt nichts, wenn nicht über den Zaun gedacht wird“. Auch für Böttcher ist die Einbeziehung aller Mitarbeiter in die KVP- und Lean-Programme wichtig und nicht eine Haltung wie „das machen die da bei Lean, da bin ich nicht betroffen“.

Motivieren – Messen – Meistern

Damit die Unternehmen und Organisationen angesichts der täglich neu auf sie zukommenden Herausforderungen weiter vorne auf ihrem Weg zum Erfolg bleiben, geht es Conor Troy um die wertschätzenden Bewegung und Entwicklung der Mitarbeiter auf allen Ebenen, auch der Führungskräfte - mit ihren Talenten, ihren Potentialen, ihren Visionen. „Wir legen besonderen Wert auf die Verknüpfung von Potential und Impulsen im Unternehmen über die Hierarchieebenen hinweg. Gelungene Kommunikation ist dafür unumgänglich und eine gelebte Offenheit für Veränderungen und Neuem ist eine Grundvoraussetzung.“ Dass hier Führungskräfte und ihre Motivationsfähigkeit für alle Mitarbeiter besonders in der Pflicht stehen, ist offensichtlich.

Eine OpEx-Veranstaltung der ganz anderen Art, die praktische, spielerische und motivierende Elemente miteinander verbindet, ist die – inzwischen zum vierten Mal stattfindende - Lean Challenge vom 26. bis zum 28. April 2017 in Heidelberg. Unter dem Motto „Motivieren / Messen / Meistern“ vereinigt die Tagung zwei Veranstaltungsformate - zugeschnitten auf die Herausforderungen der Prozessindustrie: Zum einen ist da die Konferenz für Erfahrungsaustausch und Networking mit Führungskräften aus Operational Excellence Prozessen, zum anderen der Mannschaftswettkampf der entsendeten Teams der teilnehmenden Firmen inclusive Best-Practice-Beispielen.

Erstmals in diesem Jahr gibt es den Blick über den Tellerrand der Prozessindustrie hinweg mit Vorträgen aus der Automobilindustrie und der Kommunikationsbranche. Damit soll der Erfahrungsaustausch auf eine noch breitere Basis gestellt werden und neue Impulse, Energien und Motivation für die Weiterentwicklung der OpEx-Programme geschaffen werden.

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