Anlagenbau & Prozesstechnik

Prozessindustrie wird flexibler

Teil 1: Warum wird flexible Produktion gebraucht

02.02.2018 -

Zu Beginn einer vierteiligen Artikelserie im Vorfeld der Achema 2018 klärt dieser Beitrag in CITplus, warum die Produktion in der Prozessindustrie flexibler werden muss.

Im Januar ist die CES in Las Vegas zu Ende gegangen, eine der wichtigsten Messen für Unterhaltungs- und Haushaltselektronik weltweit. Mit Chemie hat sie nichts zu tun. Oder vielleicht doch? Wer – jenseits von Meldungen über selbstfahrende Koffer, Sprachassistenten und Stromausfall – einen Blick ins Programm geworfen hat, gerät ins Nachdenken. Wo kommt eigentlich die Batterietechnik für die superschnellen mobilen 5G-Endgeräte und die selbstfahrenden Autos der Zukunft her? Was bedeutet es für die Wertschöpfungsketten der Kunststoffindustrie, wenn jeder seinen 3D-Drucker zuhause stehen hat? Und umgekehrt: Wie lassen sich neue Technologien wie Drohnen bei der Überwachung und Instandhaltung von Chemieanlagen einsetzen?

Wandel der Geschäftsmodelle
Auch, wenn Alexa oder Siri nicht die Leitwarte eines Verbundstandortes übernehmen werden – die Prozessindustrie bleibt nicht unbeeinflusst von den technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen um sie herum. Wenn sich die Geschäftsmodelle nachgelagerter Branchen grundlegend wandeln, beeinflusst das auch die Hersteller und Verarbeiter von Chemikalien. Vor einigen Jahren konnte man sich seine eigene Actionfigur individuell herstellen lassen, inzwischen druckt mancher sein Superhelden-Double gleich zuhause. Das verändert die gesamte Struktur der Wertschöpfungskette – Zwischenstufen fallen weg, Absatzwege und –mengen verändern sich, und das schlägt durch bis zum Hersteller von Kunststoffgranulat. Flexibilität verlangen aber nicht nur die Kunden bis hin zum Verbraucher, Flexibilität erfordern auch die Veränderungen im Energie- und Rohstoffsystem.
Mit dem Fokusthema „Flexible Production“ richtet die Achema 2018 das Scheinwerferlicht auf diese Entwicklungen:

  • Kleinere Chargen, speziellere Produkte, schnellere Zyklen bei hoher Qualität – das erwarten die Kunden von heute. Modulare Konzepte, Multipurpose- und flexible Anlagen treten an die Stelle (oder an die Seite?) heutiger World-Scale-Anlagen – mit allen Herausforderungen, die das für die Effizienz der über Jahrzehnte optimierten Prozesse mit sich bringt.
  • Chemische Prozesse müssen zunehmend an regional und saisonal variierende Rohstoffverfügbarkeiten angepasst werden. Der Shale-Gas-Boom hat gezeigt, wie schnell sich Rohstoffmärkte verändern können. Investitionen, die den Prozess (und damit die Rohstoffbasis) für Jahrzehnte festschreiben, sind in einem solchen Umfeld schwierig. Das Gleiche gilt für regionale Unterschiede – was Brasilien das Zuckerrohr, ist China (zumindest momentan) die Kohle – und welche Rohstoffe wird Europa zukünftig nutzen?

Die Energiewende führt zur Sektorintegration – Energieerzeugung, Elektrizität, Mobilität, Heizung, aber auch energieintensive Industrien müssen zusammenwirken, um Stabilität zu gewährleisten. Beim Ausgleich volatiler Energiequellen durch „Demand Side Management“ ist nicht nur die Anpassung von Produktionsvolumina im Blick, sondern auch das „Switchen“ ganzer Prozesse zwischen unterschiedlichen Energiequellen oder Produktionswegen.

Modularisierung, Standardisierung, ­Digitalisierung
Die Prozessindustrie hat sich längst aufgemacht, diese Herausforderungen zu meistern. Modulare Anlagen und „intelligentes“ Equipment ermöglichen das Umrüsten von Anlagen mit minimalen Stillstandszeiten. Die Anlagenbauer reagieren mit unterschiedlichen neuen Engineering-Konzepten, um auch die Entwicklungszeiten und –kosten zu reduzieren. Eine weitere wichtige Voraussetzung für „Plug & Play“ in der modularen Anlagenwelt sind Standardisierungen, die das möglichst reibungslose Zusammenspiel von Komponenten und Modulen auch unterschiedlicher Hersteller ermöglichen.

Digitalisierung ist ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Geht es um die schnelle Befriedigung von Kundenwünschen, kommt man kaum daran vorbei, über eine weit stärkere Integration der Supply Chain nachzudenken, als es bisher der Fall ist.  Längst denken Unternehmen von kleinen Start-Ups bis zu Großkonzernen über neue Geschäftsmodelle nach, bei denen es nicht mehr „nur“ darum geht, Chemikalien zu verkaufen. Zwar basiert die Prozess­industrie immer noch auf der Umwandlung von Stoffen, aber wo, wie und in welchen Mengen diese Stoffe umgewandelt werden, könnte sich in naher Zukunft erheblich verändern. Dabei spielt die Logistik – ein zweites Fokus­thema der Achema 2018 – eine entscheidende Rolle: Der Transport ist nicht mehr notwendige Dienstleistung, sondern wird im Extremfall – etwa in der personalisierten Medizin – zu einem integralen Bestandteil des Produkts.

Wachsende Datendurchlässigkeit
Gleichzeitig stellt nicht nur die wachsende „Datendurchlässigkeit“ zwischen Unternehmen, sondern auch die zunehmende Verfügbarkeit und der Austausch von Daten innerhalb einer Firma – auch drahtlos – neue Anforderungen an die Sicherheit. Zugriffsrechte müssen geregelt und eine Netzwerkstruktur etabliert werden, die bei aller Transparenz gleichzeitig sicherstellt, dass kritische Prozesse und Informationen vor unbefugten Eingriffen geschützt bleiben.
Es gibt also viel zu tun, und andere Branchen wie die Energiewirtschaft oder die Kraftfahrzeugbranche haben gezeigt, wie schnell einschneidende Veränderungen kommen können. Umso wichtiger ist es, vorbereitet zu sein. Die Achema 2018 zeigt, welche Möglichkeiten dafür bestehen.

Den 2. Teil dieser mehrteiligen Artikelserie lesen Sie hier.

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