Anlagenbau & Prozesstechnik

Schnell, schneller, digital - Wie Prozessanlagen von digitaler Kommunikation profitieren

07.10.2019 -

Für moderne Prozessanlagen bedeutet der Einsatz digitaler Infrastruktur einen erheblichen Vorteil. Eine Profinet auf Profibus PA Applikation ist einzukunftweisender Standard.

Um digitale Kommunikation im Feld zu ermöglichen, kommt heute überall in der Industrie die Profibus PA Technologie zum Einsatz, da Ethernet-Kabel mit maximal 100 m für Anwendungen in der Prozessautomation schlicht zu kurz sind. Stimmt die Planung und werden die integrierten Werkzeuge korrekt eingesetzt, ermöglichen diese Installationen nicht nur einen extra schnellen Go Live, auch die Kommunikation von Messwerten, Gerätestatus und Konfiguration sind so hochpräzise auf digitalem Weg sichergestellt. Die Einbindung der Daten in die Leittechnik erfolgt dann via Ethernet-basierter Profinet Kommunikationstechnologie. Realisierbar ist diese Form der Infrastruktur im Grunde für jede moderne Prozessanlage. Wie der Anwender idealerweise vorgeht, um alle Vorteile der digitalen Kommunikation optimal zu nutzen, soll hier zunächst am Beispiel der Abfüllanlage einer Destillerie und später Schritt für Schritt für jede beliebige Installation verdeutlicht werden.
Abfüllanlagen kombinieren in der Regel prozessbezogene Anwendungen wie die Überwachung und Steuerung von Lagertanks und Rohrsystemen mit Motion Control-Anwendungen zum Abfüllen, Verschließen und Verpacken von Flaschen. Über die gesamte Anlage sind in diesem Fall rund 20 Profibus PA-Segmente mit 300 Feldgeräten zur Durchfluss-, Temperatur-, Füllstands- und Druckmessung installiert. Der überwiegende Teil dieser PA-Segmente führt in explosionsgefährdete Bereiche der Zone 1. Als anlagenweites Steuerungsprotokoll wird Profinet verwendet. Jeweils bis zu vier der PA-Segmente werden bspw. über das FieldConnex-Power-Hub-Systems mit Profinet Gateway von Pepperl+Fuchs in das Leitsystem integriert. Insgesamt eine Lösung, die durch einfaches Engineering und schnelle Systemintegration überzeugt.

Der Weg zum erfolgreichen Automationsprojekt
Doch was genau ist zu tun, um eine solch durchgängig digitale Kommunikation für das Feld zu realisieren? Wer hier bereits in der Vorbereitung auf exakte Planung setzt kann sein Projekt durch das abarbeiten acht einfacher Punkte problemlos umsetzen. Zunächst (Schritt eins) werden sowohl Anzahl als auch Typen der Feldgeräte ausgewählt. Zeitgleich wird das für die Anlage bereits vorgeschriebene Schirmungs- und Erdungskonzept überprüft (Schritt zwei). Schritt drei erfordert, dass die Positionen für Verteiler so festgelegt werden, dass der maximale Kabelweg zur Instrumentierung weniger als 120 m beträgt.
Im vierten Schritt werden dafür die benötigten Kabelwege mit Hilfe der Kabeltrassenplanung abgeschätzt. Die Validierung der Segmente kann bspw. mit Hilfe der Software „Segmentchecker“ von Pepperl+Fuchs erfolgen (Schritt fünf). Der maximal mögliche Kabelweg von der Leitwarte ins Feld kann auf diese Weise ebenfalls identifiziert werden. Sind die genannten Punkte korrekt umgesetzt, ist zu diesem Zeitpunkt bereits sichergestellt und validiert, dass die geplante Infrastruktur funktionieren wird. Spätere „böse“ Überraschungen können so definitiv vermieden werden. In einem sechsten Schritt werden nun die Feldbus­adressen und Taginformationen der Feldgeräte vorkonfiguriert. Diese Aufgabe kann vom Lieferanten auch nach entsprechenden Vorgaben als Dienstleistung übernommen werden.
In Schritt sieben werden Infrastruktur, Verteiler und Feldgeräte installiert und angeschlossen. Dabei ist dafür Sorge zu tragen, dass die Plus- und Minus-Leitung des Kabels vom Erdpotenzial getrennt angeschlossen werden. In dieser Phase kann bspw. der FDH- 1 von Pepperl+­Fuchs schrankfertige Dokumentationen über die Qualität der Feldinstallation liefern – ohne, dass die Leittechnik vorhanden sein muss. Dabei wird die Installation im betriebsfertigen Zustand geprüft ohne dass ein Messgerät zwischengeschaltet werden muss, was den Sicherheitsfaktor und die Qualität deutlich erhöht.
Mit Hilfe des mobilen Gerätes kann so noch während die Installationsteams auf der Baustelle anwesend sind, die Verkabelung und Infrastruktur, inklusive Feldgerätekommunikation überprüft werden (Schritt acht). Eventuelle Fehler können auf diese Weise direkt von den Installateuren korrigiert werden. Darüber hinaus besteht so Klarheit zwischen Auftraggeber und Montagefirma in Bezug auf Arbeitsqualität und -umfang.
Auch im laufenden Betrieb kann der FDH- 1 für sporadische Tests eingesetzt werden, etwa nach ausgeführten Wartungsarbeiten, um die Qualität zu überprüfen und erneut zu dokumentieren. Noch vor der Inbetriebnahme der Leittechnik und dem eigentlichen Loop-Check schaffen das Advanced Diagnostic Modul (ADM) oder der FDH- 1 Klarheit: die Prüfung der gesamten Installation erfolgt en bloc. Das ADM übernimmt dann zusätzlich im laufenden Betrieb die Online-Überwachung der Installation in Echtzeit. Gestützt durch das integrierte, regelbasierte Expertensystem erhält der Anlagenfahrer eine Sammelmeldung und Wartungsteams jeweils detaillierte Analysen mit Klartext Informationen zu möglichen Fehlerursachen sowie Hinweise zu deren Behebung. Der für Wartung und Instandhaltung verantwortliche Betriebsingenieur einer Raffinerie in den USA bestätigte, dass mit Hilfe des ADM ein Wassereinbruch in der Installation aufgespürt und behoben werden konnte, der sonst erst viel später und verbunden mit erheblichen Konsequenzen aufgefallen wäre. Wie beim FDH- 1 erfolgt auch hier die Dokumentation und Fehler­analyse automatisiert und mit Unterstützung der integrierten Regelwerke – schrankfertige Dokumentation inklusive. Ist dieser Punkt erreicht, sind bereits alle Geräte im Feld montiert, und können von der Warte aus angesprochen werden. Die Inbetriebnahme der Anlage wird so dank der digitalen Infrastruktur erheblich vereinfacht und beschleunigt.

Schnellere, genauere Testmethoden sparen Zeit
Bei der digitalen Kommunikation bietet die Physical Layer Diagnose deutliches Einsparpotenzial verglichen mit Installationen mit 4 … 20-mA-Schnittstellen oder Feldbusinstallation, die manuelle Testverfahren nutzen. Legt man eine Anlage von 100 Segmenten mit je 12 Feldgeräten zugrunde, sowie ein Zeitbudget von 5 Minuten pro Loop Check ergibt sich für 4 … 20 mA Installationen allein für die Überprüfung der Verdrahtung ein Arbeitsaufwand von insgesamt 12,5 Personentagen. Nutzt man hingegen die Physical Layer Diagnose über FDH- 1 oder ADM wird das Kabel bereits vor der Inbetriebnahme automatisch mit geprüft. Insgesamt gesehen wäre bei dieser Anlage, bezogen auf manuelle Überprüfung der Verdrahtung, das Beheben von Verdrahtungsfehlern, die Überprüfung der Feldgeräte sowie das Auffinden und Beseitigen von Kabelfehlern ein Zeitaufwand von 46,5 Personentagen zu veranschlagen. Bei Einsatz der Physical Layer Diagnose hingegen beträgt der Arbeitsaufwand lediglich 2,6 Personentage. Die Fallstudie mit Randbedingungen und einer ausführliche Beschreibung des Vorgehens ist in einem White Paper unter – www.fieldconnex.info – verfügbar
Insgesamt zeigt sich, dass für Prozessanlagen durch den kombinierten Einsatz von Profibus PA und Profinet-Technologie eine deutlich zeit- und kosteneffizientere Inbetriebnahme möglich ist. Darüber hinaus bietet die durchgängig digitale Kommunikation durch optimale Nutzung von Physical Layer Diagnose und ADM eine lückenlose Transparenz der Feldbusinfrastruktur. Da die Kabel der Installation auch für kommende Technologien wie Ethernet APL kompatibel sein werden, sind solche Investitionen zudem sehr zukunftssicher und stellen bereits jetzt die Weichen für eine künftige Nutzung von Ethernet im Feld.

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