Anlagenbau & Prozesstechnik

Überfüllsicherungen nach dem Wasserhaushaltsgesetz

Was muss bei Überfüllsicherungen nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) beachtet werden?

26.06.2017 -

Betreiber und Planer von Anlagen mit Überfüllsicherungen sind mit Inkrafttreten der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen von Änderungen betroffen.

In der Prozessindustrie ist der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen gang und gäbe. Der Gesetzgeber gibt vor, das Überfüllen von Behältern durch technische Schutzmaßnahmen zu verhindern. In der Praxis werden hierfür Überfüllsicherungen eingesetzt. Unter dem Begriff Überfüllsicherung sind alle zur Unterbrechung des Füllvorgangs und zum Auslösen eines Alarms erforderlichen Teile zusammengefasst. Sie setzen sich aus zulassungspflichtigen und nicht zulassungspflichtigen Anlagenteilen zusammen. Bei ersterem handelt es sich um das Füllstandmessgerät. Bei Erfassung einer definierten Ansprechhöhe durch den Sensor wird ein Ausgangssignal gelbildet. Dieses wird über die Steuerung an die Meldeeinrichtung weitergegeben. Grenzwertgeber und Steuerungseinrichtung sind nicht zulassungspflichtig, müssen jedoch den Zulassungsgrundsätzen für Sicherheitseinrichtungen/Überfüllsicherungen von Behältern und Rohrleitungen (ZG-ÜS) entsprechen. Zur Sicherheitsphilosophie von Überfüllsicherungen gehört auch die Wiederkehrende Prüfung. Für diese gilt: Mindestens einmal im Jahr.
Auf Initiative einiger Bundesländer wurde die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) als bundesweit einheitlicher Ersatz für die länderspezifische Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAwS) auf den Weg gebracht. Unterschiedliche Regelungen auf Ebene der Bundesländer haben den Umgang mit Überfüllsicherungen für Betreiber, Planer und Dienstleister sowie Hersteller sehr kompliziert gemacht. Beispiele hierfür sind abweichende Vorgaben zu Gefährdungsstufen, die Anlagen abhängig von Wassergefährdungsklasse und Behältergröße gruppieren, oder auch unterschiedliche Vorgaben zur Fachbetriebspflicht.

Die neue AwSV: Vereinheitlichung, Erleichterung und Verschärfung
Der Handlungsbedarf in den einzelnen Bundesländern wird nach Inkrafttreten unterschiedlich ausfallen. Eine Erleichterung geht sicher mit der Definition der Gefährdungsstufen einher. Unter Berücksichtigung des im Wasserhaushaltsgesetz verankerten Besorgnisgrundsatzes sind oberirdische Anlagen außerhalb von Schutzgebieten mit einem Fassungsvolumen von weniger als 220 l (flüssig) oder weniger als 200 kg (gasförmig oder fest) von der AwSV ausgenommen. (siehe Tabelle) Verschärft wurde die Verordnung durch Einbindung der Planer. Hier sind nun Nachweise über die Befähigung zur qualifizierten Planung von Anlagen mit wassergefährdenden Stoffen gefordert. Die AwSV zeigt einheitliche Regelungen zur Führung der Anlagendokumentation (wesentliche Informationen über die Anlage wie zum Beispiel Aufbau und Abgrenzung der Anlage oder zu eingesetzten Stoffen) sowie zur Vorhaltung einer Betriebsanweisung (u.a. Uberwachungs,- Indstandhaltungs- und Notfallplan) auf. Wobei das Bedienpersonal zu letzterem vor Aufnahme der Tätigkeit und dann regelmäßig, aber mindestens einmal im Jahr, unterwiesen werden muss.
Auf Länderebene gab es unterschiedliche Auslegungen der Fachbetriebspflicht. Mit der AwSV gilt: Neben unterirdischen Anlagen müssen oberirdische Anlagen mit flüssigen wassergefährdenden Stoffen der Wassergefährdungsstufen C, D sowie innerhalb von Wasserschutzgebieten auch Stufe B von einem Fachbetrieb nach WHG von innen gereinigt, instand gesetzt sowie stillgelegt werden. Gleiches gilt unter anderem auch für Heizölverbraucheranlagen der Stufen B, C und D sowie Biogasanlagen.

Neu: Bundesweit einheitliche Regelung zu Ermittlung der Gefährdungsstufe von Anlagen (Vgl. §39 AwSV)

Ermittlung der Gefährdungsstufen                Wassergefährdungsklasse (WGK)
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Volumen in m3 oder Masse in t                        1                      2                     3

≤ 0,22m3 oder 0,2 t                                         Stufe A           Stufe A           Stufe A

> 0,22 m3 oder 0,2 t ≤ 1                                  Stufe A           Stufe A           Stufe B

> 1 ≤ 10                                                           Stufe A           Stufe B           Stufe C

>10 ≤ 100                                                        Stufe A           Stufe C          Stufe D

>100 ≤ 1.000                                                   Stufe B           Stufe D          Stufe D

>1.000                                                             Stufe C           Stufe D          Stufe D

Bewährte technische Schutzmaß­nahme: Überfüllsicherungen
Die erforderlichen Maßnahmen zum sicheren Betrieb der Anlage werden letztlich über die Wassergefährdungsstufe definiert. Bewährte technische Schutzmaßnahmen sind Überfüllsicherungen, die Instandhaltungspflichten unterliegen. Hierzu zählt die jährlich Wiederkehrende Prüfung, für die das Deutsche Institut für Bautechnik einige Prüfmethoden unter Beachtung der Fachbetriebspflicht zulässt.

Vielfältige Möglichkeiten
Die Durchführung der jährlich wiederkehrenden Prüfung und deren Vor- und Nachteile.

1. Nass Anfahren:
Bei dieser Methode wird die Überfüllsicherung im Behälter durch Befüllung bis zur Ansprechhöhe zum Ansprechen gebracht. Es handelt sich dabei um eine gängige Methode zur Erstinbetriebnahme, die jedoch im laufenden Betrieb nur mit erheblichem Aufwand möglich ist.
+ Test des gesamten Loops
+ integrierter Sensortest
– Aufwand
– Durchführung bei kritischem Prozess

2. Prüfung durch Ausbau
Dies ist eine Ersatzprüfung, bei der die Sonde in der Regel ausgebaut und durch Eintauchen in einen mit Lagermedium oder Ersatzmedium gefüllten Prüftopf zum Ansprechen gebracht wird.
+ Prüfung kann mit vergleichbarem ­Medium durchgeführt werden
+ Nass Anfahren im Tank entfällt
– Aufwändiges Verfahren (personell, ­materiell, zeitlich)
– Gefährdungspotenzial für die ­durchführende Person

3. Simulation der Grenzwerte
Laut den Zulassungsgrundsätzen für Überfüllsicherungen (ZG-ÜS) des Deutschen Instituts für Bautechnik (DiBT) kann die Prüfung auch durch Simulation der Messwerte erfolgen, wenn funktionshemmende Fehler ausgeschlossen werden können. Betreiber nutzen die Methode bevorzugt aufgrund der Aufwandsreduzierung. Bei einigen kontinuierlichen Messsystemen ist dies durch Simulation am 4…20 mA-Ausgang und bei einigen Grenzschaltern durch Unterbrechung oder Kurzschluss der Verbindungsleitung zwischen Sensor und Messumformer-Speisegerät möglich. Entscheidend ist der entsprechende Passus in der bauaufsichtlichen Zulassung des eingesetzten Messgerätes. Dort werden die für das Messgerät zugelassenen Prüfungsmethoden beschrieben und bescheinigt.
+ Aufwandsreduzierung
+ Risikominimierung
+ Test des gesamten Loops
– kein Funktionstest durch reale Füllstandänderung in den Bereich der Ansprechhöhe

Prüfung per Knopfdruck
Der Vibrationsgrenzschalter Liquiphant ist mit unterschiedlichen Elektronikeinsätzen erhältlich. Für den Einsatz als Überfüllsicherung empfiehlt Endress+Hauser die PFM-Elektronik. Diese ist vom DiBT für die wiederkehrende Prüfung nach WHG zugelassen. Via Tastendruck generiert ein Testoszillator drei unterschiedliche Frequenzen. Die Elektronik prüft den Sensor auf unbedeckt, bedeckt oder Sensorfehler, z. B. durch Korrosion oder Ansatz.
Beim Liquiphant FailSafe kann auf die Wiederkehrende Prüfung aufgrund der nachgewiesenen Sicherheit auf bis zu 12 Jahre verzichtet werden – der Sensor ist intern redundant aufgebaut und prüft sich permanent selbst. Nachgeschaltete Anlagenteile können per Knopfdruck am Messgerät oder bequem aus der Warte an der Auswertekarte geprüft werden. Auch ein direkter Anschluss an eine SPS ist möglich.

Heartbeat Technology – Immer am Puls der Messung
Die von Endress+Hauser entwickelte Heartbeat Technology ist für das geführte Radarmessgerät Levelflex und das freiabstrahlende Radarmessgerät Micropilot verfügbar. Sie liefert Betreibern eine Diagnose, verifiziert die Leistung und überwacht Prozessdaten für die vorausschauende Wartung und zur Prozessoptimierung.
Die Heartbeat Verifikation enthält einen geführten Prüfablauf für die Wiederholungsprüfung nach WHG. Der Prüfablauf kann zeitsparend über die Bediensoftwares Field- und DeviceCare oder ein DTM-basiertes Leitsystem genutzt werden. Sie wird in einem automatisch generierten Protokoll dokumentiert.

Bewertung durch Simulation am 4...20mA Ausgang mit Heartbeat Verifikation
Der Füllstand wird unmittelbar unterhalb sowie oberhalb des definierten Grenzstandes (Ansprechhöhe) simuliert. Im Gegensatz zur Knopfdruckprüfung mit dem Liquiphant ist hier noch eine Plausibilitätsprüfung erforderlich: Die Ausgangsströme werden abgelesen, protokolliert und auf Richtigkeit bewertet. Heartbeat Verifikation wertet die Wiederkehrende Prüfung als bestanden, wenn der Ausgangsstrom unmittelbar unterhalb des Grenzwertes nicht, jedoch oberhalb des Wertes, zu einem Ansprechen der Sicherheitsfunktion – bestehend aus Alarmierungseinrichtung und gegebenenfalls Aktorik – geführt hat. Sie wird in einem automatisch generierten Protokoll dokumentiert und kann digital abgelegt werden.
Empfehlung
Für eine absolut sichere und effiziente Überfüllsicherung empfiehlt Endress+Hauser eine Kombination aus einem kontinuierlichen Füllstandmessgerät für den laufenden Betrieb und zur eigentlichen Überfüllsicherung einen Vibrations-Grenzschalter der Marke Liquiphant einzusetzen. Dieser prüft sich permanent selbst auf Korrosion und ist ganzheitlich per Knopfdruck wiederkehrend prüfbar. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Sicherheitsfunktion unabhängig von der kontinuierlichen Füllstandmessung ist.
Als Partner für Überfüllsicherungen nach WHG realisiert Endress+Hauser nach Bedarf auch eine komplette Überfüllsicherung inklusive Planung, Tankauslegung über ein eigenes Berechnungstool, Instrumentierung, Automatisierung mit Schaltschrank, Steuerung und Anbindung an die übergeordnete Leitebene. Darüber hinaus führen die People for Process Automation Expertenbesuch vor Ort durch sowie Dienstleistungen wie Inbetriebnahmen von WHG-Messstellen und wiederkehrende Prüfungen inklusive vollumfänglicher Dokumenta­tion nach WHG.