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Verein 4.OPMC fordert ein klares Bekenntnis zur Digitalisierung

Mehr Mut zur Kooperation bei der nötigen Transformation in der Industrie

10.12.2019 -

Die deutsche Industrie steht unter Handlungsdruck. Das wurde beim Unkongress in der Zeche Zollverein in Essen Anfang Oktober deutlich. Andreas Weber, 1. Vorsitzender des Vereins 4.OPMC (Open Production & Maintenance Community) und Gastgeber der Veranstaltung, fordert ein klares Bekenntnis zur Digitalisierung und mehr Mut zur Kooperation. „Digitalisierung muss Angst machen. Wem es nicht so geht, der hat die Digitalisierung nicht verstanden,“ lautet sein Credo. „Transformation ist nötig. Wir wollen alle zusammenbringen, die das Rad neu erfinden wollen – interaktiv und branchenübergreifend.“ Oliver Pruys sprach mit ihm und dem 2. Vorsitzenden, Jens Reichel,  über die Förderung der Digitalisierung in der Industrie.

CHEManager: Mit dem 4.OPMC hat sich im August 2018 ein neuer Verein gegründet. Warum braucht es ein weiteres Netzwerk, noch eine Plattform zu den Verbänden und Interessenvertretungen? War das wirklich nötig?
Andreas Weber: Ja, aus unserer Sicht war es überfällig, zu beginnen uns branchenübergreifend zu vernetzen, um der hohen Entwicklungsgeschwindigkeit der Digitalisierung gerecht zu werden. Wir beziehen verschiedene Gruppen ein, Anlagenbetreiber, Technologie- und Serviceanbieter, Forschung und Lehre als auch die Fach- und Branchenverbände. Während die meistens Verbände mit Vertretern aus gleichen/ähnlichen Industrien eher homogen besetzt sind, ermöglicht bei uns die Heterogenität der Teilnehmer aus unterschiedlichen Branchen eine höhere  Entwicklungsgeschwindigkeit. Dadurch versuchen wir, ganz neue angewandte Lösungsansätze zu formulieren. Wir verstehen uns weniger als Interessenvertretung, denn als Nestor-­Netzwerk, in dem offene Fragen gemeinsam diskutiert werden. Darüber hinaus versuchen wir, die Fachgremien in den Verbänden besser miteinander zu vernetzen. Wir müssen uns um den Bestand an Anlagen in Deutschland kümmern, sonst drohen wir, diese zu verlieren.

Jens Reichel: Eine zentrale Funktion des Vereins ist, breite Gesellschaftsschichten für das Thema Produktion und Technik zu sensibilisieren und den Dialog mit der Politik zu suchen. Wir müssen die Digitalisierung in den Bestandsanlagen vorantreiben, um den zukünftigen Wertschöpfungsketten gerecht zu werden. Nur mit einer starken Industrie wird es uns gelingen, im globalen Wettbewerb zu bestehen. Das dies in Deutschland in der Regel in einer gewachsenen Struktur stattfindet, bedeutet es auch immer, Bestandsanlagen weiter zu entwickeln.Mit der Übernahme der Schirmherrschaft durch Staatsministerin Dorothee Bär ist uns gelungen, die Brücke zur politischen Bühne zu schlagen. Damit konnten wir schon bei unserem ersten Event in Berlin, der Ecosystems 1.0, einen weiteren Meilenstein nehmen: Bewusstsein auf der politischen Ebene zu schaffen.

Industrie 4.0 ist ein schöner plakativer Begriff, was verbirgt sich letztlich dahinter und welche Chancen stecken darin für die Industrieunternehmen heute?
A. Weber: Konstruktiv gedacht, ist Industrie 4.0 nichts anderes, als das unternehmensübergreifende Optimieren von Wertschöpfungsketten in immer volatileren Märkten. Das bedeutet, dass sich die Schnittstellen der Leistungserbringung vollständig verändern können. Vielleicht nicht immer gleich disruptiv (das nächste Buzz Word), aber selbst schleichend bedeutet es für große Unternehmen riesige Herausforderungen.

J. Reichel: Nachdem wir uns längere Zeit mit der Frage auseinander gesetzt haben, wie wir mit konventionellen Methoden bestehende Prozesse und die darin handelnden Menschen produktiver gestalten können, erlaubt uns die Digitaliserungsstrategie im Zuge von Industrie 4.0, mit neuen Methoden der Informations- und Automatisierungstechnik, uns auch völlig neue Potenziale zu erschließen. Hierbei geht es nicht nur um jede einzelne Stufe der Wertschöpfungskette, die untersucht wird, sondern besonders auch der Blick über verschieden Schritte in der Kette, deren ganzheitliche Betrachtung auch über Systemgrenzen hinweg neue Potenziale erschließt.

Das neue Netzwerk propagiert das Technologie-Scouting. Was hat es damit auf sich?
A. Weber: Wenn sich Unternehmen ehrlich hinterfragen, haben sie ein gewisses Potential ihrer Innovationskraft verloren: früher haben wir Mitarbeiter zu Messen entsendet, auf denen sie neue Impulse aufnehmen konnten: Die neue Zange, das neue Messegerät etc. Ich spreche dabei nicht von großen revolutionären Lösungen, sondern von den tausend kleinen Innovationen, die auf diesem Weg kontinuierlich in die Unternehmen kamen.

J. Reichel: Heute entsenden wir die Mitarbeiter häufig nicht mehr zu Messen, weil wir die Ressourcen an anderer Stelle benötigen. Das Technologie Scouting soll hier eine entstandene Lücke schließen, um mit den digital verfügbaren Informationen einen Extrakt anwendertauglich bereit zu stellen, damit sie unseren Mitgliedern zur Verfügung gestellt werden können. Hier wollen wir mit Technologie Ideen in die Unternehmen bringen.

Der Verein bietet Start-up-Unternehmen einen Inkubator. Was wollen Sie damit erreichen?
A. Weber: Die Start-up-Szene wird immer aktiver, das ist gut und wichtig. Wir unterstützen hier, indem wir jungen Unternehmen helfen, „industrietauglich“ zu werden. Die meisten Start-ups kennen industrielle Zusammenhänge, Herausforderungen, Gefahren nicht. Trotzdem steckt dort oft ein hohes Potenzial und spannende neue Ideen, die zu kanalisieren und anwendbar zu machen, ist keine Aufgabe für nur ein Unternehmen. Das sollten wir gemeinsam tun.

J. Reichel: Auch hier zeigt sich der Unterschied zu den bisherigen Verbänden und Vertretungen: Welcher Industrieverband könnte ein Start-up mit dem Thema Condition Monitoring oder AR-Lösungen so zielgerichtet vernetzen, dass die jungen Unternehmen sofort die richtigen Ansprechpartner in der  Industrie finden können? Wir sprechen von Unterstützungsprozessen, die branchenübergreifend gleichartig sind. So schaffen wir es auch, schneller zu Standards und Vereinheitlichung für die vielen Schnittstellen zu kommen.

„Digitalisierung muss Angst machen. Wem es nicht so geht, der hat die Digitalisierung nicht verstanden.“

Warum haben Sie die Versammlung in Essen „Unkongress“ genannt? Sollte der Name eine Neuartigkeit anzeigen oder wollten die Organisatoren damit schlicht provozieren?
J. Reichel: Unkongress, weil es eine andere Form des Miteinander ist, nämlich keine Frontbeschallung,  sondern konkret die Arbeit an Lösungsansätzen im wachsenden Netzwerk einschließt. Gemeinsam gilt es, das Ziel im Auge zu behalten: Transformation auch in den Bestandsanalgen ist eine Master-Aufgabe, ohne die wir die Produktivität des Produktionsstandortes Deutschland nicht halten können.
 
A. Weber: Der Unkongress ist ein Synonym dafür, nicht nur zu reden, sondern auch zu Handeln und zu Machen. Es geht darum, Gedanken und Ideen in Taten umzusetzen. Wir wollen neue Denkweisen und Verbindungen ermöglichen und neue Impulse zulassen. Ich denke, das ist auf der Ecosystems 1 in Berlin und dem Unkongress in Essen gut gelungen. Die Teilnehmer spürten den „anderen Spirit“, es bewegt sich etwas und wer da war, ist Teil davon. Wir wollen liefern, aber wir können nur den Rahmen geben, während die Themengruppen sich selbst formieren müssen. Der Start war erfolgreich, die Interaktionsgruppen bekommen Sichtbarkeit und eine breitere Diskussionsbasis.

Wie geht es 2020 weiter, welche Ziele hoffen Sie kurzfristig erreichen zu können?
J. Reichel: Der Schwerpunkt wird in der Arbeit der Interaktionsgruppen liegen. Sie beschäftigen sich inzwischen mit 15 Themen aus allen Bereichen der Digitaliserung. Es reicht von der Anlagenüberwachung mit Condition-Monitoring-Systemen, VR-/AR-Anwendungen über IT-gestützte Prozessabwicklung bis hin zum Einsatz von Exoskeletten. Dabei geht es darum, für die Anwender mit konkreten Lösungsansätzen und Definitionen Hilfestellungen zu geben, um Projekte in Ihren Unternehmen schnell umzusetzen.

A. Weber: Auch die Netzwerkveranstaltungen gehen weiter. Wir planen im kommenden Jahr zum einen ein Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft zum Thema „Transformation im Bestand“, Ende Q2 2020. und Ecosystems 3 – Der Unkongress am 17/18.9.2020 wird sicher wieder ein Highlight. Wir werden 2020 zusätzlich Themen-Round-Tables haben, in denen wir in kleineren Gruppen der Technischen Leader gezielt eine jeweils gemeinsame Stoßrichtung für die Themen diskutieren werden. So können wir den Mitgliedern einen noch besseren Nutzen stiften und Transformation im Bestand als Standortsicherungsfaktor für den Produktionsstandort Deutschland verdeutlichen.

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