Anlagenbau & Prozesstechnik

Fluidik-Experte Bürkert strebt „0-Fehler-Produktion“ und „Losgröße 1“ an

Industrie 4.0 bietet die Chance, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln

02.11.2017 -

Die vertikale und horizontale Integration der unternehmensinternen Prozesse ist für Bürkert Voraussetzung dafür, die Wünsche der Kunden optimal erfüllen zu können.

Industrie 4.0 ganzheitlich denken
Industrie 4.0 taugliche Komponenten anbieten zu können, ist nur eine Seite der Medaille. Auch das Fundament muss stimmen. Schlagworte in diesem Zusammenhang sind der Wunsch nach individualisierten und gleichzeitig kostengünstigen Produkten sowie das effiziente Handling kleiner Bestellmengen ab Losgröße 1 bei kurzen Lieferzeiten. Das verlangt eine möglichst hohe Flexibilität sowohl bei den Produktionsanlagen als auch bei der Materialbereitstellung und natürlich auch von den Mitarbeitern. Jedes Unternehmen hat damit seine eigene vierte industrielle Revolution, die es individuell zu meistern gilt, um für die Zukunft gerüstet zu sein.
Es darf nicht darum gehen, nur singulär in einem Teilbereich aktiv zu sein, sondern es braucht einen ganzheitlichen Ansatz, um für den Kunden – oder noch besser für den Kunden des Kunden – den größtmöglichen messbaren Mehrwert zu erzielen. Die Grundlage dafür bilden gleich eine ganze Reihe unterschiedlicher Kompetenzen, die wiederum eng miteinander vernetzt sein müssen.

Mit Strategie zum Kundennutzen
Ein grundlegendes Element für die Umsetzung der Digitalisierung bei Bürkert ist PLM (Product Lifecycle Management). Dabei handelt es sich um die bekannte Vorgehensweise zur ganzheitlichen, unternehmensweiten Verwaltung und Steuerung aller Produktdaten und Prozesse des kompletten Lebenszyklus entlang der erweiterten Logistikkette – von der Konstruktion und Produktion über den Vertrieb bis hin zur Demontage und dem Recycling. Diese Vorgehensweise muss allerdings konsequenter als bisher gelebt werden. Dafür braucht es saubere Datenstrukturen die garantieren, dass Informationen so abgelegt sind, dass sie bei Bedarf schnell gefunden werden, z.B. Sachmerkmalleisten. Wichtige Basis dafür ist das Produktdatenmanagement (PDM), das Daten aus der Produktentwicklung speichert und sie den nachgelagerten Phasen des Produktlebenszyklus zur Verfügung stellt.
Gleichzeitig ist eine intelligente Anbindung an das Stammdatenmanagement (Master Data Management, MDM) und ERP-System (Enterprise Resource Planning) notwendig und auch die Mitarbeiter sind zu berücksichtigen. Sie müssen entsprechend aus- und weitergebildet werden, um zukünftige Anforderungen zu erfüllen. Als „Schnittstelle“ zum Kunden betrifft das besonders den Vertrieb. Geschulte Verkäufer fungieren als Berater, die genau zuhören und erkennen, was für den Kunden entscheidend ist.

Digitalisierung in Entwicklung und Produktion
Soweit die Strategie. Doch was bedeutet das für Entwicklung und Produktion der „Smart-Products“? In der Entwicklung gilt es, sich über Plattformen Gedanken zu machen, um den multiplen Einsatz von Baugruppen oder Komponenten zu ermöglichen. Die grundsätzliche Fragestellung ist hier, wie sich vorhandene Datenstrukturen mit der jeweiligen Plattform zu individuellen Produkten zusammenbringen lassen. Im Prinzip ähnelt das Vorgehen einem Legobaukasten: Hier lassen sich mit einzelnen Komponenten immer wieder andere Lösungen zusammensetzen oder neue Systeme realisieren. Bei Bürkert sind diese „Bausteine“ des Regelkreises, also Sensoren, Regler, Aktoren etc., und es muss genau dokumentiert werden, was, wann und wo genutzt wurde. Um einen gleichen oder ähnlichen Auftrag zu einem späteren Zeitpunkt auszuführen, muss dann niemand in Stücklisten „wühlen“.
Bei der nachfolgenden Produktion muss Losgröße 1 auch wirtschaftlich herstellbar sein. Dafür braucht es eine strukturierte Ablaufkette, optimale Beschreibungen und natürlich auch wieder solide Datenstrukturen, angefangen von der Bauteilebereitstellung im Kleinteillager, der Montagegruppe bis hin zum Distributionszen­trum. Hierfür muss die IT in der Lage sein, die komplexen Prozesse zu beherrschen. Allein um das automatische Kleinteilelager eines einzigen Produktionswerks von Bürkert am Laufen zu halten, müssen z.B. zwölf Rechner miteinander kommunizieren.

Unterschiedliche Prozesse bei der Produktentstehung
Bereits bei der Produktentstehung gilt es zudem drei unterschiedliche Prozesse zu berücksichtigen: Select-to-Order (STO), bei dem der Kunde aus dem Standardprogramm wählt, Configure-to-Order (CTO), bei dem z. B. Ventil­inseln anwendungsspezifisch konfiguriert werden, oder Engineer-to-Order (ETO), also der Entwicklung einer völlig neuen Lösung. Bei allen spielt dann wieder der oben erwähnte Plattformgedanke eine wichtige Rolle, um auch solch individuelle Lösungen kostengünstig zu realisieren. Viele dieser Abläufe hat der Fluidik-Experte aber schon heute gut im Griff: Bei Ventilinseln bspw., die hunderttausendfach pro Jahr ausgeliefert werden, liegt die Losgröße durchschnittlich bei 7.
Basierend auf dieser Strategie und den Grundfertigkeiten können dann neue Geschäftsmodelle entstehen. Erste Beispiele sind die Kommunikationsplattform EDIP (Efficient Device Integration Platform), die eine intelligente Vernetzung bis in die Sensor- und Aktor-Ebene erlaubt und das Online-Analyse-System, die Massendurchflussregler 8741/8742/8745/8746 oder die Ventilinseln 8652/8653/8647, bei denen heute bereits die Produktion in Losgröße 1 möglich ist. Das zeigt, wie wichtig es ist, ein tragfähiges Fundament für Industrie 4.0 zu legen. Dabei spielt aber nicht nur die unternehmensinterne Digitalisierung eine wichtige Rolle, sondern auch der Markt und der einzelne Kunde. Wichtiges Schlagwort in diesem Zusammenhang ist Service 4.0. Erst wenn nicht nur die Produkte, sondern auch Produktionsprozess und Logistik smart sind, kann der Kunde alle Informationen erhalten, die er braucht, z. B. wann ein Service notwendig ist, oder schnell Hilfe bekommen, wenn es einmal Probleme gibt. Vom Markt her denken und dem Markt vorausdenken, wird sich Bürkert auch zünftig auf die Fahne schreiben, um mit smarten Lösungen und neuen Geschäftsmodellen Industrie 4.0 Realität werden zu lassen.

Gestaltungsfelder der Digitalisierung
Kunden wollen beliebige Varianten bestellen und das in ebenfalls beliebigen Stückzahlen von Losgröße 1 bis hin zu großen Auftragsmengen. Gleichzeitig sind kurze Lieferzeiten gefragt. Dabei sollte der Hersteller flexibel genug bleiben, um auch nach der Bestellung noch Anpassungen zu ermöglichen. Last but not least muss natürlich die Qualität stimmen. Das Stichwort lautet „0-Fehler-Produktion“.

Kundenbedürfnisse verstehen und umsetzen
Um solche Anforderungen erfüllen zu können, hat Bürkert mit der Digitalisierung aller unternehmensinternen Prozesse begonnen. Dazu gilt es die Wertschöpfungs- und Lieferketten zu optimieren (horizontale Integration) und gleichzeitig den reibungslosen Informationsfluss bis in die Fertigung und wieder zurück sicherzustellen, um damit eine hohe Prozessautomatisierung zu erreichen (vertikale Integration). Ziel der dazu notwendigen Prozesse ist es, die Kundenbedürfnisse zu verstehen, zu systematisieren, eventuelle Synergieeffekte aufzuspüren, z.  B. zwischen unterschiedlichen Anwendungsbereichen mit ähnlichen Anforderungen, und schlussendlich vollumfänglich umzusetzen. Dazu sind durchgängige Geschäftsprozesse notwendig, angefangen von der Marktanalyse über Produktplanung und Produktion bis hin zum Bestellwesen und dem After-Sales-Service. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass alle an diesen Prozessen beteiligten Mitarbeiter entsprechend geschult und ebenfalls miteinander vernetzt sind. Nicht nur geeignete digitale Tools, sondern auch persönlicher Austausch ist dafür wichtig. Alle relevanten Informationen, die in diesem Zusammenhang anfallen, müssen für jeden greifbar sein, der sie benötigt. Dafür gilt es definierte Prozesse zu generieren und kontinuierlich zu optimieren. Dann ist es möglich, dem Markt „vorauszudenken“ und zukunftsgerecht zu planen und zu entwickeln.

Standardisierung und Individualisierung
Auf dieser Basis lässt sich dann Standardisierung und Individualisierung gleichermaßen vorantreiben, z.  B. durch Modularisierung, multifunktionale Bauteile, Baukastensysteme oder Plattformen. Immer im Hinblick darauf, dass es sowohl große Stückzahlen als auch Losgröße 1 zu bedienen gilt. Eine smarte Produktentstehung muss verhindern, dass die externe Forderung nach möglichst großer Variantenvielfalt und Individualisierung zu ständig wachsender interner Varianz führt. Intelligente Konzepte steuern solchen negativen Effekten entgegen. Ein Schritt auf diesem Weg ist es bspw., dem Kunden individuelle Lösungen zu bieten, indem Synergieeffekte genutzt werden. Dazu lassen sich aus den unterschiedlichen Kundenanwendungen gewonnene Erkenntnisse systematisch standardisieren. Auf dieser Grundlage sind dann passgenaue Lösungen entsprechend der Kundenanforderungen schnell und individuell durch Konfigurationen realisierbar.

Ausrichtung der Abwicklungsprozesse
Die Arten der Auftragsabwicklung werden dann auf die unterschiedlichen Produkte ausgerichtet: Select-to-Order – Auswahl aus dem Standardprogramm; Configure-to-­Order – kundenindividuelle Konfiguration; ­Engineer-to-Order – die offene Konfiguration. Hier lassen sich ebenfalls durch Standardisierung kundenindividuelle Lösungen bis zu einem hohen Grad über Design-Automation verwirklichen, also auf Basis physikalischer und geometrischer Regeln. Darüber hinaus gibt es typische Sonderlösungen, dabei wird jedoch angestrebt, aus diesen Standardisierungen abzuleiten. Bürkert bemüht sich also, die vom Kunden gewünschten Individualisierungen – soweit möglich – standardisiert zu bedienen. Ansonsten gilt es die Fertigung entsprechend auszurichten, um wirtschaftlich und mit möglichst kurzen Lieferzeiten den Markt zu bedienen.

Steuerungsstrategie für Produktion und Logistik
Für Produktion und Logistik ergeben sich damit zwei Szenarien: je nachdem ob die Anzahl der für die Produktion notwendigen Teile die Just-in-Sequence-Schwelle überschreitet oder nicht. Im ersten Fall kann verbrauchsgesteuert über ein Kanban- oder Conwip-System gefertigt werden. Wird die Varianz dafür zu groß, gilt es die Automatisierungspyramide neu zu definieren, um die Produktion „ad hoc“ mit den benötigten Bauteilen zu beliefern. Die vertikale Integration muss dazu einen reibungslosen Informationsfluss von PLM- (Product Lifecycle Management) und ERP-System (Enterprise Resource Planning) bis hin zur Fertigungsebene und wieder zurück sicherstellen. Das heißt die Maschinen arbeiten auftragsbezogen; gleichzeitig stehen die Fertigungsdaten in Echtzeit für eine optimale Steuerung einerseits und eine lückenlose Dokumentation andererseits zur Verfügung.
Nach der Fertigung fängt dann das „Leben“ eines Produktes erst richtig an. Jetzt gilt es, die bisher im Prozess entstandenen Informationen sinnvoll zu strukturieren und weiter zu verwenden. Sie müssen also zentral verfügbar sein. Eine ganzheitliche Informationsbereitstellung über ein solches „Data Backbone“ bietet dann die Grundlage für weitere Services nach dem Verkauf, die genau auf den jeweiligen Kunden und seine Applikation abgestimmt sind, z.B. aktuelle Dokumentationen zu jedem Gerät, Hinweise zu vorbeugenden Wartungsmaßnahmen oder ähnliches. Das alles mit dem Ziel einen zufriedenen Betreiber zu haben. Die digitale Transformation ist die Voraussetzung dafür.

Von der Aufgabenstellung zur digitalisierten Anwendung
Industrie 4.0 und die damit verbundene Digitalisierung sind kein Selbstzweck, sie haben das Ziel Prozesse zu optimieren. Das trifft natürlich auch auf die Entwicklung von individuellen Applikationslösungen und Produkten für die unterschiedlichen Bereiche der Prozesstechnik zu. Hier gilt es Flüssigkeiten und Gase zu messen, zu mischen und Prozesse zu steuern. Auf diesen fluidtechnischen Grundspielarten basiert jede industrielle Prozesstechnik. Neue Ideen werden hier oft durch einen Perspektivenwechsel möglich, also durch branchenübergreifendes Denken und durch die Vernetzung bzw. Digitalisierung der Entwicklungs- und Fertigungsprozesse.

Eine typische Anwendung und ihre Anforderungen
Alle zur Herstellung und Abfüllung von Glasampullen für kosmetische Produkte notwendigen Prozesse können in einer Maschine integriert werden, die darauf ausgelegt ist, sehr flexibel unterschiedliche Produkte zu produzieren. Im Prozess wird die Ampulle aus einem Glasrohling gefertigt, automatisch befüllt, verschlossen und anschließend mit wichtigen Informationen bedruckt und verpackt. Jeder der Prozessschritte stellt hohe Anforderungen: Beim Formen der Ampulle aus dem Glasrohling müssen die Brenngase dem Brenner in einem richtigen Mischungsverhältnis zugeführt werden. Beim Abfüllen des Mediums steht eine präzise und anpassbare Dosierung im Fokus. Abschließend werden die Prozessparameter und Daten einer erfolgreichen Dosierung zur Dokumentation an die Steuerung zurückgemeldet. Die an diesem Prozessschritt beteiligten Komponenten müssen nicht nur die dafür notwendigen technischen Spezifikationen erfüllen, sondern sich auch gut reinigen lassen. Deshalb ist auch die Kontrolle des korrekten Mediums ein wichtiger Bestandteil des Systems. Beim Verschließen der Glaskolben durch einen Gasbrenner gilt es, den Wärmeeintrag in das Medium zu minimieren. Die Flamme muss dynamisch steuerbar sein, wozu eine präzise Druck- und Durchflussregelung der Brennergase auch hier erforderlich ist. Am Ende des Herstellungsprozesses wird die Ampulle durch einen Tintenstrahldrucker beschriftet. Im Drucker sorgen Bürkert-Produkte oder -Systeme im Tintenmanagement dafür, den Druckkopf mit Tinte zu versorgen sowie ihre Eigenschaften, wie z. B. Viskosität und Temperatur, zu regeln und zu überwachen.
Die Maschine soll in der Lage sein, kleine Losgrößen mit großer Produktvarianz, was sowohl die Medien als auch die Ampullengröße anbelangt, wirtschaftlich herzustellen. Hierfür sind kurze Takt- und Rüstzeiten gefragt. Die Prozesstechnik muss also nicht nur genau und dynamisch, sondern auch flexibel arbeiten. Rezeptabhängige Parametrierung dezentraler Steuer- und Regelkreisläufe sowie Diagnosefunktionen, z. B. für vorbeugende Wartungsmaßnahmen, sorgen für diese Flexibilität und ein reduziertes Informations- und Kommunikationsaufkommen. Als Basis für die Realisierung dieser einzelnen prozesstechnischen Anwendungen dienen bewährte Bürkert-Plattformen: Individuell anpassbare Ventilinseln für die Pneumatik-Steuerung, Massendurchflussregler-Systeme für Druck- und Durchflussregelung sowie die Kommunikationsplattform EDIP (Efficient Device Integration Platform) zur digitalen Vernetzung der intelligenten Bürkert-Systeme innerhalb der Produktionsmaschine.

Ventilinseln als pneumatische Automatisierungssysteme
Verfahrenstechnische Anlagen in Pharma-, Kosmetik-, Nahrungs- und Genussmittelindustrie oder Wasseraufbereitung profitieren davon, wenn elektrische und pneumatische Funktionen in einer Ventilinsel zusammengefasst sind. So lassen sie sich über nur eine Busleitung ansteuern und das Programmieren wird einfacher. Heute sind die integrierten Ventilinseln von Bürkert zu intelligenten, elektropneumatischen, obendrein auch noch Ex-sicheren Automatisierungssystemen “gewachsen“, die sich „nahtlos“ in die Prozesssteuerungswelt einfügen. Zudem bilden sie als flexible Plattform die Basis, um innerhalb kurzer Zeit applikationsspezifische Systemlösungen zu realisieren, schließlich gleicht kaum eine prozesstechnische Anwendung der anderen. Ein typischer Einsatzbereich für solche Ventilinseln ist beispielsweise das Füllen von Glasampullen in der Kosmetik- oder Pharmaindustrie. Im Kontext mit Industrie 4.0 steigen hier die Anforderungen. Dabei sollten sich z. B. Sicherheits- und ­Diagnosefunktionen integrieren bzw. auch nachrüsten lassen. Die Vernetzung über indus­trielle Standards muss möglich sein, vorbeugende Wartungsmaßnahmen sind erwünscht und schlussendlich gilt es auch die Mensch-Maschine-Schnittstelle zu berücksichtigen.
Manches davon ist bereits mit einfachen Mitteln realisierbar. Für sicherheitsgerichtete Abschaltungen lassen sich bspw. Ventilfunktionen direkt auf der bestehenden Ventilinsel und unabhängig von der regulären Schaltsignalsteuerung stilllegen, wenn hier Ventile für sicherheitsgerichtete Abschaltungen nachgerüstet werden. Auch das ist bereits ein Schritt in Richtung Industrie 4.0. Deutliche Maßstäbe auf diesem Weg setzt die Ventilinsel AirLINE SP Typ 8647, die vollständig in das dezentrale Remote I/O System ­ET200SP von Siemens integriert ist. Bei ihr kann der Anwender ohne zusätzliche Peripheriegeräte direkt auf einem vor Ort eingebauten LC-Display den Status der Ventilinsel, Fehler oder Dia­gnosedaten ablesen. Dies erfolgt sowohl in Klartext als auch symbolisch. Alle auf der Ventilinsel generierten Informationen können auch in der Steuerung verarbeitet werden. Die integrierten Schaltspielzähler generieren Daten, die eine vorbeugende Wartung ermöglichen und ebenfalls als Klartext auf der Ventilinsel direkt im Schaltschrank angezeigt werden. Für den Einbau in den Schaltschrankboden gibt es die Bodeneinbauplatte AirLINE Quick aus Edelstahl oder Aluminium. Damit lässt sich auch die neue Ventilinsel platzsparend in einem Schaltschrank montieren. Anwender im Pharma- und Nahrungsmittelsektor können dadurch kleine, dezentrale Einheiten mit einer hohen Signaldichte direkt vor Ort installieren.
Die Ventilinseln kommunizieren über gängige Industrial-Ethernet-Protokolle oder Profibus DP. In geschlossenen Ringtopologien und Profinet IO Kommunikation sorgt das Media Redundancy Protocol (MRP) für ein hochverfügbares Netzwerk, das sogar den Ausfall eines Switches oder einer Leitung kompensieren kann. Dies erhöht die Anlagenverfügbarkeit und macht den Prozess sicherer. Die Kommunikation innerhalb der Ventilinseln und mit weiteren intelligenten Bürkert-Geräten läuft über die Kommunikationsplattform EDIP.

Die Kommunikationsplattform EDIP als Tor zu Industrie 4.0
Ventile, Sensoren und Aktoren in prozesstechnischen Anlagen sind keine Einzelkämpfer. Erst wenn verschiedene Ventilfunktionen und Sensoren miteinander verknüpft werden, bekommt die Anlage eine Funktion. Klassisch übernimmt dies eine SPS. Während bei einer Kombination mehrerer Ventilfunktionen die Signalanzahl noch überschaubar ist, steigt die Informationsanzahl mit der Anbindung der Sensoren deutlich an. Dann ist es aber nicht mehr einfach, alle Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, auch auszunutzen. Denn bei jeder noch so kleinen Änderung muss ins Programm der SPS eingegriffen werden.
Darauf hat Bürkert mit der Entwicklung der Geräteplattform EDIP (Efficient Device Integration Platform) reagiert und eine praxisgerechte Lösung geschaffen, die anwendungsspezifische Lösungen auf Basis der eigenen standardisierten Plattform ermöglicht (Bild 4). Das autarke Sub-System wird in das vorhandene Netzwerk bzw. an den jeweiligen übergeordneten Feldbus an genau einer Stelle eingebunden. Das vereinfacht die Projektierung und minimiert Schnittstellen. Die EDIP-fähigen Geräte kommunizieren über ein Interface auf Basis des Industriestandards CANopen, der mit zusätzlichen Features erweitert wurde. So ist bspw. kein Master notwendig und die Teilnehmer werden automatisch adressiert.
Ein wichtiger Baustein von EDIP ist PC-Software „Communicator“, die allen Kunden kostenfrei zur Verfügung steht. Das Programm dient der Konfiguration bzw. Parametrierung aller „intelligenten“ Bürkert-Produkte. Vor allem die grafische Programmieroberfläche bietet einen hohen Praxisnutzen, da sich mit ihrer Hilfe beliebige Funktionen realisieren und applikationsspezifische Prozessabläufe regeln lassen, zum Beispiel Mischungsregelungen von Gasen, Zustandserfassungen oder eine Fehlerüberwachung. Für die individuelle Anpassung und Optimierung von Teil-Prozessen ist ein Eingriff ins Leitsystem somit nicht mehr zwingend notwendig, was die Anlagen­effizienz steigert sowie Zeit und Kosten spart. Dabei soll der Ansatz mit dezentraler Intelligenz nicht das klassische Prozessleitsystem ersetzen, sondern ist durchaus als Teil eines Gesamtsystems sinnvoll. Neben dem Einsatz in Subsystemen besteht aber auch die Möglichkeit, autarke, dezentrale Systeme zu erstellen, um schnell, einfach und kostengünstig individuelle Lösungen umzusetzen.

Kundenspezifische Automatisierungssysteme
Da prozesstechnische Anlagen unterschiedliche Anforderungen stellen, muss sich die Auftragsabwicklung bei Bürkert entsprechend anpassen. Der Kunde hat unterschiedliche Möglichkeiten Produkte auszuwählen. Anschauliche Beispiele dafür liefert das Hygienic-­Design-Programm. Einfach und schnell geht die Bestellung über das Standardprogramm Select-to-Order (STO). Auch hier sind bereits Individualisierungen möglich. Für die schnelle und sichere Automation fluidischer Prozesse in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie hat Bürkert standardisierte, hygienegerechte Schaltschranklösungen mit einheitlichen Adaptionsschnittstellen entwickelt, die schnell geliefert, angeschlossen und in Betrieb genommen werden können. Die Schaltschrankgehäuse sind je nach Platzbedarf der erforderlichen Komponenten in drei Baubreiten mit jeweils gleicher Höhe und Tiefe erhältlich. Diese Beschränkung bringt den Vorteil der preiswerten Standardisierung und kurzfristigen Verfügbarkeit, bietet aber dank der darauf abgestimmten modularen Konzepte von Bürkert trotzdem genügend Flexibilität für applikationsspezifische Lösungen.
Individuellere Bestellmöglichkeiten bietet Configure-to-Order (CTO). Hier können die Schaltschränke mit bestimmten Optionen kundenindividuell konfiguriert (geschlossene Konfiguration) oder auch um Sonderwünsche ergänzt werden, z. B. was die Anschlusstechnik oder das Material anbelangt. Während Schaltschränke für nicht Ex-Bereiche meist klassische CTO-Bestellungen sind, gibt es für Ex-Bereiche oft noch zusätzliche Anforderungen, z. B. Erwärmungsmessung, Eplan-Makros oder spezielle Parametrierung. Der Übergang zwischen CTO und Engineer-to-Order (ETO) wird hier fließend. Dabei bemüht sich Bürkert jedoch, die vom Kunden gewünschten Individualisierungen – soweit möglich – standardisiert zu bedienen, durch Modularisierung, multifunktionale Bauteile, Baukastensysteme oder Plattformen. Dazu gehören auch dezentrale Lösungen, bei denen z. B. Ventile im Feld mit intelligenten Steuerköpfen ausgestattet sind.

Effiziente Nutzung der Plattformen
Fluidische Aufgaben in der Automatisierungstechnik sind sehr vielfältig und erfordern spezifische Kenntnisse. Oft gibt es keine standardisierte oder konfigurierbare Lösung am Markt. Bürkert bietet deshalb in seinen Systemhäusern die kundenspezifische Entwicklung von Systemen. Kunden können in den gemeinsam umgesetzten Projekten auf ein durchgängiges Leistungsportfolio zurückgreifen: Von der technischen Konzeption und Projektierung, der eng abgestimmten Entwicklung und Dokumentation bis hin zur Montage, Prüfung und Qualifizierung der Systeme. Dazu zählen auch die Inbetriebnahme von Komplettlösungen, weltweite Zulassungen für verschiedenste Prozessumgebungen, einschließlich explosionsgefährdeter Bereiche. Dieses „Alles aus einer Hand“-Prinzip sorgt für hohe Qualität sowie erhebliche Zeitersparnis, da alles unter einem Dach konzipiert, gefertigt und montiert wird. Kunden müssen das benötigte Know-how zur erfolgreichen Umsetzung der Lösungen sowie der Fertigungsprozesse nicht mehr intern aufbauen, sondern können sich auf einen einzigen Ansprechpartner mit der notwendigen und spezifischen Erfahrung verlassen. Die vielfältigen Aufgaben und Anforderungen der kundenspezifischen Projekte aus den unterschiedlichsten Applikationen führen zu ebenso vielfältigen Lösungen. Da die Entwicklung von individuellen Lösungen zeit­intensiv sein kann und individuelle Systeme für manche Anwendungen nicht ökonomisch sind, entwickelt und erweitert Bürkert kontinuierlich technologische Plattformen. Diese Plattformen dienen unter anderem dazu, komplexe Systemlösungen auf einer flexi­blen Basis aufzusetzen. Die Entwicklungszeit und die Time-to-market reduzieren sich dadurch, dass keine grundlegenden Entwicklungen mehr durchgeführt werden müssen, was sich auch positiv auf die Entwicklungskosten auswirkt. Durch die Bündelung von individuellen Lösungen in Plattformen kann bei der Umsetzung ebenso auf Gleichteile und Fertigungsprozesse zurückgegriffen werden. Die Umsetzung von maßgeschneiderten Lösungen wird auf diese Weise kosteneffizienter und schneller. Im Hinblick auf die Digitalisierung der Systeme wird die EDIP-Plattform verwendet. Diese Plattform bietet neben der standardisierten Kommunikation der Geräte auch Soft- und Hardware-Bausteine, die sich direkt verwenden oder auch anpassen lassen. Ein Beispiel dafür ist die Massendurchflussregler-Plattform. So können auf Basis von EDIP mehrere Massendurchflussregler miteinander vernetzt, mit einer Druckregelung kombiniert und eine Ablaufsteuerung, z. B. für eine Brennersteuerung, mit dem Bürkert-Communicator programmiert werden. Auch bei Dosiersystemen für Flüssigkeiten, welche die Zeit-Druck-Technologie verwenden, wurde der Plattformgedanke umgesetzt. Mit geringem Aufwand können anwendungsspezifische Lösungen kundenindividuell aus der Plattform abgeleitet werden. Zur Dosierung von flüssigen Medien sind nicht nur die Dosiersysteme notwendig. Auch die Bereitstellung, Kontrolle und Zuführung der Medien in der richtigen Qualität wird basierend auf einer Plattform von Bürkert im Fluidmanagementsystem umgesetzt, welches auf die individuellen Anforderungen der Anwendung angepasst wird. Ein wichtiger Bestandteil des Angebotes ist auch die Automatisierung des Fluidmanagements, z.B. durch die AirLINE Ventilinseln sowie das Dosiersystem und damit die Automatisierung des gesamten Dosierprozesses. Durch die konsequente Nutzung und Anpassung der Bürkert-Plattformen sind so individuelle und technisch anspruchsvolle Systemlösungen in kurzer Zeit umzusetzen.