Strategie & Management

CHEMonitor 2/2018 – China heute und morgen

Chemiemanager sehen China als attraktiven Produktionsstandort und innovationsstarken Wettbewerber

08.11.2018 - Chinas Wettbewerbsvorteil aufgrund niedriger Löhne schwindet, die Umweltschutzkosten für Unternehmen steigen und Importzölle auf Chemieprodukte erschweren den Handel – und dennoch gewinnt das Land an Attraktivität für die deutsche Chemieindustrie.

Gründe dafür analysiert das aktuelle Trendbarometer CHEMonitor zum Thema „China – heute und morgen“.

Die Stimmung unter deutschen Chemiemanagern ist so gut wie schon lange nicht mehr: Erstmals nach zwei Jahren steigt der Anteil derer, die den Standort Deutschland mit „gut“ oder „sehr gut“ bewerten, wieder an: von 65% im März dieses Jahres auf 78% im Oktober 2018. Drei Viertel der Manager erwarten einen Umsatzanstieg für das eigene Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten; zwei Drittel gehen von einer positiven Entwicklung beim Ergebnis aus. Gute Zeiten, um in künftiges Wachstum zu investieren. Neben Deutschland und Westeuropa haben deutsche Chemieunternehmen dabei vor allem China im Visier. Dies ergab die 31. CHEMonitor-Umfrage von CHEManager und der Strategie- und Organisationsberatung Camelot Management Consultants. Für das aktuelle Trendbarometer wurden die CHEMonitor-Panelmitglieder von August bis Anfang Oktober 2018 befragt. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Region China und deren Bedeutung für die deutsche Chemie.

Importzölle gefährden Industriekonjunktur
Befragt nach der Rolle Chinas in den kommenden fünf Jahren antworteten 65%, China habe Bedeutung als Rohstofflieferant. Fast ebenso viele (60%) sehen die Region als wichtigen Exportmarkt für das eigene Unternehmen. In der Tat kann China, das sich in den vergangenen Jahren zum weltweiten größten Chemieproduzenten mit einem Branchenumsatz von 1,7 Bio. EUR und einem Weltmarktanteil von 40% entwickelt hat, seinen eigenen Bedarf nicht decken und agiert nach wie vor als Nettoimporteur von Chemikalien (vgl. Beitrag S. 4). Die Ende September 2018 von China und den USA eingeführten Importzölle auf Chemikalien könnten daher nicht nur zu Lasten der chinesischen und amerikanischen Wirtschaft gehen, sondern auch der Weltwirtschaft insgesamt schaden: Über ein Drittel der befragten Chemiemanager (36%) erwarten eine nachlassende Industriekonjunktur aufgrund des Protektionismus und fürchten Auswirkungen auf das eigene Unternehmen.

Deutsche Chemie baut Produktionskapazitäten in China aus
Vor dem Hintergrund steigender Handelshemmnisse und des anhaltenden Wirtschaftswachstums in China steigt das Interesse deutscher Unternehmen an eigenen Produktionskapazitäten im Reich der Mitte. „Wir erwarten, dass China in wenigen Jahren unser umsatzstärkstes Land sein wird und bauen Entwicklung, Produktion und Partnerschaften vor Ort weiter aus“, sagt CHEMonitor-Panelmitglied Stefan Lätsch, CEO Asia beim Spezialglashersteller. Damit steht er stellvertretend für andere Umfrageteilnehmer: Bereits 43% der Befragten messen China Bedeutung als Produktionsstandort zu.

„Die Bedeutung Chinas als Produktionsstandort und Binnenmarkt nimmt zu.“
Josef Packowski, Managing Partner, Camelot Management Consultants

Zwar bleibt für acht von zehn Managern Deutschland der wichtigste Investitionsstandort (Grafik 1), doch „die Bedeutung Chinas als Produktionsstandort und Binnenmarkt und die damit verbundenen Investitionen nehmen eindeutig zu“, sagt Josef Packowski, Managing Partner bei Camelot Management Consultants. Letzteres gilt insbesondere für Chemieunternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern: Bei der CHEMonitor-Befragung vom Oktober verdoppelte sich der Anteil derer, die Investitionen in China in den kommenden zwölf Monaten planen, auf 23%. Damit überflügelt China erstmals Osteuropa und zählt zu den Top-3-Investitionszielen für kleine und mittlere Chemieunternehmen aus Deutschland.

Unter Managern großer Chemiekonzerne ist China bereits heute zweitwichtigstes Investitionsziel, gemeinsam mit Nordamerika (je 46%). Dies belegen eindrucksvoll die aktuellen Aktivitäten des weltweit größten Chemiekonzerns in China: BASF kündigte im Juli 2018 an, bis zu 8,5 Mrd. EUR (10 Mrd. USD) in den Bau eines neuen Verbundstandorts in Guangdong, der bevölkerungsreichsten Provinz Chinas, zu investieren. Wenige Wochen später meldete das Unternehmen die Investition in einen Standort für Oberflächentechnik in Pinghu für den Unternehmensbereich Coatings. Und Ende Oktober unterzeichneten BASF und Sinopec eine Absichtserklärung über die Erweiterung der gemeinsamen Joint-Venture-Aktivitäten von BASF-YPC, die u. a. den Bau eines zweiten Steamcrackers mit einer Kapazität von 1 Mio. t/a Ethylen am Standort Nanjing vorsieht (vgl. S. 5).

Deutsche Unternehmen profitieren von Chinas Fokus auf Umweltschutz
Neben BASF sind auch alle weiteren führenden deutschen Chemieunternehmen in China aktiv. Aufgrund ihrer Expertise im Umweltschutz und der Produktion im Verbund profitieren sie aktuell vom Bestreben der chinesischen Regierung, bis zum Jahr 2025 einen Großteil der Chemieproduktion in Industrieparks zu verlagern. Ziel dabei ist eine fachgerechte Entsorgung von Sondermüll, die Aufbereitung von Abwässern sowie die effiziente Kontrolle von Emissionen.

Mit der verschärften Umweltschutzgesetzgebung bewirkt Chinas Regierung bewusst eine Konsolidierung der Branche, denn die Eintrittsbarrieren für kleinere chinesische Chemieunternehmen steigen, insbesondere in weniger innovativen Segmenten, z. B. der Textil- und Lederchemie. Die deutsche Chemie profitiert dagegen von der Ausrichtung auf umweltschonendere Herstellungsverfahren und Produkte. Die CHEMonitor-Befragung ergab, dass 87% der Manager von einem sinkenden Kostenvorteil der chinesischen Chemieunternehmen aufgrund steigender Umweltkosten ausgehen.

„Der Kompetenzvorsprung der deutschen Chemieindustrie gegenüber China beginnt zu schwinden.“
Jörg Schmid, Studienleiter CHEMonitor, Camelot Management Consultants

Diesen Vorteil sollten deutsche Unternehmen in den nächsten Jahren nutzen. Denn haben sich die lokalen Unternehmen erst einmal auf die neue Situation eingestellt, werden sie die notwendigen Kompetenzen schnell aufbauen. Auch auf anderen Gebieten spüren deutsche Chemieunternehmen die schnell wachsende Kompetenz und Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Firmen, dies zeigt die CHEMonitor-Befragung. Hier sprachen 62% der Manager Chinas Chemie eine höhere Kompetenz im Onlinehandel als ihren deutschen Wettbewerbern zu. 23% der Befragten stuften die Innovationskraft chinesischer Unternehmen höher ein und 16% deren Kompetenz bei Robotik (Grafik 2). „Der Kompetenzvorsprung der deutschen chemischen Industrie gegenüber China beginnt in innovativen Bereichen wie Robotik oder Onlinehandel zu schwinden. Nur eine konsequente Umorientierung von Konzepten hin zu konkreten Pilotimplementierungen kann diesen Trend umkehren“, sagt Jörg Schmid, Studienleiter des CHEMonitor bei Camelot.

Dies bestätigt auch Asien-Experte Lätsch: „Wir beobachten in China nicht nur eine hohe Technologieakzeptanz und eine ausgeprägte Bereitschaft zur Automatisierung, sondern auch den Mut zum Experimentieren, Dinge auszuprobieren, aber auch schnell wieder zu revidieren, wenn sie sich nicht umsetzen lassen.“ Deshalb investiert Schott ebenso wie etwa 20% der befragten Chemieunternehmen in lokale Forschung und Entwicklung, um gemeinsam mit wichtigen Kunden Innovationen vor Ort zu entwickeln.

Chinas Chemie – ein ernstzunehmender Wettbewerber
„Auch wenn die Kostenvorteile Chinas aufgrund steigender Lohn- und Umweltschutzkosten geringer werden, erwächst dort eine starke Konkurrenz. In den europäischen Unternehmensstrategien ist dieses Szenario noch nicht ausreichend berücksichtigt“, sagt Packowski. Dies spiegelt auch die aktuelle Befragung wider. 86% der Manager messen Chinas Chemieindustrie eine „hohe“ bisweilen sogar „kritische“ Bedeutung als Wettbewerber der deutschen Chemiebranche zu (Grafik 3). Der Anteil der Chemiemanager, die den Wettbewerb aus China für das eigene Unternehmen als relevant einstufen, liegt jedoch mit 45% deutlich geringer.

Chinas Wettbewerbsvorteil wird künftig nicht länger auf niedrigen Arbeitskosten basieren, sondern auf einem riesigen Binnenmarkt. Zunehmend kaufkräftigere Konsumenten sowie an Qualität und Innovation interessierte Industriekunden machen China dabei zum attraktiven Standort für deutsche Chemieunternehmen.

Andrea Gruß, CHEManager

 

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