Strategie & Management

Fachkräftemangel bremst Digitalisierung in der Chemie

EY-DigiChem Survey: Vor allem bei der Datenökonomie und Automatisierung sehen Unternehmen Potenzial

12.06.2019 - Die deutsche Chemieindustrie hat erst spät auf die Digitalisierung gesetzt, doch dafür sind die Hoffnungen jetzt umso größer: 69 % der Chemie­unternehmen sehen laut des „DigiChem Survey“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY einen starken bis sehr starken Einfluss der Digitalisierung etwa auf ihren Vertrieb, aber nur 26 % sind bei der Einführung digitaler Technologien und Prozesse in diesem Bereich bereits weit oder sehr weit fortgeschritten. Für den „DigiChem Survey“ hat EY 101 Unternehmen der chemischen Industrie zum Stand der Digitalisierung in der Branche befragt.

Ähnliche Lücken zwischen Potenzial und Umsetzung gibt es noch bei der Kundenbetreuung und der Logistik, die aus Sicht von 66 % bzw. 63 % der befragten Unternehmen stark oder sehr stark von der Digitalisierung beeinflusst werden. Doch auch bei der Kundenbetreuung ist die Digitalisierung nur bei 26 % bereits weit oder sehr weit fortgeschritten, in der Logistik ist dies bei 24 % der Unternehmen der Fall.

Die ersten Erfolge sind aus Sicht der Unternehmen dennoch schon sichtbar: 47 % der Unternehmen haben mithilfe digitaler Technologien schnellere Durchlaufzeiten erreicht, für 45 % hat sich der Markt- und Kundenzugang verbessert.

44 % der Unternehmen konnten bereits Kosten senken – durchschnittlich um 12 %. Künftig erwarten die Unternehmen sogar Kosteneinsparungen von durchschnittlich 17 %.

Und nicht nur bei den Kosten sieht die Chemiebranche noch viel Potenzial: Als die Top-3-Potenziale, die sich in Zukunft mithilfe der Digitalisierung erreichen lassen, nennen die Unternehmen eine verbesserte Datenanalyse (49 %), Automatisierung (34 %) sowie eine Verbesserung des Datenmanagements (32 %).

Aus Sicht von Frank Jenner, Partner und weltweiter Leiter der Sparte Chemische Industrie bei EY, zeigen die Ergebnisse, dass die Branche zwar bereits einiges umgesetzt, aber noch einen weiten Weg vor sich hat: „Die chemische Industrie hat erst verhältnismäßig spät mit der Digitalisierung begonnen. Wir beobachten seit 2015 eine gesteigerte Aktivität. Wichtige erste Schritte bei der Digitalisierung sind jetzt gemacht, und die Unternehmen fahren auch schon die ersten Erfolge ein. Allerdings besteht nach wie vor eine große Lücke zwischen dem erwarteten Potenzial und dem tatsächlich erzielten Fortschritt. Die chemische Industrie in Deutschland sollte ihre Bemühungen verstärken und sich zum Treiber der digitalen Transformation entwickeln.“

Sven Mandewirth, Associate Partner im EY Account-Team der Chemieindustrie unterstreicht: „Die chemische Industrie sollte stärkeren Fokus auf die digitale Transformation des Kerngeschäfts und der Geschäftsmodelle legen. Die Digitalisierung von Verwaltung und Zentralfunktionen spart zwar Kosten, aber sichert nicht die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit.“

Fachkräftemangel größte Barriere vor Infrastruktur

Wie viele andere Branchen auch, hat die chemische Industrie allerdings mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. 53 % der Unternehmen nennen als größte Barriere für die Umsetzung der Digitalisierung, dass sie zu wenig qualifiziertes Personal finden. Die unzureichende technische Infrastruktur bremst aus Sicht von 39 % der Unternehmen die Digitalisierung aus und 37 % nennen Sicherheitsbedenken, zum Beispiel in Bezug auf Cyber-Angriffe oder Datenlecks.

Und es sind vor allem die kleineren Unternehmen, die bei der Umsetzung hinter den größeren Konzernen zurückbleiben: Bei der Selbsteinschätzung auf einer Skala von 0 bis 100, wobei 0 keinerlei Aktivitäten zur Digitalisierung bedeutet und 100, dass eine bereits reibungslose digitale Transformation gestartet wurde, beträgt der Durchschnittswert 61. Während alle Umsatzklassen über 100 Mio. EUR sich knapp über diesem Wert befinden, sind es die Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 100 Mio. EUR, die die Umsetzung der Digitalisierung mit 52,5 mit Abstand am niedrigsten einschätzen.

„Die chemische Industrie muss umdenken: Sie konkurriert im Kampf um IT-Fachkräfte plötzlich mit anderen Branchen und braucht daher andere Personalstrategien. Und Sicherheit betrifft nicht mehr nur alleine die physische Sicherheit der Anlagen und Produkte, sondern eben auch die Sicherheit vor Cyber­Angriffen. Während die größeren Konzerne bei der Umsetzung der Digitalisierung schon etwas weiter sind, müssen die kleineren Unternehmen aufpassen, im Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren. Die Digitalisierung wird noch disruptive Umwälzungen mit sich bringen – und die Unternehmen müssen sowohl personell als auch bei der Infrastruktur darauf vorbereitet sein.“

Bisher seien die Veränderungen eher evolutionär geprägt gewesen. „Aber das wird sich ändern. So erwarten die Unternehmen für die kommenden drei Jahre mehrheitlich eine revolutionäre bzw. mit 26  % sogar eine disruptive Weiterentwicklung in der chemischen Industrie.“

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